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Schulze, Christian

Heimleiter, Kommunalpolitiker | geb. am 20. Mai 1963 in Berlin

Er hält einen Rekord: 34 Jahre vertritt Christian Schulze die Sozialdemokraten im Leipziger Stadtrat. Und hat dabei als Finanzexperte und Urgestein der SPD einige Sternstunden, aber auch Skandale erlebt. Seit der Neukonstituierung des Rates im September 2024 ist er allerdings nicht mehr dabei. Die Ergebnisse der SPD haben für seine Wiederwahl nicht gereicht. Das politische Geschehen in Leipzig wird er weiter interessiert verfolgen und aufpassen, dass sich „seine Stadt“ gut entwickelt. „Sonst mache ich von der Seitenlinie Krach“, sagt Schulze in seiner letzten Rede im Stadtrat im August 2024. Politisch engagieren wird er sich weiter im Ehrenamt. Vor allem in seinen Vierteln, in Lindenau und Leutzsch.

Geboren wird Christian Schulze am 20. Mai 1963 als Sohn eines Pfarrers am Prenzlauer Berg in Berlin. Dort wird er eingeschult, die Familie zieht aber bald nach Berlin-Johannisthal. Nach der Oberschule absolviert er eine Lehre in der Landwirtschaft, wird Agrotechniker/Mechanisator und schreibt seine Abschlussarbeit über die Kartoffelsorte „Adretta“. Mit 18 Jahren kommt Schulze nach Leipzig, um am Theologischen Seminar zu studieren. Nach zweieinhalb Jahren scheidet er allerdings aus, repariert Lkw-Anhänger in einer Schmiede, macht verschiedene Jobs. 1984 beginnt er als Handwerker und Grabmacher beim Kirchlichen Friedhofsamt und schafft nach einem halben Jahr als 21-Jähriger den Sprung zum Friedhofsleiter in Lindenau. Er beginnt, sich in kirchlichen Gruppen zu engagieren – gemeinsam mit Menschen, die alle der eine Gedanke eint: „In diesem Land muss was passieren!“.

Die Gründung der SDP in Leipzig


Von 1988 an arbeitet Schulze als Verwaltungsleiter in der
Nathanaelkirche in Lindenau. Dort gründet sich im Spätsommer 1989 ein politischer Gesprächskreis, der zunächst das Neue Forum unterstützt. Geliebäugelt wird allerdings mit einem Leipziger „Ableger“ der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), die im Oktober 1989 in Schwante bei Berlin entsteht. Schulze ist aktiv dabei, gemeinsam mit Andreas Schurig die SDP auch in Leipzig ins Leben zu rufen.

Als Verwaltungsleiter besitzt er damals einen Computer mit Nadeldrucker. Auf der Montagsdemonstration am 6. November 1989 können daher Handzettel verteilt werden, mit denen zur Gründung der Partei am 7. November 1989 in die Reformierte Kirche am Tröndlinring eingeladen wird. „Auf dem Weg dorthin kamen Ängste in mir hoch. Hat die Stasi vielleicht doch noch die Kraft, alles abzusperren und zu verhindern?“, erinnert Schulze sich. Doch die Kirche ist gut gefüllt. Ungefähr 150 bis 200 Bürger versammeln sich im Gotteshaus, darunter auch junge Männer von der Stasi. Die Gründung gelingt, die Umbenennung in SPD erfolgt dann im Januar 1990. Schulze vertritt seine Partei in Lindenau, Leutzsch und Böhlitz-Ehrenberg.

Für die Kommunalwahl am 6. Mai 1990 holen die neuen Genossen dann den Hannoveraner Oberstadtdirektor Hinrich Lehmann-Grube nach Leipzig. Das war eigentlich ein großer Zufall: Den Namen Lehmann-Grube hört Christian Schulze das erste Mal am 19. März 1990. Die Leipziger Sozialdemokraten lecken zu dieser Zeit im Haus der Demokratie ihre Wunden. Sie haben die erste freie Volkskammerwahl in der DDR haushoch verloren. Für die sieben Wochen später stattfindende Kommunalwahl in Leipzig wollen sie dennoch einen SPD-Spitzenkandidaten aufstellen. Ursula Lehmann-Grube ist damals Gast beim Lindenauer SPD-Ortsverein. Sie wird gefragt, ob sich ihr Mann eine Kandidatur vorstellen kann. Da dieser in Hannover als Verwaltungschef unzufrieden ist, kommt ihm der Ruf aus Leipzig gerade recht. Schulze bezeichnet „LG“, wie er im Rathaus oft genannt wird, später als seinen politischen Ziehvater.

LG wird der politische Ziehvater


Lehmann-Grube wird Oberbürgermeister, die SPD mit 35 Prozent die stärkste politische Kraft – und Schulze einer von 45 Sozialdemokraten in der Stadtverordnetenversammlung, die damals 128 Sitze hat. „Eigentlich wollte ich als anständiger Sozialdemokrat in den Sozialausschuss. Da ich in der Kirchgemeinde Lohn gerechnet und die Kasse geführt habe, schickte mich die Fraktion in den Finanzausschuss“, erinnert er sich. Diesen leitet er ab September 1990, nachdem die Vorgängerin wegen Stasi-Verstrickungen abgelöst wurde. Insgesamt bleibt er 30 Jahre Finanzausschusschef.

Am Tisch von Lehmann-Grube wird überlegt, wie Leipzig bis Ende 1990 überhaupt über Wasser gehalten werden kann. „Das hat mich als damals 26-Jährigen sehr beeindruckt“, gibt er zu. Ein Jahr zuvor – bei der Schwindelkommunalwahl am 7. Mai 1989 in der DDR, wie er sagt – wird er nur mit großer Not zur konstituierenden Sitzung der Stadtbezirksversammlung West als Besucher zugelassen. „Ein Jahr später saß ich dann an den Hebeln der Macht und durfte mitentscheiden, wofür das Geld ausgegeben wird“. Wichtig ist zunächst, die Finanzierung für Kitas, Schulen, Heime abzusichern sowie eine Verwaltung aufzubauen. In den Aufbruchsjahren der 1990er seien alle beseelt davon gewesen, das Überleben der Stadt zu sichern, erzählt Schulze.

Die Arbeit im Stadtrat ist über die Jahre schwieriger geworden – die zunächst konstruktive Zusammenarbeit der Aufbruchsjahre über Parteigrenzen hinweg ist politischen Zwängen und Spielchen gewichen. „Wir haben uns bemüht, eine Vermittlerrolle einzunehmen und Mehrheiten für den Oberbürgermeister und die Verwaltung zu organisieren“, konstatiert Schulze.

Weder schwarze Straßen noch rote Kitas


Eins betont er immer wieder: „Für mich gab es nie schwarze Straßen, rote Kitas oder grüne Radwege. Mein Credo war immer: Ich bin für das Beste der Stadt unterwegs.“ Wer gewählt ist, müsse Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Dabei gehe es in erster Linie um Vernunft. Von Lehmann-Grube habe er gelernt, wie er betont, „dass man zu einer Sache stehen, zu einer getroffenen Entscheidung Haltung zeigen muss, sich nicht gleich vom ersten Wind umpusten lässt“.

Eine der Sternstunden ist für Schulze die Gründung einer Tunnel GmbH, in die 5 Millionen DM eingezahlt werden. „Wir nahmen an, dass die damals geplante Transrapid-Strecke zwischen Berlin und Hamburg scheitert. Und Geld im Bund übrig ist, das wir für unser Tunnelprojekt nutzen können.“ Wer heute mit der S-Bahn durch den City-Tunnel fährt, weiß, dass die Rechnung aufgegangen ist. Um viele Projekte wie die Umgestaltung des Hauptbahnhofes oder die Verlagerung der Leipziger Messe sind erbitterte Auseinandersetzungen geführt worden. Heute sind es Entscheidungen, die kaum jemand noch ernsthaft infrage stellt. „Ich habe mich immer als Ansprechpartner der Menschen vor Ort gesehen und für die Themen, die diese beschäftigen.“ Sei es ein klappernder Gullydeckel oder ein fehlender Radstreifen. Für seine Verdienste, darunter die fast 30-jährige Leitung des Ortsvereins Alt-West der SPD, wird er 2019 von seiner Partei mit der Willy-Brandt-Medaille geehrt. 2024 erhält er ebenfalls die Goldene Ehrennadel der Stadt Leipzig.

