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Mariannenpark

Adenauerallee, Rohrteichstraße, Schönefelder Allee | Ortsteil: Schönefeld

„Frieden“, ein menschliches Grundbedürfnis, ist in verschiedenen Sprachen auf den Bodenplatten zu lesen. Das deutet auf die Sprachvielfalt der Menschen hin, die in Schönefeld wohnen und natürlich den Mariannenpark nutzen. Das ist ganz im Sinne von Leberecht Migge, dem Schöpfer der Anlage. Er entwirft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Generation von Volksparks, die einer breiten Bevölkerung für Erholung, Sport und Spiel dienen soll. Der Ausbau der Anlage beginnt 1913. Damit ist Schönefeld, 1915 eingemeindet, dem damals benachbarten Leipzig weit voraus. Der Volkspark, der erst seit 1931 den Namen Mariannenpark trägt, erlebt eine wechselvolle Geschichte.

Die soll dank der neuen Informationstafeln nicht in Vergessenheit geraten. Sie werden im April 2024 eingeweiht, als die Bürgermeister Heiko Rosenthal und Thomas Dienberg den umgestalteten, ehemaligen Ernst-Thälmann-Hain sowie einen neu gestalteten Fitnessplatz an der Rohrteichstraße der Öffentlichkeit übergeben.

Das Testament der Baronesse von Eberstein


Der Mariannenpark ist mittlerweile 22,3 Hektar groß und Ausgangspunkt eines reizvollen Wanderweges entlang der
Parthe. Seine Ursprünge gehen auf Clara Hedwig Baronesse von Eberstein zurück. Die kinderlose Adelige gründet 1881 eine Stiftung für ledige Töchter höherer Beamter und Militärs, die sie nach ihrer Mutter Marianne Freifrau von Eberstein benennt. Sie verfügt, dass Schloss, Gut und Ländereien in den Besitz der Stiftung übergehen. Ihr Wunsch: Der herrschaftliche Park, die alte schöne Lindenallee sowie „das Stück Feld westlich der Allee“ sollen so lange als möglich unbebaut und erhalten bleiben.

Bereits drei Jahre nach dem Tod der Baronesse beschließt der Gemeindevorstand von Schönefeld im Jahre 1903, „das westlich der Lindenallee gelegene Feld als Park oder durch Anpflanzung parkähnlich herzurichten“. Den Zuschlag dafür erhält der bereits erwähnte Leberecht Migge, der auf eine bislang neue architektonische Gestaltungsweise setzt.

Ein Park für das Volk mit Sport- und Spielplätzen


Dafür charakteristisch sind klar voneinander abgegrenzte, regelmäßig angelegte Parkräume mit unterschiedlichen Funktionen, die durch gerade und breite Wege sowie Pflanzungen voneinander getrennt werden. So entstehen weitläufige Sport- und Spielbereiche, darunter für den noch jungen Fußball, und ein Rodelhügel. Migge entwirft eine monumentale Mittelachse, die im Zwickel von Lindenallee und Rohrteichstraße mit einer Promenade beginnt. Auch ein großes rechteckiges Wasserbecken sowie ein Gesellschaftshaus sieht er vor. Dabei greift er auch vorher existierende städtebauliche Pläne auf, die eine 20 Meter breite Verbindungsstrasse zwischen Wohngebäuden im Osten und Westen samt Ulmenallee mitten durch den künftigen Park vorsehen. Die Trasse wird beim Bau der anderen Parkelemente zunächst freigehalten, als Straße allerdings nie errichtet. Der Bereich bekommt erst in den 1970er Jahren eine besondere Bedeutung – als der Ernst-Thälmann-Hain geplant wird.

Der Entwurf Migges für den Volkspark stößt auch auf Widerstand. Der Leipziger Gartendirektor Carl Hampel legte eine eigene Variante vor, die jedoch abgelehnt wird. Mit der Eingemeindung Schönefelds 1915 fällt der Volkspark Schönefeld allerdings in seine Amtshoheit. Der Düpierte löst sofort den Vertrag mit Migge auf und stoppt den weiteren Ausbau des Parkes – darunter das geplante Bassin. Viele Arbeiten ruhen ohnehin – es ist die Zeit des Ersten Weltkrieges. Hampel geht 1920 schließlich in den Ruhestand.

Nachfolger Nicolaus Hermann August Molzen überarbeitet die Pläne, bemüht sich dabei, die Formensprache von Migge aufzunehmen. Ab Frühjahr 1924 lädt beispielsweise der von Molzen konzipierte Staudengarten zum Spaziergang ein. Auf Bassin und Gesellschaftshaus verzichtet er. Stattdessen plant er eine Zugangspromenade und eine Kriegergedächtnisstätte, um die im Ersten Weltkrieg Gefallenen zu ehren. Die Gedächtnisstätte wird allerdings nicht errichtet. Im April 1928 wurde der Mariannenpark endgültig fertiggestellt.

Ein Thälmann-Hain mit Appellplatz


Den Zweiten Weltkrieg übersteht der Mariannenpark ohne größere Schäden, obwohl der Volkssturm auf dem Rodelberg und den Wiesen Flakgeschütze einsetzt. Im Jahre 1952 übernimmt der VEB Garten- und Landschaftsbau die Pflege. Eine erste Veränderung ist 1954 der Bau eines Wochenheims für Kinder von Eisenbahnern im nordöstlichen Parkteil. Später entsteht eine Freilichtbühne sowie ab Mitte 1972 der „Ernst-Thälmann-Ehrenhain“.

Geehrt wird der ehemalige KPD-Vorsitzende und antifaschistische Widerstandskämpfer Ernst Thälmann, der Vorbild für die Jugend in der DDR wird und dessen Namen die Pionierorganisation trägt. 1974 wird im Hain eine sechs Meter breite Wegeverbindung aus Platten sowie ein Appellplatz mit Mauern, die die Lebensdaten Thälmanns zeigen, befestigt. Aufgestellt wird eine Bronzebüste Thälmanns, die die Bildhauerin Ruthild Hahne auf einem Sockel aus Porphyrblöcken schafft. Es gibt auch ein Rosenbeet, Pflanzkübel und Fahnenstangen, da der Appellplatz für Gelöbnisse und Vereidigungen, etwa für Soldaten der Nationalen Volksarmee, dient. Ende der 1970er Jahre lässt die Stadtverwaltung im Mariannenpark aus Anlass des Sportfestes ein Großschachfeld, Tischtennisplatten, Anlagen für Minigolf, Pendelbahn und andere Sportgeräte aufstellen. Die Freilichtbühne wird 1978/79 neugestaltet.

Vom Gedenkort zum Denkort


Nach der
Friedlichen Revolution verliert der Thälmann-Hain seine ideologische Bedeutung. Schriftzüge und Teile der Anlage werden rückgebaut. Wie der gesamte Mariannenpark steht diese aber unter Denkmalschutz. Bereits 1991 wird das Areal – ebenso wie der im Norden angrenzende Schlosspark Schönefeld mit Schloss und Kirche sowie das Grab der Familie von Eberstein – in die Kulturdenkmalliste des Landes Sachsen aufgenommen. Der ehemalige Ehrenhain wird in den vergangenen Jahren vor allem als Wegeverbindung genutzt. Inzwischen ist er saniert, vom Gedenkort zum Denkort umgestaltet. Neue Sitzgelegenheiten, kleine Spielangebote, Stelen zur Geschichte sowie kleine Tafeln zu Naturschutzthemen sind entstanden. Auf dem neuen Fitnessplatz an der Rohrteichstraße wurden eine Kraftsportanlage sowie viele Geräte zum Trainieren aufgestellt. Bei der Neugestaltung bezog man die Bürger mit ein. Sie wünschen sich noch eine Gaststätte sowie kulturelle Angebote. Diskutiert werden mobile Varianten sowie eine teilweise Nutzung des Gärtnerhauses. Der Rosengarten ist mit Hilfe der Stiftung Bürger für Leipzig ebenfalls erneuert worden.

Ein beliebtes Naherholungsgebiet in Leipzig


Trotz der im Laufe der Zeit vorgenommenen Änderungen hat der Mariannenpark seinen ursprünglichen Charakter weitgehend bewahren können. Elemente, wie die Laubengänge, sind verschwunden. Ob nun beim Joggen, Picknicken, Spazierengehen, Toben auf den Spielplätzen oder bei gutem Wetter einfach ausspannen – der Mariannenpark ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für Leipzig und Umgebung. Ein Park für das Volk eben, wie von den Stiftern und Gestaltern einst gewünscht.

Stand: 17.04.2024

Leipziger Bierbörse

Straße des 18. Oktober 100 | Ortsteil: Probstheida

Bei der 1987 in Leverkusen gegründeten Veranstaltungsreihe „Bierbörse“ handelt es sich in ganz Europa um das erste Open-Air-Event, welches im Franchisesystem ausgerichtet wird. Mittlerweile wird die Bierbörse in etwa 20 deutschen Großstädten ausgetragen.

