Kulkwitzer See

Lausen-Grünau

Die Stadt Leipzig ruht auf Braunkohle. Doch die „Ruhe“ war trügerisch. Mit Beruhigt-Sein hatte die industrielle Epoche der Kohleförderung erst recht nichts gemein. Viel zu bedrohlich rückte der Bergbau an das Stadtgebiet heran, und die Umweltschäden nahmen zu. Erst die Flutung der ausgekohlten Tagebaue und der steigende Wasserspiegel der neuen Seen ließ die Menschen aufatmen. Der Kulkwitzer See war in diesem radikalen Rückschwung zu einer ansprechenden Landschaft die erste im Reigen vieler blauer Perlen, von denen Leipzig mittlerweile umgeben ist.

Abschied vom Kohlebergbau


In Kulkwitz südwestlich von Leipzig lief die Kohleförderung lange vor der Zäsur aus, die neuerdings mit De-Karbonisierung umschrieben wird und an den nahenden Abschied vom Kohle-Zeitalter erinnern soll. Zwei Bergbauflächen wandelten sich zwischen 1937 und 1965 zunächst in Gruben, um an die Kohleflöze zur Versorgung eines nahen Kraftwerks heranzukommen. Dann war der Vorrat an dem natürlichen Brennstoff erschöpft. Mit dem Abschalten der Pumpen, die beim aktiven Bergbau für die Absenkung des Wasserspiegels in den Gruben gebraucht werden, sickerte wieder natürliches Wasser in die ausgebeutete Lagerstätte. Und damit eröffnete sich die Chance, nicht nur einen weiteren der überall im Lande verbreiteten Baggerseen zu gewinnen, sondern ein beachtlich ausgedehntes Gewässer mit einem ganzen Bündel an Nutzungsmöglichkeiten.

Wandel zur Erholungslandschaft


Das Versprechen der Umgestaltung und die beginnenden Sanierungsarbeiten weckten Hoffnungen auf nahende Gesundung der hoch beanspruchten Landschaft. Nicht zuletzt verstärkte der Baufortschritt der Großwohnsiedlung Grünau ab 1976 die Erwartungen der immer zahlreicheren Anwohner, weil die Erschließungsrichtung von Ost nach West die einzelnen Wohnkomplexe nacheinander immer näher „an den See“ als Quelle der Erholung heranwachsen ließ. Dieses aufgehende Gewässer zwischen Leipzig und Markranstädt war ja vorerst das einzige seiner Art. In allen anderen Tagebauen lief die Kohleförderung derweil ungebremst weiter. Wer sich ein Bild von der Reichweite der Nach-Kohle-Ära und ihren Perspektiven machen wollte, kam um Kulkwitz nicht herum.

1983 erreichte der Kulkwitzer See durch den Anstieg des natürlichen Grundwasserspiegels seine endgültige Ausdehnung von 150 Hektar. Der offizielle Freizeitbetrieb für die vielen Nutzer, die nicht länger warten wollten, begann schon 1973. Kolonnen von Badelustigen und Erholungssuchenden strömten dorthin. Bald war es möglich, mit der Straßenbahn bis kurz vor den See zu gelangen. Von der Endhaltestelle der Leipziger Verkehrsbetriebe in Lausen ist die glitzernde Wasserfläche in wenigen hundert Metern Entfernung schon fast zu erkennen. Daneben führt auch die S-Bahn mit ihrer Station Miltitzer Allee bis vor den Gehölzstreifen am Kulkwitzer See.

Glasklares Wasser


Apropos Wald. Die frühe Entlassung des Areals aus der bergbaulichen Nutzung ließ der Natur den bislang längsten Zeitraum aller Kohlegruben rund um Leipzig, um wieder zu gesunden. Dem Wald mit seinem Baumbestand rund um das langgezogene Gewässer tut das gut. Eine Bungalowsiedlung und ein Schiffsrestaurant am Ufer untermauerten recht schnell den Schwenk zur Freizeitlandschaft und zum Naherholungsgebiet. Für alle Besucher, die eine weitere Anreise haben, entstand ein Campingplatz. Gastronomie zog in das frühere Trafohaus, aus dem die Bergbautechnik einst mit Strom versorgt wurde.

Der eigentliche Schatz des Kulkwitzer Sees besteht jedoch aus 30 Millionen Kubikmetern reinsten Wassers. Regelmäßige Proben bestätigen die stabile Gewässerqualität. Kein Wunder, dass die vier Badestrände so gut besucht sind (sogar durch mutige Eisbader an klirrend kalten Wintertagen). Eine Wasserskianlage lockt alle Besucher, die es auf dem Wasser gern etwas rasanter lieben. Wenn sich die Angler nicht gestört fühlen, geht das in Ordnung. Ein Seglerhafen spricht diejenigen an, die ruhiger über das Wasser gleiten wollen.

Seine überregionale Bekanntheit bezieht der Kulkwitzer See jedoch vor allem seitens der Interessengruppe der Tauchsportler. Sie schätzen die Gewässerqualität, die informative, ungetrübte Tauchgänge zur Pflanzen- und Tierwelt des Sees, aber auch zu einem darin versenkten Flugzeugwrack ermöglicht, das als Attraktion für Unterwassersportler und Vermittler von Abenteuer-Flair bekannt ist. 20 Meter durchschnittliche Gewässertiefe und 32 Meter am tiefsten Punkt des Sees setzen anspruchsvolle Marken für die Tiefenerkundung des Gewässers. Eine Tauchschule am See trainiert die Einsteiger in diesen Freizeitsport.

Acht Kilometer Wasserkante


Seit 2018 ist der komplette Rundweg von 8 Kilometern Länge um den gesamten Kulkwitzer See für eine Nutzung durch Spaziergänger und Radfahrer fertiggestellt. Als Lückenschluss fungierte der befestigte Radweg am Pappelwald im Südwesten des Gewässers. Zu allen Jahreszeiten und aus unterschiedlichen Perspektiven eröffnen sich immer wieder neue Blicke auf die zurückgekehrte Landschaft am Rand der Großstadt bzw. an ihrem fließenden Übergang in den ländlichen Raum. 

Je weiter sich das Leipziger Neuseenland in Zukunft noch erstrecken wird – die Rekordmarke des Kulkwitzer Sees, der erste der entstehenden Tagebauseen und der Prototyp umfassender Sanierungsarbeiten gewesen zu sein, ist diesem einladenden Gewässer nicht zu nehmen. Er hat der eigentlich gewässerarmen Leipziger Umgebung die Perspektive eines wahren Gewässerreichtums eröffnet.

Bildergalerie - Kulkwitzer See

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Dr. Helge-Heinz Heinker
Der in Leipzig-Connewitz geborene habilitierte Ökonom ist bekennender Eisenbahn- und Flugzeugfan. Er arbeitet als Wirtschaftsjournalist und ist (Mit)Autor von über 70 Publikationen, darunter eine Vielzahl von Abschnitten zur Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Stadtgeschichte der Stadt Leipzig (Band 3 und 4), „Leipzig Hauptbahnhof. Eine Zeitreise“, „Boomtown Leipzig. Anspruch und Wirklichkeit“, „Wolfgang Tiefensee: Eine Biographie“ und „150 Jahre Straßenbahn für Leipzig“. Seit Mai 1999 moderiert er die Veranstaltungsreihe „Tourismusfrühstück“ sowie Kongresse, Tagungen und Fachveranstaltungen. An den Wochenenden tourt er öfters mit Touristen durch die Stadt und stellt ihnen bei der Stadtrundfahrt Leipzigs Attraktionen vor.
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