Seit 1998 leitet Christian Schulze ein Seniorenzentrum der Arbeiterwohlfahrt mit 100 Bewohnern sowie 75 Beschäftigten in Beerendorf bei Delitzsch. Nach dem Ausscheiden aus dem Stadtrat verbringt er wieder mehr Zeit mit der Familie, die von Stockholm bis Zürich verstreut ist. Mit seiner Frau hat er fünf Kinder großgezogen, das fünfte Enkelkind ist unterwegs. Er lernt inzwischen intensiv Englisch, damit er sich besser mit seinem Schwiegersohn in Schweden verständigen kann. Nach wie vor singt er in zwei Chören, darunter in der Taborkantorei, und ist ein leidenschaftlicher Motorradfahrer.

Stand: 09.10.2024

Bildergalerie - Schulze, Christian

Schreberbad

Schreberstraße 15 | Ortsteil: Zentrum-West

Der Weg zum Abkühlen an heißen Sommertagen ist nicht weit: Das Schreberbad liegt recht nahe am Stadtzentrum. Es ist kein Wunder, dass es zu Leipzigs beliebtestem Freibad geworden ist. Bald wird der attraktiv erweiterte Stadthafen Leipzig für zusätzliches Publikum sorgen. Das „Schrebbser“, wie es früher oft genannt wird, ist Leipzigs ältestes noch existierendes Freibad. Es ist Nachfolger der Neubertschen Schwimmanstalt.

Erst mit Ende des Braunkohletagebaus gibt es in Leipziger Neuseenland genügend Tagebauseen. Doch dank der Parthe, des Pleißemühlgrabens sowie des Elstermühlgrabens kann Leipzig auch schon früher Plätze für sogenannte „Flussplanscher“ ausweisen. So heißen einst die Leute, die zwar das Wasser mögen, aber nicht schwimmen können. Das Bedürfnis, in den Flüssen zu baden und sich zu reinigen, ist groß. Ein solches Flussbad ist die Neubertsche Schwimmanstalt, die im Jahr 1842 öffnet. Die Aufsicht über alle Aktivitäten im Wasser übernimmt damals die Innung der Fischer. Dennoch ertrinken in Leipzig um diese Zeit jährlich etwa 5.000 Menschen.

Bürger kaufen Aktien für neues Freibad


Die Neubertsche Schwimmanstalt erweist sich rasch als viel zu klein. Leipzig benötigt dringend ein größeres Bad. Allerdings hat die Stadt Leipzig dafür kein Geld. Deshalb haben findige Stadtväter die Idee, eine Aktiengesellschaft zu gründen. Diese gibt 600 Aktien zu einem Wert von je 50 Thalern heraus, damit die Bürger sich beteiligen und das Bad selbst finanzieren können. Kosten: 84.000 Mark. Planung und Ausführung wird in die Hände eines Verwaltungsrates von 15 Mitgliedern gelegt. Der Name des Bades geht auf
Daniel Gottlob Moritz Schreber zurück, der wohl zu den Stiftern gehörte. Bis heute ist der Name des Leipziger Arztes ein Synonym für die benachbarte Schrebergartenanlage am Rande und in der Stadt. Er stirbt allerdings bereits 1861, hat die Eröffnung des Bades nicht erlebt.

Sprunggerüst wird die Attraktion


Am 8. Juli 1866 ist es dann so weit: Die nach Plänen von
Heinrich Dimpfel erbaute Herrenbadeanstalt des Schreberbades, ein Holzbau mit einem 95 mal 28 Meter großen Becken, kann öffnen. Das ist auch aus heutiger Sicht spektakulär, das Becken ist fast doppelt so groß wie jenes im heutigen Sportbad an der Elster. Ein Drittel des Schreberbadbeckens ist für Nichtschwimmer hinter einer Palisade abgetrennt. Es kann auf einer Holzbrücke überquert werden. Das Elsterwasser läuft durch einen Filter, bevor es in die Bassins geleitet wird. Die Attraktion ist ein zwölf Meter hohes Sprunggerüst, es gibt ebenfalls ein Bassin für die Schwimmschule.

Wie es in einem Artikel in der Zeitschrift „Gartenlaube“ aus dem Jahr 1866 heißt, befindet sich in der Mitte des Gerüstes „eine erhabene Brücke, unter der Schaukelreck und Schaukelringe angebracht“ sind. Von dort können die „turnfertigen Jünglinge und Männer Leipzigs von der Höhe herab über die Wasserfläche hinausfliegen, um sich im kühnen Absprunge und Überschlag mitten in die Fluth zu stürzen.“ Es entsteht auch ein Verwaltungsgebäude mit Eingangshalle, an deren Seiten sich Kasse und Wäscheausgabe befinden. „Auskleideplätze“, wie es damals heißt, gibt es ebenso wie einen eigenen Bootsanlegesteg.

Damenbad ist abgeschirmt


Bevor die Damen baden gehen können, vergehen weitere drei Jahre. Am 16. Mai 1869 wird für sie ein 58 mal 15 Meter großes Becken freigeben – selbstverständlich räumlich und wahrscheinlich blickdicht abgeschirmt von den Herren. Das ist die erste „unbedeckte freie Schwimm- und Badeanstalt für Frauen in Deutschland“, wie es in zeitgenössischen Quellen heißt. Ein Teil des Damenbeckens (20 Meter Länge) ist das Kinderbad. Besonders ist damals die Bademode: Die Frauen tragen Badekostüme mit Hut, Badestrümpfen und Korsett. Schwimmen ist nicht üblich, das höchste der Gefühle ist zu jener Zeit wohl ein „Wasserbesuch“ bis Kniehöhe.

Die Pflege der überwiegend mit Holz verkleideten Becken ist sehr aufwändig. Deshalb beschließt die Stadtverwaltung, das Holz durch Stein zu ersetzen. Aus diesem Grund wird der Männerbereich bereits 1886, der Damenbereich dann 1890 nach Plänen von Max Pommer saniert. Dadurch können die Kosten für den Betrieb gesenkt werden. Dieser bleibt damals nicht auf die Sommermonate beschränkt – im Winter wird sogar zum Eisbaden für die besonders Hartgesottenen geöffnet.

Das Schreberbad verfügte schon damals über eine riesige Liegewiese sowie alte, schattenspendende Bäume. In der Freizeitstätte gibt es viel Platz zum Erholen, aber auch für gesellschaftliche Kontakte. Die Bildhauer Max Klinger und Carl Seffner sind ebenso wie Verlagsbuchhändler Salomon Hirzel hier häufig zu Gast.

Im Jahr 1895 werden 49.700 Tickets für das Bad verkauft. In der Badesaison 1927/28 gibt es 284 Auskleidezellen für die Herren sowie 198 für die Damen. Zusätzlich stehen offene Auskleidehallen bereit.

Doch mit dem Zweiten Weltkrieg kommen neue Veränderungen. Eine Fliegerbombe bei alliierten Luftangriffen zerstört 1944 das Damenbad. Es wird nach Kriegsende nicht wieder aufgebaut. An dessen Stelle befindet sich inzwischen die Liegewiese sowie Teile einer Kleingartenanlage. Repariert werden nur die Schäden im Männerbereich. Das Hauptgebäude wird ebenfalls neu aufgebaut.

Schreberbad wird als Familienbad umgebaut


Zu DDR-Zeiten ist das Schreberbad ebenfalls beliebt. Doch es ist in die Jahre gekommen. Das Becken ist undicht und die Anlagen für die Aufbereitung des Wassers sind technisch veraltet, wie in vielen Schwimmhallen und Freibädern Leipzigs. Die Leipziger Sportbäder haben es daher 2007 grundlegend erneuert und zum Familienbad ausgebaut. Zu diesem Zweck wird die Größe des Beckens um zwei Drittel verkleinert. Mittlerweile gibt es zwei Becken aus Edelstahl, die insgesamt 810.000 Liter fassen. Das Wasser wird bis zu zwölfmal am Tag umgewälzt und gesäubert. Das Schwimmerbecken ist den Freizeitsportlern vorbehalten, die auch in Frühbadestunden ihre Bahnen ziehen können. Ein separates Becken bietet mit Riesenrutsche und Wasserspielen vor allem Kindern und Jugendlichen viel sommerliches Vergnügen. Außerdem gibt es ein 12 x 5 Meter großes Kinderplanschbecken. Neben der großen Liegewiese stehen für die Gäste zwei Spielplätze sowie Sportanlagen für Basketball und Beachvolleyball bereit. Mittlerweile ist das „Schrebbser“, das wohl nur noch wenige so nennen, ein modernes Bad in historischer Kulisse.