Veranstalter aus Leipzig ist Organisator der Leipziger Bierbörse


Die erste Leipziger Bierbörse fand vom 9. bis 11. Juli 1999 am
Völkerschlachtdenkmal mit rund 80.000 Besuchern statt. Präsentiert wurden ca. 500 verschiedene Biersorten aus 60 Ländern. Als eines der Highlights zum Auftakt wurde das „Ceve Creek“, ein Chilibier aus dem US-amerikanischen Bundesstaat Arizona, mit einer echten rot-grünen Chilischote in der Flasche präsentiert. Weiterhin wurden beispielsweise ein Schokoladenbier sowie Biergelee angeboten. Kleinere, rekordverdächtige Wettbewerbe wie die Kürung der kleinsten Bierflasche oder des stärksten Bieres der Welt sowie ein Musikprogramm mit Live-Bands rundeten die Veranstaltung ab. Seit ihrer Premiere 1999 fand die Leipziger Bierbörse – mit Ausnahme der Corona-Pandemie – alljährlich an einem Sommerwochenende am Völkerschlachtdenkmal bzw. im Jahr 2022 an der Galopprennbahn Scheibenholz statt. Sie wird seither traditionell mit dem Fassbieranstich eröffnet. Jedes Jahr präsentieren etwa 50 verschiedene Aussteller rund 500 verschiedene Biersorten aus aller Welt in gemütlicher Atmosphäre. Seit ihrer Premiere sind die Kriterien für eine Teilnahme als Aussteller an der Leipziger Bierbörse hochgesteckt: Zugelassen sind ausschließlich originale Brauereistände mit Biergarten bzw. Pavillon und passenden Trachten zur Gewährleistung des hohen Veranstaltungsniveaus. Im Zentrum des Events steht der Biergenuss, weshalb auch etwa zwei Drittel der Stände Bierausschank- und ein Drittel Speisegeschäfte ausmachen. Die angebotenen Bierspezialitäten können auch für den heimischen Genuss als Flaschenbiere käuflich erworben werden. Seit 1999 wird die Leipziger Bierbörse vom örtlichen Veranstalter, der Eventagentur Kay Rohr, organisiert. Der Eintritt ist für alle Besucher frei.

Aus vergorenem Brotteig wird Bier


Hefe, Wasser, Getreide und Hopfen: Die Zutaten für das Bierbrauen sind die gleichen und dennoch hat jedes Bier eine andere Geschmacksnote. Da das Nationalgetränk der Deutschen vorrangig aus Gerste gebraut wird, ist es im Volksmund auch unter der Bezeichnung „Gerstensaft“ bekannt. Das erste Bier-ähnliche Erzeugnis erstand vor mehr als 6.000 Jahren in Mesopotamien. Der Überlieferung nach ließ um 4.000 vor Christus ein sumerischer Bäckermeister den Brotteig zu lang in der Sonne stehen. Der durch die Hefekulturen ausgelöste Gärprozess ließ eine vergorene, klebrige Masse mit berauschender Wirkung entstehen. Dabei handelte es sich um den Vorläufer des heutigen Bieres. Wie Wandmalereien und Schriftzeichen belegen, war das Bier bereits bei den Ägyptern bekannt. Zahlreiche Funde von Bieramphoren um 800 vor Christus zeugen auch von einer Bekanntheit unter den Germanen, wo traditionell die Frauen für das Bierbrauen verantwortlich waren. Die Kunst des Bierbrauens wurde insbesondere im frühen Mittelalter in den Klöstern weiterentwickelt. Die Mönche konsumierten das gebraute Bier während ihrer wochenlangen Fastenzeit. Der Überlieferung nach wurde eine Probe des gebrauten Bieres über die Alpen nach Rom gesendet. Dort sollte der Papst höchstpersönlich von der Eignung des Gebräus für den Konsum während der Fastenzeit überzeugt werden. Da das Bier nach dem weiten Weg als saure Brühe in Rom eintraf, empfand er dessen Genuss vielmehr als Buße anstatt einer Wohltat und gab ohne Widerworte seinen päpstlichen Segen.

Einer Chronik aus dem Jahr 820 nach Christus zufolge handelte es sich beim Schweizer Kloster St. Gallen um die erste von Mönchen geleitete Brauerei. In den klösterlichen Hopfengärten wurde der Geschmack des Biers fortlaufend verfeinert und intensiv daran gearbeitet, ein starkes und nahrhaftes Bier zu brauen. Zahlreiche Klöster wurden durch das boomende Geschäft mit dem hauseigenen Bier wohlhabend und ihre Braukunst berühmt. Im Zuge der Erschließung internationaler Handelswege versuchten sich immer mehr Bürger am Brauen. Um die damit einhergehende Bierpanscherei zu regulieren, erließen Herzog Wilhelm IV. von Bayern und sein Bruder Ludwig X. am 23. April 1516 eine landesweite Verordnung – das deutsche Reinheitsgebot. Dieses besagt, dass zur Herstellung von Bier lediglich Hopfen, Gerstenmalz und Wasser verwendet werden dürfen.

Das erste „Autofahrerbier“ entsteht


Neben der Entwicklung des Gerstensafts hat auch der Versuch zur Herstellung eines alkoholfreien Biers eine lange Tradition. Ein solches, welches auch als „alkoholfrei“ bezeichnet werden durfte, entstand erst in den 1970er Jahren. Der Braumeister
Ulrich Wappler beschäftigte sich in der damaligen DDR für die in Berlin ansässige VEB Engelhardt-Brauerei mit einem Verfahren zur Herstellung von alkoholfreiem Bier. Das erste sogenannte „Autofahrerbier“ wurde unter dem Namen „Aubi“ im Jahr 1972 auf der Leipziger Messe präsentiert. Dieses wurde vorerst an Autobahnraststätten in der DDR in 0,5-Liter-Flaschen für je 0,75 Mark verkauft. Seit 1998 handelt es sich bei dem „Aubi“ um eine geschützte Marke der in Thüringen beheimateten Dingslebener Privatbrauerei Metzler, wo es mit weniger als 0,5 Volumenprozent Alkoholgehalt hergestellt wird.

Auch die Messestadt Leipzig verfügt über eine vielfältige Bierlandschaft, welche man bei einem Streifzug durch die gemütlichen Biergärten und urigen Kneipen entdecken kann. Weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist die Gose, eine mit Koriander und Salz gebraute Bierspezialität. Traditionell kann diese vom Fass in der Gosenschenke Ohne Bedenken genossen werden oder auch in der Bayerischer Bahnhof Gasthaus & Gosebrauerei Leipzig. Beide Gasthäuser brauen die Gose selbst. Selbstgebrautes Bier in historischer Atmosphäre gibt es auch im Brauhaus Napoleon. Eine unscheinbare kleine, kreative Brauerei mit wechselnden Biersorten namens Cliff’s Brauwerk ist im Waldstraßenviertel beheimatet. Seit 2017 beheimatet Leipzigs Brauereien-Landschaft im Süden das „Synde Bräu“, dessen Sortiment von röstigen Dunklen bis zu frischen Ales reicht. Im Ratskeller der Stadt Leipzig im Neuen Rathaus können Gäste das nach modernster Brautechnik hergestellte „Lotteraner“ probieren. Im Stadtteil Reudnitz befindet sich die Sternburg-Brauerei, deren Bier unter dem Spitznamen „Sterni“ weit über die Stadtgrenzen hinaus Kultstatus hat. Das nordöstlich von Leipzig gelegene Krostitz ist für sein in der Krostitzer Brauerei GmbH hergestelltes, feinherbes „Ur-Krostitzer“ in ganz Deutschland bekannt.

Leipzigs süffigstes Fest zu Ehren des Gerstensafts


In den 1980er Jahren stieg in Deutschland die Nachfrage nach einem Fest, welches ausschließlich dem Lieblingsgetränk der Deutschen gewidmet werden und es den Besuchern ermöglichen sollte, diverse Biere aus aller Welt zu verkosten. Die erste Bierbörse in Deutschland wurde im Leverkusener Stadtteil Opladen im Oktober 1987 auf die Beine gestellt. Im Zuge der Gründung eines Franchisesystems für eine Durchführung der Veranstaltungsreihe auf nationaler Ebene durch das Eventbüro Werner Nolden im Jahr 1997 etablierte sich die Bierbörse auch über die Leverkusener Ortsgrenzen in deutschen Großstädten. Bei dem Veranstaltungsformat handelt es sich in ganz Europa um das erste Open-Air-Event, welches im Franchisesystem ausgerichtet wird.


In den Folgejahren wurden das Angebot an verschiedenen Biersorten und in diesem Zuge auch die Anzahl der Bierstände stetig erweitert, die Besucherzahlen stiegen und die Bierbörse erfreute sich zunehmender Beliebtheit. Dabei zeichnet sich die Bierbörse durch ein deutschlandweit einheitliches Konzept und Auftreten aus.

