Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss: Für Engelbert Lütke Daldrup ist es der Flughafen Berlin-Brandenburg. Zumindest beruflich gesehen. Bis zur Pensionierung hat er es geschafft, die „Dauerbaustelle“ bis zur Eröffnung des Flugbetriebes voranzubringen. Als vierter Flughafenchef seit Baubeginn 2006! Der frühere Staatssekretär versteht es sowohl mit Parlamenten und Regierungen, als auch mit Firmen umzugehen. Auch in Leipzig hinterlässt er als Planungschef seine Spuren.
Geboren wird Engelbert Lütke Daldrup 1956 in Kranenburg in Nordrhein-Westfalen. Seine Eltern sind Landwirte, die dann ins Münsterland ziehen. Dort wächst er auf und geht in Coesfeld zur Schule, macht 1975 am Städtischen Gymnasium Nepomucenum sein Abitur. Danach leistet er 16 Monate lang Zivildienst in einem Heim für behinderte Kinder in Nottuln. Es folgt ein Studium der Raum-, Stadt- und Regionalplanung an der Universität Dortmund. Seinen ersten Job bekommt er im Anschluss als Städtebaureferendar und zwei Jahre später als Baurat in Frankfurt/Main.
Städtebau in der Hauptstadt Berlin
Im Jahr 1985 zieht es ihn nach Westberlin, wo er Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Berlin (West) wird. Dort schreibt er seine Dissertation. Schließlich wechselt er am 15. November 1989 in die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Berlin. Nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages, den Stammsitz von Bonn nach Berlin zu verlagern, übernimmt er 1992 die Leitung des Referats Hauptstadtgestaltung.
Das Referat übernimmt die Planung für Berlin-Mitte, etwa für die Regierungsbauten im Spreebogen sowie für die Ministeriumsbauten und die Landesvertretungen. Er sagt: „Mein ganzes Berufsleben in Berlin hat etwas mit dem Zusammenwachsen der beiden Stadthälften zu tun.“ In Berlin erwirbt Lütke Daldrup sich hinter vorgehaltener Hand den Spitznamen „Drängelbert“, weil ihm vieles nicht schnell genug geht.
Großprojekte und Olympiabeauftragter in Leipzig
Als Nachfolger von Niels Gormsen wird er als 38-Jähriger im Jahr 1995 schließlich Beigeordneter für Stadtentwicklung und Bau in Leipzig. „Es war eine Chance, eine spannende, neue Aufgabe zu finden und mehr Verantwortung zu übernehmen“, beschreibt er seine Motivation für den Wechsel.
Zehn Jahre lang ist er als Baubürgermeister verantwortlich für die Stadterneuerung der Messestadt. Dazu gehören Großprojekte wie die Ansiedlungen des Porsche Werks und des BMW Werks im Leipziger Norden, der Bau der Multifunktionshalle Arena Leipzig sowie der Umbau des Zentralstadions im Waldstraßenviertel. Viel Kraft hat der Neubau des Museums der bildenden Künste Leipzig auf dem ehemaligen Sachsenplatz gekostet. Es dauert, bis die Winkelbebauung komplettiert ist. In der Bevölkerung ist der Bau umstritten. Mit den Architekten gibt es zudem juristische Auseinandersetzungen, etwa um Kleinigkeiten wie den Fußbodenbelag im Klinger-Saal. Die Architekten wollen Holz, doch schon am alten Standort steht die berühmte Beethoven-Skulptur von Max Klinger auf Steinboden.
Die Begeisterung für Spiele mitten in der Stadt
Im Jahr 2002 wird die Bewerbung Leipzigs um die Olympischen Sommerspiele 2012 sein Arbeitsgebiet. Lütke Daldrup wird 2003 Olympiabeauftragter und erlebt jenen 12. April 2003 als den Tag, der sich als „Wunder von Leipzig“ ins Gedächtnis eingräbt. Damals kürt das Nationale Olympische Komitee in München Leipzig als deutschen Bewerber für Olympia 2012. 20.000 Leipziger versammeln sich spontan auf dem Markt und feiern eine Party. „Die Leipziger Olympiabewerbung war eine der aufregendsten Zeiten meines Berufslebens“, erinnert er sich. Ebenso wie später seine Zeit als Geschäftsführer der Berliner Flughäfen.
Wie viele andere auch, ist der Planungschef von der Olympia-Begeisterung getragen, die damals eine ganze Region vereint. Leipzig soll der Gegenentwurf für die immer gigantischer werdenden Spiele werden – es entsteht die Idee von „Spielen mitten in der Stadt“, die sowohl auf ein ambitioniertes Verkehrskonzept als auch auf recycelbare Stadionbauten setzt. „Wir wollten viele leerstehende Gebäude für die Beherbergung der Gäste ausbauen, die dann als Wohnungen genutzt werden können“. Das Wintergartenhochhaus wird im Zuge der Bewerbung saniert, auch die Idee zum Wohnviertel am Lindenauer Hafen geboren.