Stand: 24.06.2024

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Schösserhaus

Kantatenweg 31 | Ortsteil: Kleinzschocher

Es ist das letzte Gebäude, das vom einst prächtigen Rittergut Kleinzschocher geblieben ist: Das Schösserhaus am Kantatenweg steht seit vielen Jahren leer und verfällt zusehends. Der Name geht auf Schösser zurück, die damals für die adligen Gutsherren die Steuern einnehmen. Das ehemalige Rittergut liegt zwischen Taborkirche und Volkspark Kleinzschocher. Es gehört der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB), die es nun zu neuem Leben erwecken will. Ziel ist es, einen Nachbarschaftstreff für das ganze Viertel zu etablieren. Bekannt ist das Gebäude bei Musikfreunden, da Johann Sebastian Bach dort im Jahr 1742 seine Bauern-Kantate uraufführte. Daran erinnert die Gedenktafel Bauernkantate Kleinzschocher, die an einem Torpfeiler eingelassen ist. Der Verein Notenspur Leipzig e.V. plant, das Schösserhaus in seine Tour Leipziger Notenrad zu integrieren, die per Rad auf die Spuren berühmter Musiker und Komponisten führt.

Eine Kantate für den sächsischen Kammerherrn


Schloss und Rittergut Kleinzschocher werden erstmals 1350 urkundlich erwähnt. Sie zählen zu den größten Anwesen ihrer Art mit Stallungen und Wirtschaftsgebäuden in der Leipziger Umgebung. Erste Besitzer sind die
Familie von Hahn (in älterer Schreibweise von Hayn). Das 1748 errichtete Schösserhaus ist Teil dieser Anlage. Über die Jahrhunderte wechselt das Rittergut mehrmals die Besitzer.

Ab 1649 gehört das Gut der Familie von Dieskau. Zum 36. Geburtstag des Gutsherren Carl Heinrich von Dieskau, eines kurfürstlich-sächsischer Kammerherrn, wird am 30. August 1742 die Bauernkantate (Cantate Burlesque) von Johann Sebastian Bach uraufgeführt. Darin spotten ein Bauer und eine Magd über die Machenschaften der Steuereinnehmer sowie die Verletzung des Fischereirechts. Der Text von Christian Friedrich Henrici, genannt Picander, ist volkstümlich-derb, leicht ironisch und enthält sogar sächsische Mundart. Bach verwendet für seine Kantate volkstümliche Melodien und populäre Tanzformen. An einer Säule des Eingangsportals neben dem Gebäude erinnert ein Medaillon an das Ereignis. Die Kantate Bachs gibt der Straße später ihren Namen als Kantatenweg.

Schloss und Rittergut werden im Krieg zerstört


Das Schösserhaus wird Anfang des 19. Jahrhunderts zum Verwalterhaus. 1812 erwirbt der Kaufmann
David Johann Förster das Schloss Kleinzschocher. Er hat die Idee, aus dem nahe gelegenen Hahnholz einen öffentlichen Park zu machen. Inzwischen gehört dieser zum heutigen Volkspark Kleinzschocher. 1848 wechselt das Gebäude ins Eigentum von Verleger und Buchhändler Freiherr von Tauchnitz, der das Gut zur Hochzeit geschenkt bekommt. Sohn Christian Karl Bernhard von Tauchnitz übernimmt nach dem Tod des Vaters 1895 das Rittergut. Kurz bevor er 1921 verstirbt, verkauft er 1920 den Besitz an die Stadt Leipzig.

Das Schloss wird im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört, das Rittergut teilweise. Das Schösserhaus bleibt unversehrt. Zu DDR-Zeiten ist es bewohnt und wird von Gewerbetreibenden genutzt. Es wird zusehends marode, geht nach der Friedlichen Revolution ins Eigentum der LWB über. Seit Ende der 1990er Jahre steht das Gebäude leer – verfällt zusehends. Die beiden Säulen des ehemaligen Eingangs zum Gut sind noch erhalten. Einst sitzen steinerne Löwen auf dem Portal, die 1999 jedoch entwendet werden.

LWB planen einen Nachbarschaftstreff


Nun will die LWB das Schösserhaus sanieren und mit Hilfe von Städtebaufördermitteln zu neuem Leben erwecken. Entstehen soll ein Nachbarschaftstreff im denkmalgeschützten Haus. Potenzielle Bewerber für die soziokulturelle Nutzung von Ober- und Dachgeschoss werden gesucht. Das Erdgeschoss sowie ein Großteil der Außenanlagen mitsamt Freisitz soll an einen Gastronomen verpachtet werden. Für das Areal zwischen Kantatenweg, Bauernwinkel und Miekeweg, zu dem auch das Schösserhaus gehört, erarbeitet die Stadt einen neuen Bebauungsplan. Wohnungen und ein Kindergarten sind vorgesehen – das Vorhaben ist aber nicht unumstritten. Naturschützer wie der Verein Ökolöwe protestieren gegen die Bebauung, da sich die Natur die Freiflächen längst zurückerobert hat. Das ehemalige Gut sei ein Rückzugsraum für Insekten und Singvögel geworden, argumentiert der Umweltbund.

Stand: 12.11.2024

Bildergalerie - Schösserhaus

Historisches Bildmaterial - Schösserhaus

Rosensonntagsumzug

Markt / Innenstadt | Ortsteil: Zentrum

Eine Karnevalshochburg wie Köln oder Wasungen ist Leipzig sicherlich nicht. Dennoch begeistern enthusiastische Närrinnen und Narren Jahr für Jahr mit einem Rosensonntagsumzug – jeweils einen Tag vor Rosenmontag. Organisiert wird die beliebte Veranstaltung vom Förderkomitee Leipziger Karneval seit 2000. Löwin Leila – das ist das Maskottchen der Leipziger Karnevalisten – führt den Umzug durch die Leipziger City an. Leila ist eine Abkürzung für „Leipzig Lacht“ – und zwar „Herzlich und Laut“. Daraus ergibt sich der Schlachtruf „Leila helau!“.

Maskottchen wird erstmals 1984 gekürt


Die Löwin Leila als Maskottchen der Leipziger Karnevalisten wird am 4. November 1984 zur ersten Karnevals-Leistungsschau des Bezirkes Leipzig in der Leipziger
Kongreßhalle am Zoo gekürt. Der Verein Förderkomitee Leipziger Karneval nimmt die Löwin ab 11.11.1992 unter seine Fittiche. Jedes Jahr wird seitdem eine junge Dame aus den beteiligten Karnevalsvereinen für die fünfte Jahreszeit als Oberhaupt gekürt. Die Löwin übernimmt jeweils am 11.11. die Regentschaft und repräsentiert die Leipziger Narren auch über die Grenzen Leipzigs hinaus. Löwin Leila, eine mindestens 18 Jahre alte junge Dame, wird für eine Saison gekrönt. Jede darf nur einmal im Leben die Repräsentantin des Leipziger Karnevals sein.

Rosensonntagsumzug belebt Tradition neu


Erstmals seit den 1950er Jahren gibt es im Jahr 2000 wieder einen größeren Karnevalsumzug durch die Innenstadt. Das Förderkomitee Leipziger Karneval, verschiedene Gastronomen der
Drallewatsch – Kneipenmeile und Mitglieder vom Verein City Management haben ihn organisiert, um diese Tradition neu beleben. 1954 und 1955 kamen schon einmal Tausende Messestädter zu dem Straßen-Spektakel. Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 wollen die Machthaber dem Volk ein Ventil bieten. So wird in einer Hauruck-Aktion 1954 ein Elferrat ins Leben gerufen. Viele der Sprüche gefallen den SED-Funktionären allerdings nicht.

In Zeitungen melden sich daher Brigaden zu Wort, die die Werktätigen aufrufen, sich nicht an den Umzügen zu beteiligen, weil dadurch Arbeitsstunden ausfallen. Für 1955 wird ein Kompromiss gesucht: Der Umzug beginnt erst nach der Arbeit, die Strecke wird gekürzt. Trotzdem sind auch 1955 zum Umzug die Massen auf den Beinen. Ein Jahr später gibt es keine Straßenumzüge mehr. Dennoch wird in der DDR Fasching gefeiert, darunter in den großen Leipziger Sälen von Vergnügungsstätten wie Felsenkeller oder Elstertal.