Stand: 04.07.2024

Kühne, Armin

Fotograf, Bildreporter | geb. am 24. September 1940 in Leipzig, gest. am 25. Mai 2022 in Leipzig

Er mochte es gar nicht, fotografiert zu werden. Dabei ist der Bildreporter Armin Kühne mehr als 40 Jahre selbst mit der Kamera unterwegs, um seine Stadt Leipzig im Bild festzuhalten. Im Mai 2022 verstirbt er im Alter von 81 Jahren. Doch der „Negativ-Millionär“, wie er oft bezeichnet wird, hat seiner Stadt ein bleibendes Geschenk hinterlassen. Das sind Zehntausende von Bildern, auf denen Armin Kühne die Entwicklung der Stadt Leipzig festgehalten hat. Und natürlich seine gemeinsam mit Niels Gormsen herausgegebenen Bücher über den Wandel der Stadt nach der Friedlichen Revolution. Sein Fotoschatz, Millionen Fotos aus der Zeit ab 1967 bis kurz vor seinem Tod, wird heute im Universitätsarchiv der Universität Leipzig aufbewahrt.

Kühne ist gebürtiger Leipziger, wächst in Schönefeld und Gohlis mit zwei Brüdern auf, und hat immer in „seiner Stadt“ gelebt. Die Fotografie fesselt ihn seit frühen Jahren, als er im Wäscheschrank der Eltern hinter Bettlaken und Tischdecken eine Agfa-Box mit Rollfilmen entdeckt. Sein Weg nach der Schulzeit führt ihn zunächst in die sozialistische Produktion. Er macht eine Lehre als Stahlbauschlosser und studiert anschließend Maschinenbau. Als Ingenieur landet er beim Wirtschaftsrat des Bezirkes Leipzig sowie schließlich als Direktor für Forschung und Entwicklung im VEB Famos, der Werkzeuge und Spielwaren produzierte. Doch die Leitungsebene behagt ihm nicht. Nach einem Misstrauensantrag im Betrieb steigt er 1979 dort aus und stürzt sich in das Abenteuer, seine bislang als Hobby betriebene fotojournalistische Tätigkeit zum Beruf zu machen. Die Fotografie gibt ihm neuen Halt.

Er hat Kontakt zu vier Lokalzeitungen in Leipzig, an die er regelmäßig Fotos verkaufen kann. Für 15 DDR-Mark pro Foto, wie er später sagt. Das klingt zwar wenig, bei einer Miete von 44 DDR-Mark kann er davon aber auskömmlich leben. „Da ich kein Telefon hatte und sich nie die Chance bot, eins zu bekommen, wurden mir viele meiner Aufträge per Telegramm mitgeteilt. Fast jeden Tag klingelte der Bote“, erinnert sich Kühne später in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Wenigstens einen Trabi ergattert er nach Fürsprache durch die Zeitungsredaktionen – nach immerhin „nur“ sechs Jahren Wartezeit.

Kopfschütteln für Fotos mit verfallenen Häusern


Die Chefredakteure von Sächsischem Tageblatt, Die Union, Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten unterstützen Kühnes Antrag auf Zulassung als freiberuflicher Fotoreporter. Er fotografiert auch für die Leipziger Volkszeitung. Anfänglich steht dort oft Volkskorrespondent unter seinen gedruckten Bildern. Seine Filme entwickelt Armin Kühne daheim in Küche und Bad. Und er baut Beziehungen zum Fachgeschäft „Foto – Kino – Optik“ in der
Hainstraße auf, um regelmäßig an die hochempfindlichen Filme zu kommen. Denn die waren in der Mangelwirtschaft ebenso wie neue Technik nicht so ohne Weiteres erhältlich.

Bereits in den 1980er-Jahren beginnt er, den Verfall Leipzigs mit der Kamera festzuhalten. Wohlwissend, dass diese Bilder in der LVZ, damals Bezirkszeitung der SED, nicht gedruckt werden. Doch er möchte den Alltag ungeschönt dokumentieren. In Leipzig gibt es nicht nur die Neubaugebiete wie Grünau und Paunsdorf. Kühne erntet manches Kopfschütteln, warum er das Grau und die verfallen Häuser in Leipzig ablichtet. „Ruinen schaffen ohne Waffen“ ist damals ein weit verbreiteter Slogan, mit dem die Opposition den Zustand beschreibt. An vielen Gebäuden sind Dächer kaputt, an den Fassaden bröckelt der Putz, in Wohnungen breitet sich der Schimmel aus.

Ein Buch über den Wandel Leipzigs


Die Bilder erweisen sich im Nachhinein als Schatz. Leipzig ist im Bauboom. Kühnes große Stunde kommt, als der pensionierte Baubürgermeister
Niels Gormsen bedauert, dass er den früheren Zustand der Häuser nicht mehr zeigen könne. Fünf Jahre ist Gormsen damals Baustadtrat und hat die Idee, die sanierte Stadt mit dem Zustand der Stadt zu seiner Amtsübernahme 1990 zu vergleichen. Doch von dieser Zeit gebe es keine oder kaum Bilder? Wenig später schleppt Fotochronist Armin Kühne Kisten mit Aufnahmen in Papier ins Gästehaus der Stadt in der Wächterstraße, in welchem Gormsen wohnt. Gormsen möchte ein Buch machen und findet zunächst keinen Verlag. Daher geht er das Risiko ein und finanziert das Buch aus eigener Tasche. Das ist der Beginn eines Bestsellers. Zur Expo 2000 gelangt das Buch „Leipzig. Den Wandel zeigen“ in die Regale der Buchhandlungen. Zahlreiche Neuauflagen und ein Nachfolgebuch gibt es seitdem – mittlerweile im Leipziger Passage-Verlag erschienen.

Kühne hat für viele Bücher Fotos beigesteuert. Und hat auch im betagten Alter Lust, ein weiteres Buch zu machen. Dafür klettert er sogar auf Kirchtürme, Wohnhäuser und Hügel und fotografiert Leipzig „aus halber Höhe“. Sogar vor einem „Stundenzimmer“ in einem Hotel scheut er nicht zurück, um die richtige Perspektive für die Kamera zu haben. Entstanden sind 180 Perspektiven, die man in dieser Dichte so vorher noch nicht gesehen hat und bei denen selbst viele Leipzig-Kenner überlegen müssen, von wo sie aufgenommen worden sind. „Leipzig aus halber Höhe“ erscheint im Lehmstedt-Verlag. Wieder mit einem Text von Niels Gormsen.

Fotosammlung geht ans Universitätsarchiv


Leipzigs Universität versuchte derweil, Lücken in der Bilddokumentation ihrer Geschichte zu schließen. Mit Kühne wird verhandelt, Fotos aus den 1990er Jahren anzukaufen. Und der Archivdirektor staunt nicht schlecht, was Kühne für einen Negativschatz bewahrt. Und konnte nicht widerstehen, diesen für das Universitätsarchiv zu sichern. 2013 kauft das
Universitätsarchiv Leipzig die umfangreiche Fotosammlung des Leipziger Pressefotografen. Diese umfasst rund 2,5 Millionen Fotos aus der Zeit von 1967 bis in die Gegenwart. Kühne fotografiert auf Rollfilm. Die Negative hat er nach dem Entwickeln in Streifen geschnitten, in Fototaschen aus Pappe gesteckt und beschriftet. Das Archiv will sie alle digitalisieren.

Bis über seinen 80. Geburtstag hinaus hat Kühne weiter fotografiert – auch für die LVZ. Natürlich längst mit diversen digitalen Kameras. Er hatte immer eine dabei, und sei es nur die Kleine in der Jackentasche. Nach schwerer Krankheit und einer Amputation des Unterschenkels stirbt Armin Kühne im Mai 2022. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Gohlis. Und wer in der Grünanlage zwischen Hauptbahnhof und Seaside Park-Hotel genau schaut, findet eine Platane, die ihm die Familie schon zum „80.“ gepflanzt hat.

Stand: 16.05.2024

Bildergalerie - Kühne, Armin

Königshaus-Passage

Markt 17 / Petersstraße 13 | Ortsteil: Zentrum

An der südlichen Seite des Markts befindet sich das imposante Königshaus, das 1560 im Stil der Renaissance errichtet wurde. Seine heutige barocke Fassade verdankt das Gebäude einem Umbau 1706//07. Es wurde nach seinen Besitzern, der Familie Apel, auch Apels Haus genannt. Damals diente es vorrangig als Gästehaus der Stadt. Ein weiterer Umbau erfolgte während der Zeit des Ersten Weltkriegs durch Gustav Pflaume, der das Bürgerhaus in einen Messepalast der Mustermesse umfunktionierte. Im Jahr 1932 integrierte dann Curt Schiemichen die Königshaus-Passage. Diese verbindet bis heute die beiden denkmalgeschützten Gebäude Markt 17 und Petersstraße 13.

