Leipziger Messe

Messe-Allee 1 | Ortsteil: Seehausen

An zwei Stellen musste die seit über 800 Jahren stattfindende Leipziger Messe nach 1990 neu verortet werden – in der Marktwirtschaft und auf einem neuen, funktional gestalteten Areal. Beide miteinander verwobenen Entwicklungsschübe entsprangen wirtschaftlichen Notwendigkeiten in einer zunehmend globalisierten Ökonomie. Für Aussteller und Besucher ist die Leipziger Messe seit 1996 identisch mit dem neuen Gelände im Norden der Stadt. Den angemessenen Inhalt bilden Fachmessen und zahlreiche Kongresse.

Passendes Areal für das Fachmesse-Konzept


Fällt der Name Kipsdorf, denken Führungskräfte der Leipziger Messe nicht zuerst an den malerischen Ferienort im Osterzgebirge, sondern an eine legendäre Klausur, zu der Messechef
Kurt Schoop Ende 1991 in die Mittelgebirgs-Abgeschiedenheit eingeladen hatte. Die Positionsbestimmung geriet hart und fundamental: Will sich die Messe im umkämpften internationalen Wettbewerb erfolgreich behaupten, muss sie sich zügig vom historisch über Jahrzehnte entstandenen Geflecht der vielen, inzwischen veralteten Ausstellungspaläste in der Innenstadt und vom Gelände der Technischen Messe (heute: Alte Messe) im Südosten der Stadt lösen und auf ein vollkommen neues Gelände ziehen, das – dem Zug der Zeit entsprechend – außerdem Entfaltungsmöglichkeiten für große Kongresse bieten sollte. Der Beschluss war gefallen, der Abschied von der Universalmesse eingeleitet. Das blasser gewordene Doppel-M der Mustermesse musste aufpoliert werden.

Es war wohl der härteste Einschnitt in der Leipziger Messegeschichte, die bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, aber ein unverzichtbarer, keinen Aufschub duldender Schritt. In der Frühphase der deutschen Einheit hatte der Bund außerdem signalisiert, dass er den strategischen Schwenk der Leipziger finanziell großzügig fördern würde. Besser hätte der Neustart bei weiter laufenden, aber allmählich abklingenden Ausstellungen an den traditionellen Orten nicht laufen können. Die Leipziger Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass „ihre“ Messe aus der Innenstadt wegzieht, war indes eine Herausforderung.

Doch zunächst musste gebaut werden, was das Zeug hält. Das geeignete Gelände war schnell gefunden – Teile des stillgelegten Flughafens Leipzig-Mockau. Die Planungsprozesse verliefen in einem Tempo, das heutzutage neidisch stimmt. Für Architekten lautete die Herausforderung, neuen Ausstellungskonzepten eine passende, bestandskräftige Hülle zu schneidern.

Tempo und Flexibilität – Messen mitten im Markt


Das beauftragte Büro Gerkan, Marg und Partner aus Hamburg entwarf eine lineare Abfolge von Baukörpern, die sich bei Bedarf ausdehnen ließen, ohne während der Bauzeit das Geschäft in den vorderen, bestehenden Hallen zu beeinträchtigen. Von der Innenstadt her übernahm die Straßenbahn (später zusammen mit der S-Bahn) die Verkehrserschließung. Sie bringt die Besucher in eine Geländemulde mit einem künstlichen See und der weithin sichtbaren Glashalle des englischen Stararchitekten
Ian Ritchie mit einer Kuppel aus 20.000 Quadratmetern Glas. Deren Gestalt nimmt erkennbare Anleihen an einer der markanten Längsbahnsteighallen des Leipziger Hauptbahnhofs.

Vor der Glashalle begrüßt die monumentale „Rose“ von Isa Genzken die Besucher. Sie ist eines von vielen Kunstwerken, denen die Messegäste auf dem Freigelände oder in den Gebäuden der Leipziger Messe begegnen. Eigens für das neue Messegelände haben Künstler aus aller Welt im Rahmen des Projekts „Kunst in der Leipziger Messe“ spannende Werke geschaffen, darunter Wandmalereien, subtile Textarbeiten und Installationen. Unter anderem befinden sich hier Arbeiten von Martin Kippenberger, Sol LeWitt, Olaf Nicolai, Daniel Buren und Jorge Pardo, nach dessen Entwürfen die International Business Lounge gestaltet wurde. Bereits während der Bauphase waren die Künstler eingeladen, sich auf dem Gelände geeignete Plätze für ihre Arbeiten auszusuchen.