„Goldene Rose“ für Verdienste um Karneval


Gleichzeitig wird jedes Jahr die „Goldene Rose“ – auch „Leipziger Bliemchen“ genannt, verliehen. Leipziger Karnevalisten knüpfen mit dieser Rose an eine sehr alte Tradition an. Im 11. Jahrhundert soll der Papst von seinem Balkon in Rom aus vor der Fastenzeit rote Rosen verschenkt haben. In Leipzig wird die „Goldene Rose“ erstmals 1998 verliehen.

Hergestellt wird sie vom Ehepaar Monika und Gunter Heyn. Das sind Goldschmiedemeister aus Leipzig-Thekla. Sie trocknen jeweils eine echte Rose und überziehen sie mit Gold. Erster Preisträger ist Leipzigs damaliger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube, der für seine Verdienste um den Leipziger Karneval geehrt wird. Weitere Preisträger in den Folgejahren sind Manfred Uhlig, ein Leipziger Urgestein der DDR-Unterhaltungskunst, und Kabarettist Jürgen Hart, der als Schlagerbarde mit „Sing, mei Sachse sing“ die legendäre Sangeslust der Sachsen in die Welt hinausträgt. Swing-Legende Fips Fleischer, Zoochef Jörg Junhold, der Handballclub Leipzig, The Firebirds, das Team der in Leipzig gedrehten MDR-Krankenhausserie „In aller Freundschaft“, Schlagerstar Frank Schöbel und viele andere werden ebenfalls geehrt. 2024 erhielt das Team des Krystallpalast Varietés die Auszeichnung.

In den letzten Jahren startete der Rosensonntagsumzug meist am Brühl und verlief über Hainstraße, Markt (Westseite), Petersstraße, Preußergässchen, Neumarkt, Reichsstraße, Salzgässchen zum Markt.

In der Corona-Zeit muss Leipzig zwei Jahre lang auf seinen Straßenkarneval verzichten. 2023 steht er wegen explodierender Kosten, etwa für die Straßenreinigung, auf der Kippe. Durch eine Crowdfunding-Aktion, bei der Spenden gesammelt werden, kann er aber in letzter Minute gerettet werden. 2024 wurde der 25. Geburtstag des Spektakels gefeiert: Bunt geschmückte Wagen rollen an tausenden Zuschauern vorbei und verteilen Konfetti, Bonbons und Frohsinn. Die im Förderkomitee Leipziger Karneval organisierten Vereine zeigen Ausschnitte aus ihren Programmen vor dem Alten Rathaus auf dem Markt.

Stand: 11.02.2024

Neuer Israelitischer Friedhof

Delitzscher Straße 224 | Ortsteil: Eutritzsch

„Stärker als der Tod ist die Liebe“ steht über dem Eingang der Trauerhalle. Es ist ein schmuckloser Bau aus den 1950er-Jahren. Er steht hinter einer Mauer an der Delitzscher Straße. Von außen ist der Blick auf die Gräber des Neuen Israelitischen Friedhofs unmöglich. Doch das sollte niemanden abschrecken, diesen besonderen Erinnerungsort unter vielen alten Bäumen zu erkunden. Wer dort entlang spaziert, kann auf den Grabsteinen viele Namen entdecken, die untrennbar mit der Leipziger Geschichte verbunden sind. Jenen des Musikers und Chorpädagogen Barnet Licht beispielsweise, der den Synagogenchor geleitet hat. Zu finden ist auch das Grab von Werner Sander, der 1963 den Leipziger Synagogalchor gründete. Oder jenes des Pelzkönigs Chaim Eitingon, der Leipzig ein Krankenhaus schenkte. Der Neue Israelitische Friedhof ist nach der ersten, nicht mehr existierenden Begräbnisstätte im Johannistal und dem Alten Israelitischen Friedhof an der Berliner Straße die dritte jüdische Ruhestätte in Leipzig. Wie alle jüdischen Friedhöfe erlebt das Areal eine wechselvolle Geschichte.

Ein jüdischer Friedhof für die Ewigkeit


Das Land am nördlichen Stadtrand gehört der
Israelitischen Religionsgemeinde seit 1901. Damals ist absehbar, dass der bisherige Alte Friedhof nicht ausreicht. Nach der Halacha, den rechtlichen Überlieferungen des Judentums, dürfen Gräber nicht doppelbelegt oder ausgehoben werden. Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit bestimmt. 1925 startet der Bau der Anlage nach Plänen des Leipziger Gartenarchitekten Otto Moosdorf. Imposant wird die Trauerhalle, die der Architekt Wilhelm Haller entwirft. Es ist eine Dreiflügelanlage, die Funktionsräume um einen zentralen Kuppelbau beherbergt. Die 21 Meter hohe monumentale Kuppel prägt durchaus den gesamten Stadtteil.

Der Neue Israelitische Friedhof an der Delitzscher Landstraße (heute Delitzscher Straße) wird am 6. Mai 1928 feierlich geweiht. Bereits zehn Jahre später, beim Novemberpogrom 1938 fallen die Flügelbauten der Trauerhalle einem Brandanschlag der Nationalsozialisten zum Opfer. Die Kuppelhalle kann dem Feuer zwar widerstehen. Doch am 24. Februar 1939 wird sie auf Betreiben der Stadtverwaltung gesprengt. Bereits 1936 ordnet diese die Einebnung des ersten jüdischen Friedhofs im Johannistal an der Stephanstraße an.

Messjuden gründen ersten jüdischen Friedhof Leipzigs


Dieser Friedhof wird 1814 von Messjuden aus dem galizischen Brody außerhalb der Stadtmauern gegründet. Dafür gibt es einen simplen Grund: Es ist einfach mühsam, während der
Leipziger Messe Verstorbene zu überführen. Die Stadtväter wissen jedoch, welchen beträchtlichen Nutzen ein Messebesuch polnischer Juden dem Handelsplatz Leipzig bringt. Deshalb entsteht der Friedhof lange bevor sich in Leipzig eine jüdische Gemeinde etablieren darf. Für Beisetzungen wird er bis 1864 genutzt. Seine Geschichte wird von der Historikerin Karin Löffler in einem Buch aufgearbeitet, das im Lehmstedt-Verlag erschienen ist. Die Gemeinde muss das Areal 1937 beräumen. Das ist nach jüdischem Glauben ein Tabubruch: Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit angelegt und dürfen nicht aufgegeben werden. Dennoch werden Gebeine exhumiert, in kleine Leinensäcke gepackt und auf den Neuen Israelitischen Friedhof überführt. Ebenso 17 Grabsteine.

Nach dem Zweiten Weltkrieg können dort Aufräumungsarbeiten beginnen. Urnen aus Konzentrationslagern sowie verstorbene oder ermordete polnische Juden aus dem nahe gelegenen Zwangsarbeiterlager werden hier ebenfalls bestattet.

Ab 1948 finden wieder reguläre Begräbnisse statt. Ein Mahnmal für die 14.000 im Nationalsozialismus ermordeten Leipziger Bürger jüdischen Glaubens wird 1951 errichtet. Es entsteht zudem eine viel kleinere, bescheidenere Trauerhalle mit rituellen Räumen, die nach Plänen des Architekten Walter Beyer von 1953 bis 1955 gebaut wird. Im Innern wird eine Gedenktafel aufgehängt, die an die Zerstörung der alten Kuppelhalle erinnert.

Nach Zuwanderung ist mehr Platz nötig


Seit 1993 ist der Neue Israelitische Friedhof ein Kulturdenkmal. Auch einzelne Grabmale sind geschützt. In den 1990er-Jahren ist die Gemeinde aufgrund der Zuwanderung von Menschen jüdischen Glaubens aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion stark gewachsen. Die Gemeinde muss das Areal für ihre Toten erweitern. Das Gelände gehört ihr zwar. Ein Teil davon ist allerdings an einen benachbarten Kleingartenverein verpachtet. Zwei Dutzend Parzellen müssen letztlich weichen, was sogar Gerichte beschäftigt.

Inzwischen ist es wieder ruhig um den Friedhof geworden. Die Gemeinde arbeitet daran, ihn besser in die städtische Erinnerungskultur zu integrieren sowie intensiver zu erforschen. Bei der Sanierung der Universitätsbibliothek Albertina werden 1998 Fragmente von neun Thorarollen gefunden. Die werden ein Jahr später auf dem Friedhof beerdigt. Die Handschriften stammen aus polnischen Synagogen und wurden dort von den Nationalsozialisten geraubt.