Zahlreiche Umbauten prägen die Architektur


Die Königshaus-Passage enthielt oberhalb der Schaufenster eine beidseitige Galerie mit Stabgeländern. Hier saßen Gäste der Cafés und konnten das Treiben unter sich beobachten. Das einheitlich durchgängige Oberlicht sorgte dabei für das richtige Ambiente. Die weißen Marmortreppen, die zu den Cafés führten, sind zwar heute noch erhalten. Nach ihrer Beschädigung im Zweiten Weltkrieg wurde jedoch auf Höhe der Café-Galerie eine Zwischendecke eingezogen. Die offene, helle Passage musste einem künstlich beleuchteten, erdgeschosshohen Durchgang weichen. Nach weiteren Umbauten verlängerte sich in den Jahren 1961 bis 1963 die Königshaus-Passage und kreuzt seitdem die
Mädler-Passage und Messehofpassage. Auch die Fassade des Erdgeschosses wurde im Jahr 1992/93 neugestaltet, so dass nun ein symmetrisches Doppelportal den Eingang zur Königshaus-Passage ziert.

Königlich Feiern in Leipzigs Innenstadt


Neben zahlreichen Geschäften und kleineren Restaurants ist die Königshaus-Passage seit vielen Jahren auch ein beliebter Ort für Partys. Wo einst der
Club L1 seine Tore öffnete, erstrahlt seit Oktober 2022 das neue Neonschild des Clubs Koenigshaus, kurz KOE. Die Inhaberinnen Josephine Rath und Stefanie Voigt geben hier Live Acts und wechselnden DJ’s die Möglichkeit, das Publikum zu begeistern. Mit verschiedenen Mottos und Themenabenden wird eine große Bandbreite an Klientel angesprochen. Der Club bietet Platz für bis zu 800 Personen sowie eine neue Lounge und einen VIP-Bereich.

Stand: 23.05.2024

Bildergalerie - Königshaus-Passage

Königshaus

Markt 17 | Ortsteil: Zentrum

Der unmittelbaren Nähe zum Alten Rathaus ist es vermutlich zu verdanken, dass das Königshaus heute seinen Namen trägt. Denn nachdem es als Gästehaus des Leipziger Rates 1560 im Renaissancestil errichtet wurde, ging hier eine lange Reihe illustrer Persönlichkeiten ein und aus. Ein Wendelstein im Inneren erinnert an diesen Ursprung.

Renaissancestil wird zu barockem Flair


Die Geschichte des Gebäudes bzw. seiner Vorgängerbauten geht bis in das 15. Jahrhundert zurück. Der erste Eigentumsnachweis stammt von 1459, seitdem wechselte immer mal der Besitzer. 1704 erwarb schließlich der Quedlinburger Kaufmann
Andreas Dietrich Apel das damals Welschische Haus genannte Gebäude.

Apel wurde 1662 in Quedlinburg geboren und vollzog eine Karriere im Seidenwarenhandel. Nach 1700 errichtete er am Ufer der Pleiße in Leipzig eine Reihe von Fabriken. Diese dienten der Herstellung von Seiden-, Damast- und Atlasstoffen sowie der Gold- und Silbergespinste. Er führte auch einen Garten jenseits der Pleiße, den Apelschen Garten, mit einer Parkanlage und Orangerien.

Fast 200 Jahre lang schrieb die Familie Apel Stadtgeschichte als Ratsherren, Stifter und Künstler. So wurde Heinrich Friedrich Innocentius Apel 1801 Bürgermeister. Sein Sohn Johann August Apel war Stadtrat und schrieb das „Gespensterbuch“. Guido Theodor Apel wurde ebenfalls Schriftsteller für Bühnenstücke und errichtete 44 Apelsteine zur Erinnerung an die Völkerschlacht bei Leipzig 1813.

1707 ließ Andreas Dietrich Apel das Gebäude vom Renaissancestil in den Barockstil umbauen. Dieser Umbau erfolgte durch den Maurermeister Johann Gregor Fuchs, der unter anderem die Fenster erhöhte und die Läden veränderte. Auch ein dreistöckiger Erker aus Holz wurde an die Fassade angebracht, der bis heute die Mittelachse der Vorderseite ziert. Seitdem wurde das Gebäude als Apelsches Haus bezeichnet. Doch Apels Haus diente auch weiterhin als Gästehaus des Leipziger Rates und war für die Kurfürsten von Sachsen das Quartier, wenn sie in Leipzig waren. Sie hatten bereits für Teile des alten Gebäudes einen Mietvertrag und die Stadt mietete auch weiterhin das erste Geschoss an.

Eine lange Reihe glanzvoller Persönlichkeiten


Jahrhunderte lang logierten hier die großen Herrscher. Das Haus war Schauplatz für kurfürstliche Feiern und die ein oder andere Hochzeit. Deshalb war es nicht weit hergeholt, dass ab 1904 die heute gebräuchliche Bezeichnung Königshaus etabliert wurde. 

So legte zum Beispiel im Mai 1698 Zar Peter der Große hier einen Zwischenstopp auf seiner Rückreise von Holland nach Russland ein. Der Legende nach ließ er Kanonen auf dem Markt aufstellen, die immer abgefeuert wurden, wenn im Königshaus ein Toast gesprochen wurde. Auch August der Starke hielt bei seinen Besuchen der Leipziger Messen in diesem Gebäude Hof. 

Während des Siebenjährigen Krieges ging hier der Preußenkönig Friedrich II ein und aus. Er ließ Leipzig besetzen und plünderte die Stadt. Bei einem seiner Besuche ließ er den Dichter Christian Fürchtegott Gellert für ein Gespräch zu sich kommen. Zwar lobte er ihn, soll aber auch seinen Hass gegenüber der deutschen Sprache ausgedrückt haben. Gellert war ebenfalls mutig und forderte den Frieden.

Um bequemen Fußes zum Alten Rathaus zu gelangen, wurde für hochrangige Gäste mehrmals eine hölzerne Brücke vom Königshaus errichtet. Diese hatte ein solches Ausmaß, dass auf der Brücke Soldaten Spalier stehen und salutieren konnten. Doch diese lange Reihe der berühmten Persönlichkeiten hatte nicht immer nur sein Gutes, denn die Stadt hatte dadurch auch hohe Rechnungen zu begleichen.

Vom Gästehaus zur Einkaufsstraße


Bereits im Ersten Weltkrieg wurde das Bürgerhaus zu einem Messepalast der Mustermesse umfunktioniert und von
Gustav Pflaume umgebaut. Der Leipziger Architekt Curt Schiemichen integrierte schließlich die Königshaus-Passage, welche die beiden denkmalgeschützten Gebäude Markt 17 und Petersstraße 13 verbindet.

Im Inneren des Königshauses ist von der ursprünglichen Substanz nur wenig erhalten geblieben. So zum Beispiel die barocken Stuckdecken im ersten Obergeschoss, die an die Glanzzeit des Hauses erinnern sowie ein kunstvoller Kamin. Im Erdgeschoss sind noch Teile der Joche, der Träger des Kreuzgewölbes, sichtbar. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich einst im Hintergebäude ein Saal befand, der mit Deckenmalerei geschmückt war. Hier fanden zuletzt die Konzerte der „Musikübenden Gesellschaft“ des Johann Adam Hiller statt, bevor das Orchester in das Alte Gewandhaus zog, das sich am Neumarkt befand. Heute erinnert dort noch die Gedenktafel – Standort Altes Gewandhaus an die Anfänge des Gewandhausorchesters.

Heute dient das Königshaus als Geschäfts- und Bürogebäude und mit seiner Passage als Einkaufszeile mit Geschäften, Restaurants und einem angesagten Club.

Stand: 21.09.2023

Bildergalerie - Königshaus

Historisches Bildmaterial - Königshaus

Junhold, Jörg

Zoodirektor, Tierarzt, Marketingfachmann | geb. am 25. März 1964 in Ortrand (Brandenburg)

Er krempelt die Ärmel hoch und scheut sich nicht vor gigantischen Projekten. Und es mag sich der ein oder andere gedacht haben, ob er nicht einfach ein wenig übertreibt. Doch Jörg Junhold, der seit 1997 Direktor des Zoos Leipzig ist, hat seine Visionen Wirklichkeit werden lassen. Die meisten Teile seines Masterplans „Zoo der Zukunft“ sind inzwischen realisiert. Ganesha Mandir, Makasi Simbar, die Tropenerlebniswelt Gondwanaland im Zoo Leipzig und Co. sind zu kleinen Paradiesen für die Tiere sowie zu einem Magneten für Besucher geworden. Die enge Käfighaltung von Tieren gehört längst der Vergangenheit an. Und die Leipziger Einrichtung katapultiert sich dank Junhold und seinem Team regelrecht an die internationale Spitzengruppe der Zoolandschaft.