Die Bevölkerung trägt das Konzept mit – es stärkt ihr Selbstwertgefühl. Dass Leipzig letztlich scheitert, liegt am Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dessen Präsidenten Jacques Rogge. Der hat Leipzig zwar wegen des Anti-Gigantismus-Konzepts ermutigt. Doch letztlich hieß es: Leipzig sei „definitiv zu klein für Olympia“ und London erhält den Zuschlag. „Wer die Spiele in Paris gesehen hat, findet viele unserer Ideen für Spiele mitten in der Stadt wieder. So wird die Seine für Wettkämpfe genutzt. Wir wollten dies auf dem Elsterflutbett auch – etwa für Kanu-Wettbewerbe“, resümiert Lütke Daldrup.
Gegenwind bei Goldschmidt-Haus und Funkenburg
In jener Zeit gibt es auch Gegenwind. Ein Beispiel ist der Abriss des Henriette-Goldschmidt-Hauses, der im Jahre 2002 erfolgt, um die Friedrich-Ebert-Straße auszubauen. Auch der Abriss der Kleinen Funkenburg im Jahre 2005 führt zu Protesten in der Leipziger Bürgerschaft. „Zu diesen Entscheidungen stehe ich. Aus städtebaulicher Sicht hätte es sowohl in der Friedrich-Ebert-Straße als auch in der Jahnallee nicht anders funktioniert.“ Bei der Kleinen Funkenburg gibt es zudem Probleme durch die geplante Öffnung des Elstermühlgrabens. Aus heutiger Sicht wäre es klüger gewesen, vielleicht weniger Häuser abzureißen, räumt er ein. Etwa die Bebauung gegenüber dem Felsenkeller. Doch der marode Bauzustand sowie der Wohnungsleerstand bei vielen Gebäuden sei damals hoch gewesen.
Bei der Wahl am 10. April 2005 wird Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee zwar im ersten Wahlgang im Amt bestätigt. Ein halbes Jahr später wechselt er dennoch in die Bundesregierung als Verkehrsminister unter Kanzlerin Angela Merkel. Und er nimmt Lütke Daldrup mit, der Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wird. „Eigentlich war es nicht geplant. Tiefensee hatte aber den nachdrücklichen Wunsch, dass ich ihm helfe“, begründet er den Wechsel in die Hauptstadt.
Rückkehr nach Berlin und Flughafenchef
Lütke Daldrup tritt in die SPD ein, kümmert sich als Staatssekretär beispielsweise um den Aufbau Ost sowie Städtebau/Stadtentwicklung, Wohnungswesen, Bauwesen und Bauwirtschaft. Gemeinsam wird auf einem europäischen Ministertreffen im Bundesverwaltungsgericht in Leipzig 2007 die Leipzig-Charta entwickelt, ein Grundsatzprogramm der Stadtentwicklung. Und das Weltverkehrsforum – International Transport Forum (ITF) – wird in Leipzig auf der Leipziger Messe etabliert. Mit der Abberufung Tiefensees als Minister wird Lütke Daldrup im November 2009 in den einstweiligen Ruhestand versetzt.
Doch er findet rasch neue Aufgaben. In jener Zeit ist er für die AfS Agentur für Stadtentwicklung GmbH in Berlin tätig. Die TU Berlin ernennt ihn im April 2009 zum Honorarprofessor für das Fachgebiet „Stadtentwicklung“. Im selben Jahr bekommt er eine Honorarprofessur für Nationale und Europäische Raumentwicklung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Nach wie vor hält er in Berlin regelmäßig Vorlesungen rund um Städtebau. 2014 kehrt Lütke Daldrup als Staatssekretär in die Berliner Senatsverwaltung zurück.
Der Aufsichtsrat des Berliner Flughafens ernennt ihn am 6. März 2017 schließlich zum Geschäftsführer der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH. Damit wird er Chef der Flughäfen Tegel, Schönefeld und Berlin Brandenburg – und vor allem Bauherr einer Dauerbaustelle, die viel Aufmerksamkeit in der gesamten Bundesrepublik auf sich zieht. Schließlich gelingt es ihm, den Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ zu eröffnen. Das ist am 31. Oktober 2020.
Nach der Pensionierung im Herbst 2021 berät er verschiedene Projekte. Dazu gehört der Bau eines jüdischen Kulturzentrums am Fraenkelufer in Berlin sowie der Ausbau des neuen Stadions für den Fußballklub Hertha BSC. Engagiert ist er bei mehreren Stiftungen, darunter dem Beirat bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie dem Humboldt-Forum in Berlin. Seine Wohnung in Berlin hat er aufgegeben. Lütke Daldrup lebt seit 2023 mit Ehefrau Karen Hiort wieder in Leipzig.
Stand: 16.04.2025