Trotz der Bemühungen der Gemeinde und der Unterstützung der Stadt Leipzig befinden sich viele Grabanlagen in schlechtem Zustand. Oft gibt es keine Nachkommen oder sie leben weit verstreut in der Welt. Der Aufwand zur Erhaltung des Friedhofs ist riesig – es gibt allerdings auch viel Engagement in der Stadtgesellschaft.

HTWK erforscht Gräber mit Bodenradar


Eta Zachäus
von der Israelitischen Religionsgemeinde ist die gute Seele des Friedhofes, die die Erforschung und die Neugestaltung des Areals beflügelt. Dabei steht ihr der Leipziger Historiker Steffen Held zur Seite, der in akribischer Archivarbeit zur Aufklärung beiträgt und Führungen über den Friedhof anbietet.

Einzigartig ist ein gemeinsames Projekt mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig. Forscher der HTWK um Geotechnik-Professor Ralf Thiele sowie Architekt Ronald Scherzer-Heidenberger, Professor für Regionalplanung und Städtebau, vermessen die jüdische Ruhestätte mittels Bodenradar. Sie blicken in den Untergrund, ohne den Boden umzuschichten. Untersucht wird, ob sich an den vermuteten Stellen tatsächlich Gebeine befinden. Oder auch Urnen, die es im liberalen Judentum durchaus gibt. Oft werden die Urnen auch im Sarg beigesetzt. Im Holocaust wurden jüdische Leichen ebenfalls verbrannt.

Und es wird erkundet, wohin die Gräber und Gebeine des Alten Johannisfriedhofs in der nationalsozialistischen Zeit gewaltsam versetzt wurden. Es gibt Unterlagen und Sterbebücher. Aber viele Daten fehlen noch. „Wir sind dabei eine Datenbank zu erstellen, um sagen zu können: Ja, der Mensch ist wirklich hier beerdigt“, so Eta Zachäus.

Gemeinsam mit der Gemeinde werden Pläne zur behutsamen Neugestaltung des Parkfriedhofes entwickelt. Die in den vergangenen Jahren frei angelegten Grabfelder sollen sich in ein schlüssiges Gesamtkonzept integrieren. Die neuen Gräber sind Ausdruck einer Bestattungskultur in Ländern, in denen die eingewanderten Juden einst lebten. Dort sind beispielsweise Bildnisse und Kunstblumen an Gräbern üblich – was durchaus zu Konflikten mit der Friedhofsleitung führt. Gräber mit besonderer historischer Bedeutung – etwa die Umbettungen vom Johannisfriedhof – sollen zudem besser erkenntlich sein.

Stand: 28.06.2024

Nabert, Thomas

Historiker, Geschäftsführer | geb. am 9. September 1962 in Thale/Harz

Er sieht sich nicht als Verleger, vielmehr als Büchermacher. Dabei hat Thomas Nabert, der Geschäftsführer des Vereins Pro Leipzig, seit vielen Jahren etliche Bücher geschrieben oder als Herausgeber an ihnen mitgewirkt. Die Liste der bei Pro Leipzig erschienenen Titel ist mit rund 370 sehr groß. Sein Hauptaugenmerk richtet der Verein jedoch darauf, Bürger zu aktivieren, sich kritisch mit ihrer Stadt und den entsprechenden Planungen auseinanderzusetzen und selbst behutsame Ansätze zur Stadtentwicklung beizutragen. Aus dieser Idee heraus ist Pro Leipzig entstanden. Thomas Nabert ist seit Sommer 1991 dabei.

Geboren wird er am 9. September 1962 in Thale. Im Harz wächst Thomas Nabert zunächst in ländlicher Idylle auf und geht in Allrode zur Polytechnischen Oberschule. Die Mutter, eine Gemeindeschwester, zieht nach der Trennung vom Vater nach Meuselwitz. Meuselwitz wird für Thomas ein wenig zum „Kulturschock“. Dort gibt es plötzlich mehrstöckige Häuser mit einer gewissen Braunkohle-Patina, wie er es später nennt. Er erlebt den neuen Ort gerade am 1. Mai, als die Kampfgruppen aufmarschieren. Das kennt er von seinem Dorf, das ein wenig „hinterm Berg“ liegt, nicht. Jenes Tamtam habe ihn erschreckt, erinnert er sich. Das Abitur legt er 1981 auf der Erweiterten Oberschule in Meuselwitz ab.

Als Heizer in der Braunkohle


Im Braunkohlekombinat Regis beginnt er im August 1981 eine Tätigkeit als Heizer. Er will die Zeit bis zum Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee und zum späteren Studium überbrücken. Die Zeit in der Kohle hat ihn geprägt, da die Arbeiter das Herz am richtigen Fleck haben und freimütig reden. Ihnen kann schließlich niemand drohen, sie „in die Kohle“ zu schicken, wie es in der DDR oft heißt. Denn dort arbeiten sie bereits.

Im September 1983 nimmt Thomas Nabert ein Studium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg auf. Ursprünglich will er Forstingenieur werden. Doch das Interesse für Geschichte ist größer. Also lässt er sich zum Diplomlehrer für Geschichte ausbilden. In den Schuldienst geht er nicht, stattdessen schließt sich ein Forschungsstudium in Neuer Geschichte an. Schwerpunkt an der Universität ist dabei Adel und Großgrundbesitz. Nebenberuflich unterrichtet Nabert Geschichte an der Volkshochschule, an der Schüler damals ihren Schulabschluss nachholen können. Heute gibt es dafür spezielle Abendschulen. Seit 1984 lebt er in Leipzig, lernt hier seine spätere Frau Andrea kennen, die ebenfalls viel publiziert.

Die Sorge um die historische Identität


Im Sommer 1990 trifft Nabert auf
Bernd Sikora, einen seiner späteren Mitstreiter. Sikora gehört zu jenen engagierten Bürgern, die sich schon 1988 bei einem Ideenwettbewerb fürs Stadtzentrum einbringen wollen. Sie eint die Sorge, dass Leipzigs gründerzeitliche Bausubstanz immer mehr verfällt, die Stadt von Tagebauen umklammert wird, ihre Identität verlieren könnte. Nabert erlebt das Drama, wie sich die Braunkohlebagger sowohl im Süden als auch im Norden an Leipzig heranfressen, bei seinen Fahrten von Meuselwitz nach Halle oder Leipzig, hautnah. „Der Verfall tat mir im Herzen weh“, sagt er. Und er wird großer Fan des Buches „Leipziger Landschaften“, in dem Bernd Sikora, Nobert Vogel und Peter Guth 1987 schonungslos den Verfall dieser Kulturlandschaften aufarbeiten. Er hat zunehmend weniger Lust, auf eine Assistenz an der historischen Fakultät der Uni Halle. Deshalb nutzt er die Chance, bei Pro Leipzig mitzutun.

Dabei gilt der 21. Februar 1991 als Geburtsstunde der Initiative. An jenem Tag treffen sich im Gasthaus „Goldene Krone“ in Connewitz Persönlichkeiten wie beispielsweise Bernd-Lutz Lange, Gunter Böhnke, Wolf-Dietrich Rost, Heinz-Jürgen Böhme, Detlef Lieffertz und Gudrun Neumann. Sie wenden sich mit einem Appell „Pro Leipzig“ an die Öffentlichkeit. Eine Ausstellung „Pro Leipzig. Ansätze zur behutsamen Stadterneuerung“ im Messehaus am Markt legte schon im November 1990 den Finger in die Wunde. Die gibt dem späteren Verein, der sich am 25. Februar 1993 gründet, seinen Namen.

Ein unermüdlicher Büchermacher


Zunächst geht es darum, Strukturen aufzubauen, wobei der Verein Wissenschaftszentrum Leipzig hilft. Dort ist Nabert zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Ab 1993 wird Thomas Nabert, der kurz zuvor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über Neuere Geschichte promoviert, Geschäftsführer von Pro Leipzig. Zwei Jahre wird Pro Leipzig institutionell gefördert und etabliert sich bis Mitte der 1990er. Nabert ist für die Publikationen im Eigenverlag des Vereins zuständig. „Damit finanzieren wir unsere Arbeit“, sagt er.

Große Sprünge lassen sich da allerdings nicht machen, wobei der Anspruch des Vereins groß ist. Los geht es zunächst mit 18 Heften übers Waldstraßenviertel, in dem der Verein bis 2020 sein Domizil hat. Erschienen sind ebenfalls 70 Stadtteilhefte, die mit ihrer blassgelben Optik ein Markenzeichen von Pro Leipzig sind. Das zusammengetragene Wissen wird in Datenbanken festgehalten. Zudem entstehen Studien fürs Grünflächenamt – etwa über Parks und die Naherholung. Vieles davon wird publiziert.