Geboren wird Jörg Junhold 1964 in Ortrand (Landkreis Oberspreewald-Lausitz). Die Polytechnische Oberschule besucht der Tierarztsohn in Bönitz. Es folgt von 1980 bis 1983 eine Ausbildung an der Betriebsschule des BMK Kohle und Energie in Riesa, die er als Baufacharbeiter und mit dem Abitur verlässt. Eigentlich will er Architekt werden, entscheidet sich dann aber doch lieber für einen Berufsweg als Veterinär. Nach dem Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee absolviert er ab 1985 ein fünfjähriges Studium der Veterinärmedizin an der Universität Leipzig. Ein Jahr danach hat er die Approbation als Tierarzt in der Tasche, tritt ein Forschungsstudium an der Chirurgischen Tierklinik der Universität Leipzig an. 1994 wird er promoviert.

Als „unbeschriebenes Blatt“ zum Zoodirektor


Weil er sich neben dem Studium etwas dazuverdienen möchte, bereist er als Tierfuttervertreter mit Probebeuteln von Whiskas, Frolic und Co. den Osten Deutschlands. Sein Verkaufstalent und Geschick fallen auf, er bekommt schließlich einen Job in der westdeutschen Zentrale der Effem GmbH Verden. Bei der Tochter der Firma Mars bleibt er bis 1997 und erledigt Aufgaben als Marketingmanager in verschiedenen Positionen. „Management liegt mir einfach, ich habe schon immer gerne organisiert“, erzählt er später im Interview. Das hätte so weiter gehen können, auch in der großen weiten Welt. Doch ein Leipziger Freund ruft an, erzählt von der Suche nach einem neuen Zoodirektor. In Leipzig sei jemand gefragt, der sich sowohl mit Tieren als auch mit Marketing auskennt. 

Junhold zögert nicht und bewirbt sich. Er ist ebenso in der Fachwelt wie in der Leipziger Politik ein eher unbeschriebenes Blatt. Der promovierte Tierarzt überzeugt jedoch alle mit seinen Ideen. Im November 1997 beginnt sein Abenteuer Zoo als Direktor und Geschäftsführer der Zoo Leipzig GmbH.

Neubeginn mit naturnahen Gehegen


Leipzigs einstiger Besuchermagnet befindet sich in dieser Zeit in einem Sinkflug. Die Gehege sind zu klein, veraltet und die Haltung der Tiere hinter Gittern alles andere als zeitgemäß. Das ist auch an den Besucherzahlen zu spüren. Waren es 1989 noch 1,56 Millionen Gäste im Jahr, zählte man gerade mal noch 687.000 im Jahr 1996. Tierfreunde können inzwischen weit reisen und sich vielen interessanten Zielen in aller Welt zuwenden. Ein großer Neubeginn hin zu naturnahen, großzügigen Gehegen ist das Gebot der Stunde. Den Neustart liefern Junhold und sein Team mit dem Masterplan zum „Zoo der Zukunft“, der sechs große Themenbereiche beeinhaltet.

Die Idee hat allerdings die Konsequenz, dass die Artenvielfalt drastisch reduziert werden muss. Schließlich soll für einzelne Tierarten wesentlich mehr Platz geschaffen werden. Nur so kann für sie ein Lebensraum modelliert werden, der einem Leben in der Natur zumindest nahekommt. Mit seinem Team trifft Junhold sich zur „Spinnstunde“ an einer Art Rundem Tisch, um Ideen zu entwickeln. Das Konzept vom „Zoo der Zukunft“ wird im Jahr 2000 erstmals öffentlich vorgestellt und im Juni 2000 einstimmig vom Stadtrat beschlossen.

Pongoland begeistert Fachwelt und Besucher


Bis das gelingt, muss Junhold mit der Stadtverwaltung und der Politik viel reden, sich Verbündete suchen und Geld einwerben. Der Umbau des Zoos ist immerhin millionenschwer. Doch auch
Oper, Gewandhaus, bröckelnde Häuser etc. benötigen dringend Geld und werden so zur Konkurrenz. Dann kommt allerdings ein wenig Glück ins Spiel: Leipzig erhält den Zuschlag, mit Geld vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, eine neue Menschenaffenanlage samt Forschungsstation zu bauen. Pongoland, die weltweit einzigartige Menschenaffenanlage, wird am 1. April 2001 eröffnet. Die Fachwelt und die Besucher sind begeistert, gleich im ersten Jahr kann der Zoo wieder mehr als eine Million Besucher zählen. Die Menschenaffen-Anlage etabliert sich als Arbeitsplatz für Wissenschaftler aus der ganzen Welt.

Das neue Zoogefühl wird dank Junhold „gitterfrei, naturnah, großzügig.“ Und die Tierlandschaft entwickelt sich zum Naturerlebnispark, angereichert mit Gastronomie, Shops und Veranstaltungsflächen. Weitere Bereiche wie Tiger-Taiga, die Kiwara-Savanne und der Elefantentempel Ganesha Mandir folgen in den nächsten Jahren. Das Prunkstück des Masterplanes wird Gondwanaland, die Riesentropenhalle. Sie verschlingt allein gut 70 Millionen Euro. Die nicht nur im Winter gut besuchte Dschungellandschaft erweist sich als Joker für den Zoo. Die ehemalige Bärenburg wird zum Abenteuerspielplatz für Kinder. Am Ende ist Junhold mit seiner Erfolgsgeschichte noch lange nicht. Nach dem Aquarium wird 2024 das Terrarium saniert.

Weitere Bereiche wie das Feuerland, eine spektakuläre Wasserwelt, mit dem 140 Meter langen, weitgehend verglasten Unterwassertunnel sind noch im Entstehen. Ist diese Wasserwelt fertig, können die Besucher dann den Robben beim Tauchen zuschauen und zwischen Pinguinen schlendern.

Asiatische Inselwelten sind in Planung


Planer arbeiten bereits an den Asiatischen Inselwelten, dem letzten Vorhaben aus dem Masterplan zum „Zoo der Zukunft“. „Unser Ziel ist es, 2028 zum 150. Geburtstag des Zoos komplett fertig zu sein“, kündigt Junhold an, der seit 2013 Honorarprofessor der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig ist. Seit September 2005 gehört der Leipziger, der mit seiner Familie in
Panitzsch lebt, dem Vorstand des Weltverbandes der Zoos und Aquarien (WAZA) an. Vier Jahre später, im Oktober 2009, wird er in St. Louis (USA) bereits Vizepräsident und zugleich als kommender Präsident für die Amtszeit von 2011 bis 2013 bestätigt. Zwei Jahre leitet er den Weltverband der Zoos und Aquarien mit 326 Mitgliedern. Dieses Spitzenamt hat ihn auf fast alle Kontinente geführt.

Hat er jemals Angst vor der eigenen Courage bekommen? „Ich hatte immer Respekt vor dieser Riesenaufgabe“, sagt Visionär Junhold. Aber eben auch Grundvertrauen in das gesamte Zooteam, mit dem diese Aufgabe zu bewältigen ist. Der Erfolg gibt ihm recht: 2023 kommen wieder 1,9 Millionen Besucher, 2022 waren es mit 1,87 Millionen nur geringfügig weniger. Im April 2024 verlängerte der Aufsichtsrat des Zoos den Vertrag Junholds, dessen Lieblingstiere die Elefanten sind, bis 2031.

Parallel zur Umsetzung des Masterplans hat der Professor den Zoo Leipzig nicht nur zu einem touristischen Anziehungspunkt weit über die Stadtgrenzen hinaus entwickelt, sondern ihn auch als Natur- und Artenschutzzentrum etabliert. Das Engagement für bedrohte Arten und Lebensräume reicht vom regionalen Projekt für den vom Aussterben bedrohten Feldhamster bis zum internationalen Schutz hochbedrohter Primaten in Vietnam. „Der Zoo der Zukunft‘ ist ein Ort der Bildung, des Artenschutzes und der Freizeitgestaltung. Er ist Teil der Lösung bei der Rettung bedrohter Tierarten und er ist Brücke in die natürlichen Lebensräume, die es zu kennen und zu schützen gilt. „In den kommenden Jahren wollen wir den Artenschutz und die wissenschaftliche Forschung weiter ausbauen“, formuliert Junhold die Ziele auf diesem Gebiet.

Junhold wird Fußballbotschafter


Als Botschafter der UEFA EURO 2024 ist Jörg Junhold das Gesicht des Spielortes Leipzig. Er wirbt dafür, bei einer Waldmeisterschaft für jedes der vier Leipziger Spiele 2024 Bäume zu pflanzen. Hintergrund: Die deutschen Wälder leiden stark unter Stürmen, Trockenheit und Schädlingen. Das Vorhaben gelingt und der Leipziger Zoodirektor ist mit rund 8.100 Setzlingen der größte Baumpflanzer Sachsens geworden – und möchte das Engagement mit weiteren Pflanzungen fortsetzen. Junhold ist Fußballfan. Kein Wunder, dass sich der Konzertgarten vom Leipziger Zoo zur Fußball-EM in ein sogenanntes „Stadion der Träume“ verwandelte. Träumen kann Junhold. Und er schafft es auch, diese in die Tat umzusetzen.

