Bowlingtreff

Wilhelm-Leuschner-Platz | Ortsteil: Zentrum-Süd

Eine Zukunft ist dem ehemaligen Bowlingtreff auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz gewiss. Er wird das neue Naturkundemuseum, mit dessen Ausstrahlung Leipzig weit über die Stadtgrenzen hinaus in der Champions League spielen will. Museumschef Ronny Maik Leder hat eine vielbeachtete Konzeption vorgelegt, die noch vor ihrer Realisierung mit dem sächsischen Museumspreis 2021 ausgezeichnet worden ist. Bis 2029 soll das neue Museum öffnen. Die Baukosten für die Sanierung und Erweiterung werden nach derzeitiger Prognose auf 83,4 Millionen Euro veranschlagt. Der Freistaat Sachsen hat zugesagt, das Projekt mit etwa 74 Millionen Euro zu fördern.

Erste Bauarbeiten in der ehemaligen Freizeitstätte, die seit 1997 leer steht, haben im März 2023 begonnen. Zunächst wird das Gebäude entkernt, alles schadstoffbelastete Material entfernt, um eine „Gesundatmung“ des Gebäudes zu ermöglichen. Dort sind im Stahlbeton im unterirdischen Komplex nun größere Mängel als gedacht gefunden worden. Der eigentliche Ausbau soll dann 2025 beginnen.

Die bis zu 15 Metern in die Tiefe reichende Immobilie entstand 1925/26 als Umspannwerk und wurde 1986/87 zu einer Freizeitsportstätte samt oberirdischem Oktagon umgebaut. 

Als elektrisches Umformwerk Mitte diente das Vorgängergebäude einst dazu, die Innenstadt – einschließlich der Straßenbahn – stabil mit Gleichstrom zu versorgen. Die Anlage war bis 1965 in Betrieb. Danach wurde sie stillgelegt und in den folgenden Jahren als Lagerraum genutzt. Mitte der 1970er Jahre gab es erste Pläne, sie zur Freizeitstätte auszubauen. Doch die scheiterten. Mitte der 1980er Jahre erhielt der Aufbaustab des damaligen Rates des Bezirkes den Auftrag, das Projekt neu zu beleben.

Freizeittreff entsteht als „Schwarzbau“


Im Frühjahr 1985 wird ein interner Wettbewerb ausgerufen, bei dem sich der Leipziger Architekt
Winfried Sziegoleit mit seinem Entwurf durchsetzen kann. Die Ausführung entsteht als Gemeinschaftswerk. So übernimmt Volker Sieg die Projektleitung und konzipiert auch den Umbau der unterirdischen Gebäudeteile. Es ist ein Projekt der Superlative und wird gewissermaßen als „Schwarzbau“ vorbei an den DDR-Oberen in Ostberlin initiiert. Die konzentrierten sich damals gerade auf die für 1987 geplante 750-Jahrfeier Berlins, für die Bauarbeiter aus der gesamten DDR in die Hauptstadt abgezogen wurden. Die Baustelle in Leipzig wird im Oktober 1986 zum Jugendobjekt der Freien Deutschen Jugend (FDJ) erklärt und Wettbewerbe unter allen beteiligten Bau- und Ausrüstungsbetrieben organisiert.

Bowling statt Kegeln ist zu jener Zeit ein Novum. Wie prächtig der Bowlingtreff wird, erfährt die DDR-Staatsführung erst kurz vor der Eröffnung. Der Bowlingtreff wird im Juli 1987 – zum VIII. Deutschen Turn- und Sportfest der DDR in Leipzig und der Kinder- und Jugendspartakiade – eingeweiht. Entstanden sind 14 Bowlingbahnen – Leipzig hat damit mehr als der Palast der Republik in Berlin (acht Bahnen). Ein Novum ist auch: Der Bowlingtreff beherbergt Leipzigs erstes Fitnessstudio.

Lichtdurchflutete Eingangshalle ist einladend


Der architektonische Anspruch ist hoch: Die lichtdurchflutete Eingangshalle mit achteckigem Grundriss wirkt einladend, soll kein „angsteinflößender Einstiegsschacht“ in die „Unterwelt“ sein, wie es
Wolfgang Hocquél in seinem im Passage Verlag erschienenen Architekturführer betont. Das Oktagon mit vier vom Keller bis zum Dach reichenden Säulen sowie dem Marmorboden wirkt durchaus luxuriös. Neben den Bowlingbahnen gibt es ein Café sowie Gastronomie mit 310 Plätzen, Billardtische, Spielcomputer, eine Skatklause sowie Büroräume. Geöffnet ist täglich, 2.000 bis 2.500 Gäste werden dann meist empfangen. Das Haus schließt 1997, denn es ist nicht mehr ganz zeitgemäß. Investoren ziehen sich zurück.

Danach verfällt der Bowlingtreff an der wichtigen zentralen Einstiegsstelle für den öffentlichen Nahverkehr zusehends. Er wird mit Graffiti verunstaltet. Die Stadtverwaltung tut sich viele Jahre schwer, eine neue Nutzung zu finden und will das Objekt zwischenzeitlich sogar verkaufen. Doch dann entscheidet der Stadtrat, das Haus als Naturkundemuseum fortzuführen und beauftragt Planungen. „Ich bin überzeugt, dass das Projekt ein Leuchtturm mit überregionaler Ausstrahlung und einem großen Mehrwert für die Stadt Leipzig wird“, sagte Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke im November 2022 bei der Vorstellung der Pläne. Das Leipziger Büro Weis & Volkmann Architekten konnte sich beim Wettbewerb durchsetzen. Es favorisiert einen „öffnenden Schwung“ hin zum Eingangsgebäude, gestaltet die bislang flachen Dächer über den unterirdischen Hallen um. Die Osthalle des Ex-Bowlingtreffs wird für Sonderausstellungen genutzt. Die Westhalle beherbergt die Dauerschau. Ihre Decke wird angehoben, um Platz für größere Sammlungsobjekte zu schaffen. Auf der Ostseite wird Material aufgeschüttet, um Einblicke ins Museum von außen zu bieten. So entsteht ein gläsernes Schaufenster.

Naturkundemuseum widmet sich Kunst der Präparation


Museumschef Ronny Maik Leder hat das Ausstellungskonzept mit 430 Themenkomplexen entwickelt. Er rückt unter anderem prähistorische Lebenswelten, die Kunst der Präparation sowie das beeindruckende Spektrum Leipziger Wissenschaftshistorie in verschiedenen Inszenierungen ins Blickfeld. Dazu gehören die Tiefseeexpedition, die der Leipziger Zoologie-Professor
Karl Chun 1898 mit dem Forschungsschiff Valdivia startet sowie Herman Ter Meer als Wegbereiter der modernen Tierpräparation.

Stand: 10.03.2024

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Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
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