„Der stärkste Antrieb sind meine persönlichen Interessen“, betont Nabert. „Das ist ein großer Vorteil anderen gegenüber, die ihre Arbeitszeit absolvieren und auf die Freizeit warten.“ Bücher zu machen, sei seine Leidenschaft. Und er bohrt gern tief, um möglichst noch eine zusätzliche Quelle oder ein historisches Foto zu finden. Bislang hat Nabert an 54 Einzelpublikationen, 85 Buch- und Zeitschriftenbeiträgen, 80 Studien mitgewirkt und 95 Bücher gestaltet.  Besonders stolz ist er, die Geschichte seines Heimatortes Meuselwitz geschrieben und mehrere Bücher rund um Möbel verfasst zu haben. Ein Highlight sind ebenfalls die Stadtteillexika, die historischen Postkarten-Bücher sowie das Buch „Zeitspiegel“ über das gerettete Fotoarchiv von Hans Lindner, das er gemeinsam mit Heinz-Jürgen Böhme publiziert.

Einen großen Anteil hat Nabert an der Herausgabe des Stadtlexikons A-Z von Horst Riedel. Es erscheint 2012 in überarbeiteter Auflage. „Das tausendjährige Leipzig“ heißt eine dreibändige Publikation von Peter Schwarz – ebenfalls ein Highlight aus dem Programm.

Studie zeigt Vision von Radweg auf


Der Verein erfährt bis zur Jahrtausendwende viel Wertschätzung und hat richtig Einfluss.
Das schlägt sich nieder in Erfolgen wie dem Elster-Saale-Radweg auf der in den 1990ern stillgelegten Bahnstrecke Leipzig-Lützen, der auf der Idee und einer Studie von Pro Leipzig beruht. Inzwischen ist der Einfluss der Bürgervereine längst geringer geworden. Nabert und seine Mitstreiter müssen erfahren, dass Beteiligung in der Leipziger Wirklichkeit oft „ein eher unerwünschtes Ärgernis“ ist. Viele Beteiligungsverfahren sind kaum noch ergebnisoffen, werden pro forma durchgeführt, die Ergebnisse geglättet. Beispiele dafür sind die Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache oder Debatten um den Wilhelm-Leuschner-Platz. Nabert wird dennoch unermüdlich weitermachen – arbeitet bereits an neuen Publikationen. Und ist in der Freizeit oft beim Volleyball spielen, Laufen, Wandern und Rad fahren anzutreffen.

Stand: 16.02.2025

Bildergalerie - Nabert, Thomas

Musikpavillon Leipzig

Anton-Bruckner-Allee 11 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Entspannt sitzen die Menschen bei Kaffee, Bier oder Bionade im Grünen. Im Musikpavillon im Clara-Zetkin-Park wird an den Wochenenden bei sommerlichen Temperaturen regelmäßig zum Kaffee aufgespielt. Die Gastronomie und der Biergarten am Pavillon sind ein beliebter Treffpunkt. Seit mehr als 100 Jahren ist der Musikpavillon Teil einer langen Tradition von Kunst und Musikkultur im Grünen. Pro Saison gibt es dort bis zu 40 Veranstaltungen. Aber auch bei Fußballspielen steppt der Bär. Seit 2020 können die Gäste regelmäßig alle Fußballspiele einer Weltmeisterschaft oder die Live-Spiele der Europameisterschaft auf mehreren großen LED-Fernsehern schauen. Und bei den Musikveranstaltungen wird oft der Geist von damals heraufbeschworen. „Mir ist es wichtig, gepflegte Musikkultur anzubieten“, sagt der Leipziger Gastronom Eberhard Wiedenmann, der den Musikpavillon restaurieren ließ und betreibt. Die Gastronomie ist ganzjährig geöffnet.

Bürger wünschen sich Konzerte im Park


Den Musikpavillon in seiner heutigen Form gibt es seit September 1912. Erste Ideen für solch einen Bau im damaligen
König-Albert-Park lassen sich allerdings bis ins Jahr 1908 zurückverfolgen. Bürger äußerten damals den Wunsch, den Park durch öffentliche Konzerte zu beleben. Die Stadtverwaltung empfiehlt daraufhin, den Konzertplatz längs der Achse des vorderen Teiches zu errichten. Dort gibt es breite Promenadenwege und Bänke. Fürs Publikum bestehen also ausreichend Möglichkeiten, den Konzerten beim Flanieren zu lauschen oder zu verweilen. Umgesetzt wird ein Entwurf von Stadtbaurat Otto W. Scharenberg, dem Leipzig auch das Stadtbad in der Eutritzscher Straße zu verdanken hat.

Scharenberg skizziert 1909 einen achteckigen Pavillon, an dessen Seiten Markisen angebracht werden sollen. Damit das Bauvorhaben aus Stiftungsmitteln finanziert werden kann, soll der Pavillon nur aus Beton und Eisen hergestellt werden.

Ein Jugendstilbau mit schiefergedeckter Kuppel


Am 14. September 1912 wird der neue Musikpavillon nach viermonatiger Bauzeit übergeben. Es ist ein Jugendstilbau aus Beton und acht Stahlträgern, die eine schiefergedeckte Dachkuppel tragen. Die Dachkonstruktion ist aus Holz. Die Seitenwände sind offen. Die Innenfläche ist mit einem Gitter umzäunt und bietet 40 Musikern Platz. Die Kosten (etwa 12.540 Mark) werden aus Stiftungsmitteln der Oskar-Meyer-Stiftung und der Grossmann-Stiftung finanziert.

Zu den Konzerten spielen zunächst Militärkapellen. Das ist für die Stadtverwaltung günstiger. Private Orchester, die es damals in der Musikstadt Leipzig reichlich gibt, möchten sich ebenfalls dem Publikum präsentieren. Das ist wenig verwunderlich, da bei schönem Wetter bis zu 2.000 Menschen die Veranstaltungen besuchen. Die musikalische Umrahmung an Sonntagen übernehmen schließlich die damals bekannten Musiker Custav Curth (Krystallpalast Varieté und Varieté Haus Dreilinden) sowie Günther Koblenz, der unter anderem mit dem Grotrian-Steinweg-Orchester arbeitet. Die Freitage bleiben weiterhin den Militärkapellen vorbehalten.

Schon ab 1920 werden die Konzerte eingestellt – vor allem aus Kostengründen. In den darauffolgenden Jahren wird der Pavillon nur noch unregelmäßig genutzt – etwa von Gesangsvereinen und Schulchören. 1924 verpachtet die Stadt das bei den Leipzigern beliebte Ausflugsziel an das Leipziger Großhandelshaus Rothe und Ballschuh. Es bietet diverse Getränke und Spezialitäten an, finanziert so den Betrieb. Der Wunsch, durch den Zulauf mehr Tische und Stühle aufstellen zu dürfen, wird aber von der Gartendirektion mehrfach abgelehnt. 1926 erklärt die Stadtverwaltung den Platz vor dem Pavillon zum Richard-Strauss-Platz. Das ist auch ein Grund, warum der Ort heute Teil des Leipziger Notenbogens des Vereins Leipziger Notenspur geworden ist. Musik erklingt dort zu jener Zeit allerdings eher selten.

1955 entsteht der Zentrale Kulturpark „Clara Zetkin“. Dabei wird auch der Musikpavillon renoviert, eine Freizeitfläche am Richard-Strauss-Platz entsteht. In den folgenden Jahrzehnten werden am Pavillon viele Veranstaltungen angeboten – vom Blasorchester über Tanz bis hin zur Kaffeehausmusik.

Gastronom bietet wieder Kaffeehausmusik


Ab 1990 wird es wieder still um den Pavillon, dessen Zustand zusehends maroder wird. Die Stadtverwaltung unternimmt einige erfolglose Versuche, einen geeigneten Pächter zu finden. Das gelingt erst 2004 mit dem Unternehmer Eberhard Wiedenmann. Schon ab 2008 beginnt der Gastronom, zunächst sporadisch, die Tradition der Kaffeehauskonzerte wiederzubeleben. Die fachgerechte, keineswegs kostengünstige Restaurierung des Pavillons – begleitet vom Architekturbüro R. Keil – dauert aber einige Jahre. Bis zum 100. Geburtstag des Pavillons gelingt sie.