Stand: 15.07.2024

Bildergalerie - Junhold, Jörg

Hochschule für Grafik und Buchkunst

Wächterstraße 11 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Die Geschichte der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) geht bis in das Jahr 1764 zurück. Damit gilt sie als eine der ältesten Kunstakademien Deutschlands. Während zu ihren ersten Studenten Johann Wolfgang Goethe zählte, gingen auch berühmte Künstler wie Werner Tübke, Neo Rauch und Rosa Loy daraus hervor.

Eine Schule, viele Namen


Ihre Ursprünge fand die HGB in der 1764 gegründeten „Zeichnungs-, Mahlerey- und Architektur-Academie“. Ihr Direktor war
Adam Friedrich Oeser, der auch der Zeichenlehrer von Goethe war. Oeser unterrichtete zunächst in seiner Wohnung, bevor die Akademie in das kurfürstliche Amtshaus umzog. Bald darauf bezogen die Studenten den neuen Sitz in einem Flügel der damaligen Pleißenburg. Im Jahr 1814 wurde Hans Veit Schnorr von Carolsfeld der neue Direktor und führte geregelte Stundenpläne sowie eine Registrierung von Schüleraufnahmen und -abgängen ein. Jedoch wollte sich der Erfolg nicht so recht einstellen, so dass 1868 die Stadtverwaltung den Antrag verfasste, die Akademie aufzulösen. Doch Neureformen brachten überarbeitete Lernkonzepte, wie die Verbindung der künstlerischen Lehre mit dem Werkstattunterricht und eine modernere Gestaltung der Ausbildung in Tages- und Abendkursen. Auch an den Bedürfnissen der in der Stadt ansässigen Industrie und des Buchgewerbes wurde sich wieder vermehrt orientiert, wie es zu Beginn der Akademiegründung üblich war. So bekam die Schule einen spürbaren Aufschwung, was sich auch durch ein eigenes Gebäude zeigte. Dafür wurde 1885 ein Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben, den der Karlsruher Architekt Otto Warth gewann.

Im Jahr 1900 wurde die Akademie zur „Königlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe“ umbenannt. Seitdem entwickelten sich stetig neue und auch wechselnde Abteilungen und Lehrinhalte. International fand die Hochschule immer mehr Ansehen, so dass sie stetig in städtische, nationale sowie internationale Vorhaben eingebunden wurde. So fand 1914 im 150. Jubiläumsjahr erstmals die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik (BUGRA) statt. Ein weiterer Höhepunkt war im Jahr 1927 die erste Internationale Buchkunst-Ausstellung (IBA).

Doch politische Auseinandersetzungen gingen auch an der Hochschule nicht spurlos vorbei. Nach 1933 änderte sich auch hier die politische Ausrichtung spürbar, so dass Lehrkräfte teilweise das Haus verlassen mussten. Dennoch wurde der Unterricht aufrechterhalten – auch nach Bombenschäden im Krieg, die zwei Drittel der Bausubstanz zerstörten. Nach einigen Umstrukturierungen wurde 1947 die Hochschule mit neu eingesetzten Leitern wiedereröffnet. Kurz danach bekam die Schule den Namen, der heute noch erhalten ist: „Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig“. Die Bereiche Malerei, Buchkunst und Fotografie existieren seitdem in wechselnden Strukturen und Bezeichnungen nebeneinander. Vor allem die Malerei verhalf in den 1960er bis 80er Jahren der Hochschule wieder zu internationalem Ansehen, nicht zuletzt durch die „Leipziger Schule“. Diese Strömung innerhalb der zeitgenössischen Kunst geht auf die von Bernhard Heisig gegründete Malklasse zurück. Nach 1990 kam es schließlich zu erneuten Umstrukturierungen, die in der heutigen Gestaltung der Hochschule mündete. Es entstand auch ein neuer und damit vierter Fachbereich, die Medienkunst.

Die Neuorientierung wird sichtbar


Das 167 Meter lange Gebäude der HGB wurde 1887 bis 1890 nach einem Entwurf von
Otto Warth im Stil der italienischen Hochrenaissance errichtet. Dessen Projektpläne waren jedoch zuvor von den königlich sächsischen Oberbauräten Otto Wankel und Carl Hugo Nauck wesentlich überarbeitet worden. Das repräsentative Gebäude besitzt zwei Seitenflügel mit separaten Eingängen und Treppenhäusern. Es besteht aus zwei Eckrisaliten und einem Mittelrisalit, der dominant hervorkommt. Im zweiten Obergeschoss befinden sich zwischen den Fenstern des Mittelrisaliten Nischen, die mit weiblichen Figuren versehen sind. Eine Figur hält eine Schrifttafel, während die andere eine Amphore als symbolischen Topf für Druckfarbe präsentiert. Den Abschluss bildet ein Giebel, an dem heute noch das Hoheitszeichen der Königlichen Akademie erhalten ist – das sächsische Rautenkranzwappen. Im Inneren gibt es große Treppenaufgänge und einen Lichthof mit einer Galerie. Die Räume sind so konzipiert, dass sich die Theorie mit der Praxis verbinden lässt. Die Geschosshöhe liegt bei fünf Metern, während die Ateliers im Dachgeschoss sogar bis zu sechs Meter in die Höhe reichen.

Bei der Neuorientierung und Umstrukturierung im Jahr 1990 wurde der Umbau abschnittweise bis 2003 realisiert. Neben der Sanierung der Sanierung wurde auch der Innenbereich erneuert. Dazu zählt das Foyer mit den Stuckarbeiten, die Glasdecke mit der Glaspyramide, aber auch die neugestaltete Galerie als Ausstellungsraum. Ebenso wurden technische Neuerungen vorgenommen.

Stand: 02.01.2024

GRASSI Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig

Johannisplatz 5-11 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Glockengeläut ruft die Menschen zum Gottesdienst, Fiedler und Geiger unterhalten die Menschen, seit 1599 musizieren in Leipzig die Stadtpfeifer auf dem Balkon des Alten Rathauses. Viele dieser Klänge und Töne haben mit Musikinstrumenten zu tun. Eine Vielzahl historischer Instrumente sind im GRASSI Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig zu sehen. Das begibt sich auf eine Suche nach dem vollkommenen Klang. So jedenfalls ist die Dauerschau überschrieben, die ihren Besuchern viele Kostbarkeiten zeigt. Um die Unikate zu schützen, sind viele davon wohl behütet unter Glas. Nur wenige können noch ein klingendes Zeugnis davon ablegen, wie sich die Musik zu ihrer Zeit tatsächlich anhörte. Doch auch kunsthandwerklich betrachtet sind viele Ausstellungsstücke eine Augenweide. Details wie Intarsien, Malereien oder Ziselierungen lassen den Betrachter heute erahnen, welche hohe Wertschätzung die jeweiligen Besitzer ihren Instrumenten entgegenbrachten.

Mehr als 5.000 Musikinstrumente aus fünf Jahrhunderten gehören zu der bedeutenden Sammlung, für die der holländische Musikverleger Paul de Wit 1886 den Grundstock legt. Er gründet sein Musikhistorisches Museum im heutigen Bosehaus am Thomaskirchhof 16. Seine Instrumente bringt er dort gelegentlich auch zum Klingen.

Historische Sammlung kommt ins Grassimuseum


1905 verkauft Paul de Wit die Sammlung an den Papierfabrikanten
Wilhelm Heyer aus Köln, der 1913 das „Musikhistorische Museum Wilhelm Heyer“ eröffnet. Nach seinem Tod wird die Sammlung erneut verkauft – 1926 geht sie in den Besitz der Universität Leipzig über.

Das ermöglicht Henri Hinrichsen, der Inhaber des renommierten Musikverlages C. F. Peters. Er spendet die gewaltige Summe von 200.000 Mark. Der sächsische Staat gibt weitere 600.000 Mark hinzu. Als Domizil bietet die Stadt Leipzig für die Sammlung den Nordflügel des neu erbauten Grassimuseums am Johannisplatz an. Am 30. Mai 1929 eröffnet, dient das Musikinstrumentenmuseum als Teil der Universität der Forschung und Lehre.

Dort erlebt die Sammlung eine wechselvolle Geschichte, was auch mit dem anglo-amerikanischen Bombenangriff am 3./4. Dezember 1943 zu tun hat. Dabei brennt das Grassimuseum fast vollständig aus. Viele Originale der Sammlung können nicht mehr gerettet werden. Es gibt aber auch Schäden an ausgelagerten Beständen sowie Verluste durch unsachgemäße Lagerung und Diebstähle in der Nachkriegszeit. Dennoch besitzt das Museum die größte Sammlung ihrer Art in Deutschland und nach Brüssel die zweitgrößte in Europa. Anfang der 1950er-Jahre öffnet sie wieder schrittweise für die Öffentlichkeit.

