Gustav hat ein Bier in der Hand und sich inzwischen deutlich verjüngt. Und er hat in den sozialen Medien, auf die die Krostitzer Brauerei setzt, witzige Sprüche rund ums „Uri“ parat. Die Community macht eifrig mit, liefert viele eigene Ideen. Dabei huldigt die Brauerei in Krostitz eigentlich einem Kriegsherren, wird daher auch hin und wieder etwas „angefeindet“. Doch ihr berühmter Schwedenkopf geht auf den schwedischen König Gustav II. Adolf zurück, der während des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1631 den Ort besucht.
Der Feldherr, unterwegs mit seinen Truppen am 6. September von Düben aus in Richtung Leipzig, wird plötzlich von großem Durst geplagt. Den kann der Braumeister im Ort Crostitz – etwas abseits vom Wege gelegen – mit einem besonders würzigen Bier stillen. Der König leert die dargebotene Kanne, so sagt es zumindest die Legende, in einem Zug. Zum Dank schenkt er dem Braumeister einen mit einem Rubin besetzten Goldring. Inwieweit der Trunk ihn beflügelt, ist ebenso wie die Wahrheit der Geschichte schwerlich nachzuprüfen. Doch sie klingt gut. Der Schwede schlägt einen Tag später die kaiserlichen Truppen des Reichsgrafen Tilly in der Schlacht bei Breitenfeld. Der Braumeister nennt die Quelle, aus der das Wasser für das Bier kommt, fortan Schwedenquelle. Das königliche Konterfei entwickelt sich zum Markenzeichen Krostitzer Braukunst, deren Anfänge viel weiter zurückliegen.
Braurecht wird bei Brauereifest gefeiert
Herzog Georg von Sachsen, der Bärtige, beglaubigt bereits am 11. Mai 1534 einem seiner Getreuen die Besitz- und Gebrauchsrechte für das „forwerck crostewitz“ bei Leipzig. Darin enthalten ist das Braurecht für den Lehnsherren. Im Gut ist wahrscheinlich schon vorher gebraut worden. Doch an jenem 11. Mai 1534 wird das erstmals urkundlich erwähnt. Das historische Datum wird inzwischen aller fünf Jahre groß gefeiert – zuletzt beim Brauereifest im Mai 2024 zum 490. Geburtstag.
„Wenn das Bier nicht schmeckt, kaufen die Leute es nicht. Da hilft auch keine Tradition“, ist Ines Zekert, die PR-Chefin der Brauerei, überzeugt. Dieses Problem kennen die Krostitzer derzeit nicht. Die Marke wächst, die Brauerei stößt trotz Erweiterung oft an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Die Bezeichnung Ur-Krostitzer wird erstmals im Jahre 1904 verwendet, um sich gegen die Konkurrenz abzusichern. Sie versucht, im Leipziger Stadtteil Lindenau das Bier aus Krostitz nachzubrauen – ebenfalls unter Verwendung des Ortsnamen Krostitz. Doch das lässt das deutsche Recht nicht zu. Über das Patentamt wird schnell Abhilfe geschaffen. Dann siedelt sich die Konkurrenz ebenfalls in Krostitz an, geht aber pleite. In Leipzig bezogen damals 84 Restaurants und 110 Bierhandlungen Crostitzer Lagerbier, Dunkel und, je nach Jahreszeit, Bock oder Märzenbier.
Schwedenquell gibt es nur in Delikatläden
In der DDR steht das Ur-Krostitzer Bier hoch im Kurs. Es wird sogar eine Zeitlang als „Bückware“ verkauft, gegen die man vieles eintauschen kann. Außerdem hat der VEB Brauerei Krostitz das Privileg, die Delikatläden beliefern zu dürfen. Deshalb kann das deutsche Reinheitsgebot und damit der Ruf des Ur-Krostitzer Bieres bewahrt werden. Es entsteht die Marke Schwedenquell, die es bis heute gibt. Andere Sorten wie Hell, Bock, Pils, Doppelkaramel und Diät sind ebenfalls gefragt.
Nach der Friedlichen Revolution kommen die Retter aus dem Westen, die Brauerei wird Teil der Binding-Brauerei AG. Dahinter verbirgt sich der Oetker-Konzern. Die Biersparte heißt inzwischen Radeberger-Gruppe und hat vierzehn Standorte in ganz Deutschland, ihr Herz schlägt aber in Sachsen. Im neuen Jahrtausend angekommen liefert die Krostitzer Brauerei nun 335.000 Hektoliter in drei Sorten aus: Ur-Krostitzer Pilsner, Ur-Krostitzer Schwarzes und Schwedenquell. Deutschland hat übrigens die höchste Brauereidichte der Welt. Produziert werden hier 6.000 Biersorten. Diese können sich geschmacklich nicht allesamt unterscheiden, deshalb wird viel Geld ins Marketing gesteckt.
Ab 2011 engagiert sich die Radeberger Gruppe mit der Leitmarke Krostitzer Brauerei als Sponsor für den Fußballverein RasenBallsport Leipzig und ruft erstmals zum Ur-Krostitzer Wintergrillen auf. Es werden aber auch kleine Vereine wie der FSV Krostitz gefördert. Die Brauerei investiert 2015 in neue Maschinen in der Flaschenabfüllanlage. Dazu gehört auch eine 70 Tonnen schwere Flaschenreinigungsmaschine mit Energierückgewinnung. 2024 sponsert Krostitz erstmals das Domstufenfestival in Erfurt.
Großer Anklang für die „wahren Helden“
Inzwischen sind die Krostitzer laut Zekert „Deutschlands erfolgreichste Biermarke“. Zweimal im Sommer konnte bereits nicht genügend Bier ausgeliefert werden. Das Wachstum spricht für sich, bringt allerdings durch Arbeitskräftemangel oder gestiegene Energiepreise etliche Probleme mit sich. Der Biermarkt sinkt zwar seit gut zwanzig Jahren. Doch das „kleine gallische Dorf Krostitz“ behauptet sich gut. Seit 2008 wächst die Brauerei. Dafür sorgen auch die „wahren Helden“. Seit 15 Jahren fährt die Brauerei die erfolgreiche Kampagne „Wahre Helden stehen mitten im Leben“. Die Brauerei setzt sehr auf ihr Publikum, nahezu 5.000 Gäste besichtigen diese pro Jahr. 2017 wird erstmals die Ausstoßmenge von einer Million Hektoliter im Jahr übertroffen.
In der Ur-Krostitzer Brauerei werden diverse Marken der Radeberger Gruppe abgefüllt. Vom riesigen Ring des Königs gibt es eine Nachbildung, die im Tresor der Brauerei aufbewahrt wird. Der echte Ring ging wohl verloren. Ob die Anekdote stimmt, kann ohnehin keiner so wirklich überprüfen. PR-Chefin Zekert: „Die Leute können es aber nachvollziehen. Der König hat Hunger und Durst. Und das Bier schmeckt!“
Stand: 10.04.2024