Studenten der Hochschule für Grafik und Buchkunst des Fachbereichs für Malerei und Grafik haben dafür unter der Leitung ihres Professors Heribert C. Ottersbach ein zeitgenössisches Bild auf die Pavillondecke gezaubert. Es reflektiert die Geschichte des Ortes. Ursprünglich war so ein Deckengemälde schon zur Eröffnung geplant – damals wird aus Geldmangel darauf verzichtet. Am 14. September 2012 können die Besucher bei einer Jubiläumsfeier ihren neuen alten Musikpavillon wieder in Besitz nehmen. Er ist längst wieder zu einem Publikumsmagneten geworden – dort treten inzwischen sogar eigens dafür gegründete Ensembles, wie das Musikpavillon Salonorchester Thomas Krause sowie das Musikpavillon Swing Trio, auf.

Stand: 05.10.2024

Bildergalerie - Musikpavillon Leipzig

Historisches Bildmaterial - Musikpavillon Leipzig

Leipziger Messe

Messe-Allee 1 | Ortsteil: Seehausen

An zwei Stellen musste die seit über 800 Jahren stattfindende Leipziger Messe nach 1990 neu verortet werden – in der Marktwirtschaft und auf einem neuen, funktional gestalteten Areal. Beide miteinander verwobenen Entwicklungsschübe entsprangen wirtschaftlichen Notwendigkeiten in einer zunehmend globalisierten Ökonomie. Für Aussteller und Besucher ist die Leipziger Messe seit 1996 identisch mit dem neuen Gelände im Norden der Stadt. Den angemessenen Inhalt bilden Fachmessen und zahlreiche Kongresse.

Passendes Areal für das Fachmesse-Konzept


Fällt der Name Kipsdorf, denken Führungskräfte der Leipziger Messe nicht zuerst an den malerischen Ferienort im Osterzgebirge, sondern an eine legendäre Klausur, zu der Messechef
Kurt Schoop Ende 1991 in die Mittelgebirgs-Abgeschiedenheit eingeladen hatte. Die Positionsbestimmung geriet hart und fundamental: Will sich die Messe im umkämpften internationalen Wettbewerb erfolgreich behaupten, muss sie sich zügig vom historisch über Jahrzehnte entstandenen Geflecht der vielen, inzwischen veralteten Ausstellungspaläste in der Innenstadt und vom Gelände der Technischen Messe (heute: Alte Messe) im Südosten der Stadt lösen und auf ein vollkommen neues Gelände ziehen, das – dem Zug der Zeit entsprechend – außerdem Entfaltungsmöglichkeiten für große Kongresse bieten sollte. Der Beschluss war gefallen, der Abschied von der Universalmesse eingeleitet. Das blasser gewordene Doppel-M der Mustermesse musste aufpoliert werden.

Es war wohl der härteste Einschnitt in der Leipziger Messegeschichte, die bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, aber ein unverzichtbarer, keinen Aufschub duldender Schritt. In der Frühphase der deutschen Einheit hatte der Bund außerdem signalisiert, dass er den strategischen Schwenk der Leipziger finanziell großzügig fördern würde. Besser hätte der Neustart bei weiter laufenden, aber allmählich abklingenden Ausstellungen an den traditionellen Orten nicht laufen können. Die Leipziger Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass „ihre“ Messe aus der Innenstadt wegzieht, war indes eine Herausforderung.

Doch zunächst musste gebaut werden, was das Zeug hält. Das geeignete Gelände war schnell gefunden – Teile des stillgelegten Flughafens Leipzig-Mockau. Die Planungsprozesse verliefen in einem Tempo, das heutzutage neidisch stimmt. Für Architekten lautete die Herausforderung, neuen Ausstellungskonzepten eine passende, bestandskräftige Hülle zu schneidern.

Tempo und Flexibilität – Messen mitten im Markt


Das beauftragte Büro Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg entwarf eine lineare Abfolge von Baukörpern, die sich bei Bedarf ausdehnen ließen, ohne während der Bauzeit das Geschäft in den vorderen, bestehenden Hallen zu beeinträchtigen. Von der Innenstadt her übernahm die Straßenbahn (später zusammen mit der S-Bahn) die Verkehrserschließung. Sie bringt die Besucher in eine Geländemulde mit einem künstlichen See und der weithin sichtbaren Glashalle des englischen Stararchitekten
Ian Ritchie mit einer Kuppel aus 20.000 Quadratmetern Glas. Deren Gestalt nimmt erkennbare Anleihen an einer der markanten Längsbahnsteighallen des Leipziger Hauptbahnhofs.

Vor der Glashalle begrüßt die monumentale „Rose“ von Isa Genzken die Besucher. Sie ist eines von vielen Kunstwerken, denen die Messegäste auf dem Freigelände oder in den Gebäuden der Leipziger Messe begegnen. Eigens für das neue Messegelände haben Künstler aus aller Welt im Rahmen des Projekts „Kunst in der Leipziger Messe“ spannende Werke geschaffen, darunter Wandmalereien, subtile Textarbeiten und Installationen. Unter anderem befinden sich hier Arbeiten von Martin Kippenberger, Sol LeWitt, Olaf Nicolai, Daniel Buren und Jorge Pardo, nach dessen Entwürfen die International Business Lounge gestaltet wurde. Bereits während der Bauphase waren die Künstler eingeladen, sich auf dem Gelände geeignete Plätze für ihre Arbeiten auszusuchen.

Von der Glashalle als strahlendes Entree führen über Treppen und transparente Übergänge die Wege in die fünf Messehallen. Die am schnellsten erreichbare Halle gibt sich funktional und ist zugleich die größte. In kurzen Abständen schließen sich zu beiden Seiten der Glashalle vier identische weitere Hallen an. Sie können einzeln und terminversetzt genutzt oder für die größten Fachmessen miteinander kombiniert werden. Mehr als 100.000 Quadratmeter beträgt die Ausstellungsfläche.

Schräg gegenüber vom Verwaltungsgebäude der Messegesellschaft lädt das Congress Center Leipzig mit seinen unterschiedlich großen Sälen ein. Sie verleihen Kongressveranstaltern die gewünschte Flexibilität je nach Teilnehmerzahl.

Rekordverdächtige Bauzeit


Gebaut wurde das Messegelände zwischen 1993 und 1996. Die Anfangsinvestition lag bei 1,2 Milliarden DM (rund 600 Millionen Euro). Zur Grundsteinlegung am 25. August 1993 kamen Bundeskanzler
Helmut Kohl und der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit einer ansehnlichen Ministerriege. Die Eröffnung vollzog Bundespräsident Roman Herzog am 12. April 1996. Die Festrede hielt der tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus, der damit den gewachsenen, hohen Anspruch der Leipziger Messe unterstrich, Drehscheibe des Ost-West-Handels zu sein.

Rund dreißig Fachmessen und ein dichter Kongress-Kalender mit insgesamt etwa 1,2 Millionen Besuchern bilden das jährliche Leipziger Programm. Ein sicheres Gespür für herangereifte Themen ist die Voraussetzung für vordere Plätze im Standortwettbewerb. Damit verteidigt Leipzig seine Position im Kreis der zehn führenden Messeplätze bundesweit. Während sich äußerlich an den Ausstellungs- und Kongressbauten seit der Eröffnung vor einem Vierteljahrhundert wenig verändert hat, stecken Fortschritt und Innovationsgeschwindigkeit vor allem in den rasch aufeinanderfolgenden Generationen von Informations- und Kommunikationstechnik für Aussteller, Besucher und Medienvertreter. Damit und mit ihrer hohen, in Fachkreisen mehrfach gewürdigten Service-Orientierung untermauert die Leipziger Messe ihren nationalen und internationalen Marktauftritt.

Globale Medienauftritte


Zu globaler Präsenz schaffte es das Leipziger Messegelände im Dezember 2005, als hier die Gruppenauslosung für die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 stattfand. Milliarden Zuschauer folgten der Winter-Saga aus Leipzig vor dem Beginn des Sommermärchens ein halbes Jahr später. Eine ähnliche, zeitlich noch ausgedehntere Nutzung, erfolgte im Sommer 2024. Während der UEFA EURO 2024 erwies sich die Leipziger Messe als starker Partner für die Veranstaltung. I
n Halle 4 war mit dem International Broadcast Center (IBC) das zentrale Medienzentrum eingerichtet: Hier wurden alle Sendeaktivitäten rund um die Fußball-EM gebündelt. 900 internationale Experten sorgten für die reibungslose Übertragung aller Spiele in die ganze Welt.