1981 müssen die drei Grassi-Museen (Kunsthandwerk, Völkerkunde und Musikinstrumente) nach einer Heizungshavarie geschlossen werden, können erst schrittweise wieder öffnen. In den Jahren 2000 bis 2005 wird das komplette Haus rekonstruiert und modernisiert. Im April 2006 meldet sich das Musikinstrumentenmuseum mit der ersten Ausstellungsfläche zurück.

Eine Suche nach dem vollkommenen Klang


Mehr als 5.550 Instrumente sind heute im Nordflügel des Grassimuseums ausgestellt.
Eszter Fontana, Direktorin des Musikinstrumentenmuseums bis 2013, hat die legendäre Sammlung konzeptionell ins neue Jahrtausend geführt und neu erschlossen. Sie begibt sich mit ihrem Team auf die Suche nach dem vollkommenen Klang. Zu sehen sind nach wie vor Kostbarkeiten, wie das älteste datierte Clavichord aus dem Jahre 1543. Es gibt jedoch viele neue Angebote wie ein Klanglabor, wo beispielsweise ein Plexiglasklavier zum Ausprobieren steht. Im Klanglabor kann erkundet werden, wie ein Klang überhaupt entsteht, wie ein Ton erzeugt werden kann und wie Instrumente von innen aussehen. Besucher dürfen Instrumente wie Clavichord und Cembalo testen, eine Windmaschine und transparente Orgel ausprobieren oder auf einer Trommel heiße Rhythmen spielen – anders als bei den Originalen der Ausstellung ist das sogar erwünscht.

Eine Kostbarkeit und Augenweide der Ausstellung ist der älteste original erhaltene Hammerflügel der Welt, den Bartolomeo Cristofori im Jahre 1726 gebaut hat. Ihm gelang es als erstem, eine funktionstüchtige Mechanik zu konstruieren, die den Anschlag der Saiten durch Hämmer mit einer Tastatur koppelt. Die Oberfläche des Instrumentes ist im Chinoiserie-Stil bemalt und mit Menschen, Tempeln, Blumen, Elefanten und anderen in Gold und Silber gehaltenen Motiven verziert.

Das Museum zeigt natürlich nicht nur Flügel und Klaviere. Wer es besucht, bekommt einen Überblick über die Entwicklung des europäischen Instrumentariums von der Renaissance bis zur Gegenwart. Aber auch Kuriositäten wie Geigen und Flöten in Form eines Spazierstockes, Giraffenflügel, ein „musizierendes“ Spinnrad sowie ein zusammenklappbares Reisecembalo sind zu bewundern.

Konzerte und Tänze im Zimeliensaal


Erinnert wird an
Johann Sebastian Bach, in dessen Wohnung mehrfach bekannte Lautisten musikalisch wetteifern. Instrumente der Barockzeit sind auch zu sehen. Im Zimeliensaal erklingen regelmäßig Konzerte auf historischen Instrumenten. Barocktanz in historischen Kostümen ist ebenfalls hin und wieder zu erleben. Im Bereich der Blechblasinstrumente ist neben verschiedenen Hörnern und Trompeten, wie sie in Militärblaskapellen verwendet werden, auch ein grotesk ins Riesenhafte ausgedehntes Kontrabass-Saxophon zu besichtigen.

Leipzig ist viele Jahrzehnte die Welthauptstadt der Musikautomaten. So existieren in den Jahren zwischen 1876 und 1930 in Leipzig mehr als 100 Fabriken und Werkstätten für den Bau selbstspielender Musikinstrumente. Den Schwerpunkt bilden Lochplatten-Musikwerke und mit Notenrollen gesteuerte Klaviere und Klavier-Orchestrions. Sie verlieren erst mit dem Aufkommen von Schallplatten ihre Bedeutung. Das Museum erinnert an die Automaten, die zur Museumsnacht Halle und Leipzig sogar zum Konzert aufspielen.

Kinoorgel erinnert an Stummfilmzeit


Wer sich einmal in die Stummfilmzeit versetzen lassen will, sollte sich die Kinoorgel im großen Vortragssaal nicht entgehen lassen. Glockengeläut, Vogelgezwitscher, Regen, Donner, Autohupe – eine Kinoorgel kann viele Geräusche imitieren, um Effekte für den Stummfilm zu erzeugen. Das Museum hat die Kinoorgel, die 1929 für das Palast-Theater Erfurt gebaut worden ist, restaurieren lassen und setzt sie – wie andere Originale aus der Sammlung – regelmäßig für Konzerte ein.

Stand: 11.03.2024

Bildergalerie - GRASSI Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig

Gipsabdruck-Sammlung des Antikenmuseums

Dittrichring 13 | Ortsteil: Zentrum

Die Skulpturengruppe des „Toro Farnese“ von 1896 ist knapp vier Meter hoch. Ihr Gipsabdruck – eine spektakuläre Gruppe mit einem wilden Stier in der Mitte – war einst der Hingucker im Leipziger Johanneum. Doch auch der Seitenflügel des Augusteums, des Haupthauses der Universität Leipzig, bleibt im Zweiten Weltkrieg vom Bombenhagel nicht verschont. Vom „Toro Farnese“ blieben rund 50 Einzelteile übrig, die sich seit 1968 – nach der endgültigen Sprengung des Augusteums – im Magazin des Antikenmuseums der Universität Leipzig befinden. Das zeigt seine Ausstellung in der Alten Nikolaischule am Nikolaikirchhof.

Wertvolle Anschauungsobjekte für Forschung und Lehre


Sein Depot hat es inzwischen in ein Bürohaus an den Dittrichring 13 verlagert. Im Gebäude, in dem sich auch die
G2 Kunsthalle befindet, ist nun die Gipsabguss-Sammlung des Museums beheimatet. Sie zählt zu den größten und wertvollsten deutschen Sammlungen ihrer Art. Solche Gipsabgüsse stellt die Klassische Archäologie von den Schlüsselwerken antiker Skulpturen her. Es sind Abformungen originaler Marmor- und Bronzewerke, die in vielen Museen in aller Welt verstreut sind. Für die Forschung, aber auch für die Ausbildung der Studenten, sind sie wertvolle Anschauungsobjekte, weil sie Kunstwerke dreidimensional erlebbar machen. Etwa 800 historische Gipsabgüsse griechischer und römischer Skulpturen werden im Magazin des Leipziger Antikenmuseums gelagert. Aber eben nicht nur aufbewahrt. Die Skulpturengruppe des „Toro Farnese“ wird derzeit bei einem Pilotprojekt restauriert. Von einer Spezialfirma sind zunächst die Teile gereinigt worden. Inzwischen werden sie digital erfasst und über ein 3D-Druckverfahren digital ergänzt. Dadurch wissen die Restauratoren, welche Teile vorhanden sind, welche fehlen. „Unser großer Wunsch ist es, die Skulpturengruppe wieder der Leipziger Öffentlichkeit präsentieren zu können“, sagt der Kustos Jörn Lang zum Start des Projektes. Das wird wahrscheinlich nur in Teilen gelingen. Für eine vollständige Präsentation der 3,60 Meter hohen Skulptur fehlen der Universität derzeit schlichtweg geeignete Räume.

Schicksal ist mit Sprengung zunächst besiegelt


Das war nicht immer so. Die Abguss-Sammlung der Universität hat eine lange Tradition. In ihrer Blütezeit sind 3:000 solcher Abgüsse registriert. Bis zum Zweiten Weltkrieg sind diese in mehreren großen Sälen im Erdgeschoss des Johanneums untergebracht. Nach dem Bombenangriff im Dezember 1943 können nur noch 600 Abgüsse gerettet werden. Letztmalig sind diese in den wiedererrichteten Räumen von 1955 bis 1968 ausgestellt. Doch mit der Sprengung der Universitätsbauten im Juni 1968 ist ihr Schicksal besiegelt. Notdürftig werden sie – obwohl von großem historischen Wert – in einem ehemaligen Kohlebunker gelagert.

Es gibt aber auch andere Standorte für die Statuen. Oft verschwanden sie in feuchten Räumen, was teilweise zu irreparablen Schäden führt. Nach der politischen Wende in den Jahren 1989/90 bleibt die Sammlung zunächst in den provisorischen Depoträumen. Erst im Januar und Februar 1999 kann sie in das neue Magazin am Dittrichring umziehen. Jenes Gebäude entstand im Jahr 1986 als volkseigenes Datenverarbeitungszentrum. Die Decken müssen für die damalige Computertechnik eine hohe Traglast aufweisen. Das kommt der Gipsabguss-Sammlung mit ihren teilweise schweren Statuen nun zugute.