Von der Glashalle als strahlendes Entree führen über Treppen und transparente Übergänge die Wege in die fünf Messehallen. Die am schnellsten erreichbare Halle gibt sich funktional und ist zugleich die größte. In kurzen Abständen schließen sich zu beiden Seiten der Glashalle vier identische weitere Hallen an. Sie können einzeln und terminversetzt genutzt oder für die größten Fachmessen miteinander kombiniert werden. Mehr als 100.000 Quadratmeter beträgt die Ausstellungsfläche.

Schräg gegenüber vom Verwaltungsgebäude der Messegesellschaft lädt das Congress Center Leipzig mit seinen unterschiedlich großen Sälen ein. Sie verleihen Kongressveranstaltern die gewünschte Flexibilität je nach Teilnehmerzahl.

Rekordverdächtige Bauzeit


Gebaut wurde das Messegelände zwischen 1993 und 1996. Die Anfangsinvestition lag bei 1,2 Milliarden DM (rund 600 Millionen Euro). Zur Grundsteinlegung am 25. August 1993 kamen Bundeskanzler
Helmut Kohl und der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf mit einer ansehnlichen Ministerriege. Die Eröffnung vollzog Bundespräsident Roman Herzog am 12. April 1996. Die Festrede hielt der tschechische Ministerpräsident Vaclav Klaus, der damit den gewachsenen, hohen Anspruch der Leipziger Messe unterstrich, Drehscheibe des Ost-West-Handels zu sein.

Rund dreißig Fachmessen und ein dichter Kongress-Kalender mit insgesamt etwa 1,2 Millionen Besuchern bilden das jährliche Leipziger Programm. Ein sicheres Gespür für herangereifte Themen ist die Voraussetzung für vordere Plätze im Standortwettbewerb. Damit verteidigt Leipzig seine Position im Kreis der zehn führenden Messeplätze bundesweit. Während sich äußerlich an den Ausstellungs- und Kongressbauten seit der Eröffnung vor einem Vierteljahrhundert wenig verändert hat, stecken Fortschritt und Innovationsgeschwindigkeit vor allem in den rasch aufeinanderfolgenden Generationen von Informations- und Kommunikationstechnik für Aussteller, Besucher und Medienvertreter. Damit und mit ihrer hohen, in Fachkreisen mehrfach gewürdigten Service-Orientierung untermauert die Leipziger Messe ihren nationalen und internationalen Marktauftritt.

Globale Medienauftritte


Zu globaler Präsenz schaffte es das Leipziger Messegelände im Dezember 2005, als hier die Gruppenauslosung für die FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2006 stattfand. Milliarden Zuschauer folgten der Winter-Saga aus Leipzig vor dem Beginn des Sommermärchens ein halbes Jahr später. Eine ähnliche, zeitlich noch ausgedehntere Nutzung, erfolgte im Sommer 2024. Während der UEFA EURO 2024 erwies sich die Leipziger Messe als starker Partner für die Veranstaltung. I
n Halle 4 war mit dem International Broadcast Center (IBC) das zentrale Medienzentrum eingerichtet: Hier wurden alle Sendeaktivitäten rund um die Fußball-EM gebündelt. 900 internationale Experten sorgten für die reibungslose Übertragung aller Spiele in die ganze Welt.

Stand: 22.01.2022

Picture of Dr. Helge-Heinz Heinker
Dr. Helge-Heinz Heinker
Der in Leipzig-Connewitz geborene habilitierte Ökonom ist bekennender Eisenbahn- und Flugzeugfan. Er arbeitet als Wirtschaftsjournalist und ist (Mit)Autor von über 70 Publikationen, darunter eine Vielzahl von Abschnitten zur Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung seit dem 19. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Stadtgeschichte der Stadt Leipzig (Band 3 und 4), „Leipzig Hauptbahnhof. Eine Zeitreise“, „Boomtown Leipzig. Anspruch und Wirklichkeit“, „Wolfgang Tiefensee: Eine Biographie“ und „150 Jahre Straßenbahn für Leipzig“. Seit Mai 1999 moderiert er die Veranstaltungsreihe „Tourismusfrühstück“ sowie Kongresse, Tagungen und Fachveranstaltungen. An den Wochenenden tourt er öfters mit Touristen durch die Stadt und stellt ihnen bei der Stadtrundfahrt Leipzigs Attraktionen vor.
error: Dieser Inhalt ist geschützt! Es ist nicht gestattet, diesen Inhalt zu kopieren. Vielen Dank für Ihr Verständnis.