Stand: 22.01.2022

Leipziger Eistraum

Augustusplatz | Ortsteil: Zentrum

Winterliebhaber, Eisprinzessinnen und alle, die sich auf dem Eis mal ausprobieren wollen sind beim Leipziger Eistraum genau richtig. Denn die Eisbahn auf dem Augustusplatz vor dem Opernhaus lädt jährlich zum Open Air Schlittschuhfahren ein.

Rundherum ums Eisparadies


Pünktlich zu Jahresbeginn wird der Augustusplatz zum Winterwonderland. Von Januar bis März steht hier die größte mobile Eisbahn Deutschlands. Mit ihren 960 Quadratmetern führt die runde Eisfläche einmal um den Opernbrunnen herum – die perfekte Kulisse für ein Wintererlebnis. Bereits seit 2017 betreibt die Bergmann Eventgastronomie den Leipziger Eistraum. Nach einer dreijährigen Pause können seit 2024 wieder täglich von 10 bis 22 Uhr Runden gedreht werden. Für die optimale Ausrüstung steht ein Schlittschuhverleih parat, an dem auch Lauflern-Pinguine ausgeliehen werden können.

Direkt daneben bietet das Panorama-Riesenrad mit seinen 24 Gondeln einen perfekten Blick über den Platz. Bis auf 45 Meter Höhe geht es damit hinauf, womit es das größte Riesenrad ist, das je in Leipzig seine Runden gedreht hat. Zwischen der Eisbahn und den Treppen der Oper ist eine Eisstockbahn aufgebaut. Bis zu 8 Personen können hier ihre Eisstöcke ins Ziel rutschen lassen.

Auch kulinarisch hat der Leipziger Eistraum einiges zu bieten. An den Ständen können wärmender Glühwein und Punsch sowie herzhafte Leckereien und süße Snacks erworben werden. Wer lieber aus der winterlichen Kälte fliehen möchte, findet in der beheizten Holzhütte „Schmankerl Alm“ Zuflucht. Zum Verweilen laden Heiß- und Kaltgetränke sowie herzhafte Speisen ein. Die Almhütte kann auch für exklusive Feiern gemietet werden. Bis zu 50 Personen finden insgesamt Platz, um den Geburtstag oder die Firmenfeier ausgiebig zu genießen.

Der Leipziger Eistraum bietet auch jährliche Events an, die man nicht verpassen sollte. So findet ein Kinderfasching statt, das Fantreffen der IceFighters und auch Holzbauer- und Eisbildhauerkunst kann bestaunt werden. An einem Tag wird traditionell die längste Glühwein-Bar eröffnet und man kann sich durch 20 verschiedene Glühweine testen.

Stand: 10.02.2025

Kotte, Henner

Schriftsteller, Stadtführer, Moderator, Theaterkritiker | geb. am 17. August 1963 in Wolgast, gest. am 6. Dezember 2024 in Leipzig

Sein Leben findet sich in seinen Büchern. Henner Kotte schreibt Leipzig-Krimis, die bis ins Detail viel Lokalkolorit seiner Stadt versprühen. Krimi- und Stadtgeschichte(n) hält er in seinen Büchern fest. Oft führt er Menschen durchs Zentrum, um ihnen als Stadtführer berühmte Kriminalfälle zu erzählen. Er schreibt aber auch Sachbücher, wie zur Geschichte des Hotels Astoria, und geht populären sächsischen Legenden nach. Die Gose hat es ihm ebenfalls angetan. Zum 200. Geburtstag der Ritterguts Gose ist er Herausgeber einer reich bebilderten Festschrift, die diesem erstmals 1824 gebrauten Getränk gewidmet ist. Oft ist er im Stadtarchiv Leipzig anzutreffen. Denn seine Werke sind gut recherchiert. Doch auch aus dem prallen Leben schöpft er seine Inspiration.

Ein ehemaliger Leichtathlet wird zum Germanisten


Geboren wird Henner Kotte am 17. August 1963 in Wolgast. Das ist eher Zufall, denn seine Eltern, ein Dresdner Ärztepaar, sind gerade zum Praktikum in der Stadt an der Ostsee. Wenig später geht es zurück an die Elbe, wo er aufwächst und zur Schule geht. Von der 8. Klasse an besucht er eine Kinder- und Jugend-Sportschule und trainiert als Leichtathlet. 1978 kann er mit seinem Team sogar den Vize-DDR-Meistertitel in der 4×100-Meter-Staffel erreichen. Abitur macht er auf der Dresdener Kreuzschule. Dort ist er zwar nicht in der Sängerklasse des berühmten Knabenchores, aber sehr kreativ. Etwa bei Theateraufführungen.

Nach der Schule folgt der Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee an der Grenze in Berlin. 1984 kommt Henner Kotte nach Leipzig, um an der Karl-Marx-Universität (heute Universität Leipzig) Germanistik zu studieren. 1987/88 verschlägt es ihn für ein Semester an die Moskauer Lomonossow-Universität. Das Land ist gerade im Umbruch, in der Perestroika. Seine Diplomarbeit schreibt er über die assoziative Einschätzung von Vornamen. Es folgt ein Forschungsstudium Anfang der 1990-er Jahre in Mannheim. Dort lebt er ein wenig abseits, entdeckt seine Leidenschaft fürs Schreiben.

Gut recherchierte Kriminalfälle sind sein Elixier


Seit 1994 lebt Kotte dann wieder in Leipzig. Nach der Rückkehr ist er zunächst arbeitslos. Später unterrichtet er Deutsch als Fremdsprache. Eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme verschlägt ihn zum Literaturrat Sachsen sowie dem Förderkreis Freie Literatur. Für seine Kurzgeschichte „Taxi“ erringt Kotte 1997 den MDR-Literaturpreis.

Sein erstes Buch veröffentlicht er im Jahr 2000. Es heißt „Natürlich tot!“. Eine eigene kriminalliterarische Talkshow die „Schwarze Serie“ startet Kotte in der Moritzbastei. 2002 arbeitet Henner Kotte für den MDR. Es entsteht die Fernsehserie „Vergessene Akten“. Dort ist er in seinem Element, kann Kriminalfälle recherchieren.

Wie kaum ein anderer erforscht er die abgründigen Geschichten seiner Stadt Leipzig. Die erzählt er in seinen Büchern ebenso wie bei Stadtführungen. Dabei redet er von unbekannten und berühmten Menschen ebenso wie von jenen, die wie Woyzeck erst durch ihre Taten Berühmtheit erlangen und in die Literatur eingehen. Mit zahlreichen Krimis und Bänden mit authentischen Fällen wie „Leipzig mit blutiger Hand“ oder „Bonny und Clyde vom Sachsenplatz“ findet er sein Publikum. Dem Verbrechen auf der Spur ist er mit Kindern bei der KinderKrimiTour. „Auch die „Tatort“-Kommissare Ehrlicher und Kain erweckt er nach deren Aus in der Fernsehserie zu neuem literarischen Leben.

Eine Festschrift zur Gose


2021 folgt ein kultureller Reiseführer zur Geschichte jüdischen Lebens in Sachsen. Im selben Jahr erscheint sein Roman. Unter dem Titel „Die dreizehn Leben des Richard Rohde“ geht es um ein Dorf in der Oberlausitz, das der Kohle weichen muss. Sein letztes Werk heißt: „Die Gose schmeckt frühmorgens gut, ist abends keine Plage“. Da ist er der Herausgeber einer Festschrift, die zum 200-jährigen Brau-Jubiläum der Gose erscheint. Gemeinsam mit anderen Autoren, etwa dem Kabarettisten
Gunter Böhnke, Gose-Historiker Frank Heinrich sowie Gosebrauer Tilo Jänichen, hat er dafür Amüsantes und Abseitiges über das Getränk recherchiert. Und selbst Kriminelles kommt dabei nicht zu kurz.

Seine geliebte Leipziger Innenstadt und das Leben rund um den Bayerischen Bahnhof sind sein Lebenselixier. Doch das ist nun vorbei. In der Innenstadt bricht er zusammen, kommt ins Krankenhaus. Unerwartet ist Henner Kotte am 6. Dezember 2024 in Leipzig gestorben. Er wird nur 61 Jahre alt. Und viele Pläne, etwa ein Standardwerk zur kompletten Kriminalliteratur der DDR zu schreiben, bleiben unerledigt. Seine Führungen fehlen, doch die Bücher bleiben.

Stand: 14.12.2024

Bildergalerie - Kotte, Henner

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