Magazin öffnet jeden Mittwoch für Gäste


Für Lehre und Forschung am Lehrbereich Klassische Archäologie beim Historischen Seminar der Universität Leipzig sind die historischen Gipsabgüsse von unschätzbarem Wert. Abgüsse können und wollen die Originale zwar nicht ersetzen. Gegenüber herkömmlichen Fotografien haben sie aber den Vorteil, dass sie die antiken Bildwerke im Maßstab 1:1 wiedergeben und als dreidimensionale Objekte von allen Seiten sichtbar machen. Originale sind oft verwittert oder im Freien gealtert. Abgüsse können daher sogar unverfälschter sein – zumindest was den Eindruck der reinen plastischen Form ausmacht.

Seit 2022 ist die Sammlung bei Führungen zugänglich, zur Museumsnacht Halle und Leipzig 2023 erstmals auch für eine breitere Öffentlichkeit. Inzwischen öffnet das Magazin regelmäßig für Besucher – an Mittwochnachmittagen. Die können zwar keine fertige Ausstellung besichtigen, erhalten jedoch einen besonderen Einblick hinter die Kulissen der Arbeit des Antikenmuseums.

Von der Wölfin bis zum Gänsewürger


Abgüsse gibt es beispielsweise auch von einem nördlichen Fries, der die frühesten Stationen aus dem Leben des Telephos zeigt. Der „Telephosfries“ gehört als Teil des großen Altars von Pergamon sicherlich zu einem der bekanntesten antiken Bauwerke. Bei der Museumsnacht 2024 standen Studierende bereit, die Kunstwerke zu erklären. In der Gipsabguss-Sammlung gibt es viel zu entdecken. Ob nun Apollo, den Gott der Sonne, des Frühlings, des Lichtes. Die Wölfin aus Rom, unter der zwei Knaben sitzen. Einen Redner aus Florenz, die Statuengruppe des sogenannten Gänsewürgers oder eben die Reste des „Toro Farnese“, der hoffentlich mal wieder in alter Pracht entsteht.

Stand: 05.05.2024

Bildergalerie - Gipsabdruck-Sammlung des Antikenmuseums

FORUM 1813

Straße des 18. Oktober 100 | Ortsteil: Probstheida

Es ist ein besonderer Teppich: Soldaten haben ihn einst für Napoleon Bonaparte genäht und als Zeichen ihrer Verehrung nach St. Helena verschifft. Sie haben Aufschläge mit dem „N“-Monogramm für Napoleon und dem Kaiseradler, die nach Ende seiner Herrschaft von allen französischen Uniformen entfernt werden müssen, auf ein großes Stück Sackleinen aufgenäht. Zu sehen ist der zweieinhalb Quadratmeter große Teppich im FORUM 1813, dem zum Völkerschlachtdenkmal gehörenden Museum. Der Teppich ist eine der etwa 350 Originalexponate, die Geschichte(n) von der bis dahin blutigsten Massenschlacht des 19. Jahrhunderts erzählen können. Eine halbe Million Soldaten aus ganz Europa kämpfte während der Befreiungskriege um die politische Zukunft des Kontinents.

Museum lenkt Blick auf Alltag der Menschen


Das FORUM 1813 möchte dabei keineswegs ein „lückenloses Geschichtsbuch“ aufblättern. Doch Besucher stehen dem Denkmal, das den Betrachter ob seiner Wucht durchaus verstören kann, häufig unvorbereitet gegenüber. Etliche bringen das Monument sogar mit Schwedenkönig
Gustav II. Adolf und dem Dreißigjährigen Krieg in Verbindung. Seit seiner Eröffnung 1999 vermittelt das FORUM 1813 ein Bild der Völkerschlacht bei Leipzig und der daran beteiligten Nationen. Für viele Menschen außerhalb Leipzigs ist die Völkerschlacht allerdings kein Begriff.

Das Museum will diese nicht als reines Ereignis der Militärgeschichte vermitteln, sondern den Blick ebenfalls auf den Alltag der Menschen lenken. Im Zentrum stehen dabei die historischen Ereignisse in Leipzig und Sachsen zwischen 1789 und 1814 – also zwischen der französischen Revolution und dem Wiener Kongress. So neutral wie möglich. Denn die Befreiungskriege werden in den vergangenen Jahrzehnten oft vereinnahmt.

Waffen, Uniformen, Ausrüstungsgegenstände, Bilder und persönliche Erinnerungsstücke lassen die tragische Kriegszeit lebendig werden. Ein Blickfang ist das 18 Quadratmeter große Diorama, das mit etwa 3.600 Figuren sowie 40 teils zerstörten Häusern im Maßstab 1:72 den Kampf um das Dorf Probstheida bei einem russisch-preußischen Angriff nachstellt. Zeitgenössische Beschreibungen werden verwendet, um das Szenario so genau wie möglich zu rekonstruieren.

Bildschirm zeigt historischen Schlachtverlauf


Wichtig ist dem Museumsteam um Denkmalsleiter
Steffen Poser, über die einzelnen Objekte hinaus historische Zusammenhänge zu erzählen. Für viele Besucher ist es beispielsweise schwierig, Karten zu lesen. Besonders für jene, die Leipzig nicht kennen und nun einordnen sollen, wie wichtig Probstheida oder Stötteritz für den Verlauf der Völkerschlacht sind. Deshalb ist auf einem Bildschirm eine historische Karte zu sehen, auf der die Truppenbewegungen vom 16. bis 19. Oktober 1813 animiert und so veranschaulicht werden können. Etwa wenn Napoleon über den Westen Leipzigs flüchtet.

Das Museumsteam will den Menschen vor allem ein Gefühl für Schlacht und Denkmal vermitteln. Das passiert im Denkmal selbst durch einen Film mit vielen Bildern auf einer großen Leinwand – ohne Worte. Der Film konzentriert sich auf die Kernbotschaften. „Selbstverständlich bieten wir auch Führungen an. Wer etwas über den Verlauf der Völkerschlacht oder über kunsthistorische Aspekte des Denkmals hören will, wird natürlich bedient“, so Steffen Poser.

Ein Prunkstück der Ausstellung ist der restaurierte Sattel des polnischen Fürsten Józef Antoni Poniatowski. Der Fürst verstärkte 1813 mit seinem 20.000 Mann starken polnischen Kontingent die französischen Truppen. Der Nationalheld des Nachbarlandes, der erst drei Tage vor seinem Tod von Napoleon zum Marschall von Frankreich ernannt wird, springt beim Rückzug in Leipzig in die Hochwasser führende Elster. Da ist er bereits durch zwei Kugeln verwundet. Sein Pferd überschlägt sich und drückt ihn unter Wasser – er ertrinkt. An der Stelle, wo Fischer später seinen Leichnam finden, wird für ihn 1834 das Poniatowski-Denkmal errichtet. Nicht weit davon entfernt erinnert das Brückensprengungsdenkmal an die Sprengung der dort gelegenen Elsterbrücke, die den Verfolgern des aus Leipzig fliehenden französischen Heeres den Weg abschneiden sollte.

Uniformen in Vitrinen zu sehen


Berühmt ist der Mantel eines Baschkiren, die damals ebenfalls kämpften. Er ist nur selten zu sehen, weil das Original nicht über Jahre dem Licht ausgesetzt werden darf. Alle Uniformen und Erinnerungsstücke werden zwar in den verschlossenen Vitrinen unter optimalen Bedingungen ausgestellt. „Dennoch handelt es sich um kostbare Originale, die teilweise aus Naturmaterialien hergestellt worden sind“, erklärt Poser. Deshalb können sich in den Uniformen Insekten einnisten. Spinnen gibt es am naturnah und in Nähe zum
Südfriedhof gelegenen FORUM 1813 reichlich. Selbst die Helme können für Ungeziefer interessant sein. So wird beispielsweise ein vergoldeter Kürassierhelm für sächsische Offiziere (um 1806) gezeigt, der mit einem Seehundfell verziert ist. Eine hohe Kopfbedeckung für französische Gardegrenadiere ist mit Bärenfell geschmückt.

Zusätzliche Informationen hören die Besucher in einem Audioguide-System, das Fakten und Anekdoten freundlich und unterhaltsam vermittelt. Bei der Führung durchs FORUM 1813 gibt der Bankangestellte Johann Carl Scheube preis, wie man sich mit einem guten Trinkgeld vorm Militärdienst drücken kann oder was eine Haarlocke Theodor Körners über die Völkerschlacht erzählt.

Empfehlenswert sind auch die Ausstellungen im Völkerschlachtdenkmal selbst. Dazu gehört die zur jüngsten Baugeschichte in den Katakomben, die derzeit nur bei Führungen für Gruppen zugänglich ist. Das soll sich allerdings ändern. Zu diesem Zweck muss ein zweiter Fluchtweg eingebaut werden. Aus rund 3.600 Fotos einer aufwendigen Dokumentation sind 36 ausgewählt worden, die großformatig und beleuchtet auf die Besucher wirken.

Stand: 10.03.2024

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