Es ist ein beliebter Treffpunkt. Bei angenehmen Temperaturen sitzt es sich gut auf den Treppen der Uferterrasse mit Blick auf das Elsterbecken. Viele ordnen das Areal auf der Westseite des Gewässers bereits dem Leipziger Palmengarten zu. Doch es gehört zum Richard-Wagner-Hain. Der erstreckt sich beidseitig des Elsterbeckens zwischen Zeppelinbrücke und Palmengartenwehr. Die Anlage ist ein „unbequemes Gartendenkmal“. Das hängt mit ihrer Geschichte im Nationalsozialismus zusammen, die auf einer Infotafel anschaulich dargestellt wird.
Nach Jahrhundertflut wird Fluss reguliert
Die Frankfurter Wiesen sind einst das Überflutungsgebiet der Weißen Elster. Das wird besonders deutlich bei der Jahrhundertflut im Jahr 1909. Die Stadträte reagieren darauf. Sie lassen zur Regulierung des Flusses das Elsterbecken bauen, was zwischen 1913 und 1925 erfolgt. Die neue Flusslandschaft wird von den Leipzigern schnell als Freizeittreff zum Baden und Boot fahren angenommen. Sogar eine große Liegewiese am Ufer entsteht. Ehrgeizige Pläne, die Uferränder zu bebauen, werden schnell verworfen.
Die Idee, für den in Leipzig geborenen Komponisten Richard Wagner einen architektonisch gestalteten Uferpark anzulegen, gibt es bereits 1931 in der Weimarer Republik. Entworfen und umgesetzt wird das Bauwerk allerdings erst im Nationalsozialismus. Der Berliner Gartenarchitekt Gustav Allinger kann die Stadtverwaltung davon überzeugen, ihm den Auftrag für den Entwurf zu übertragen. Einen Wettbewerb gibt es nicht.
Allinger entwirft eine architektonisch gestaltete Gartenanlage mit ausgedehnten Freiräumen. Die wird von Stützmauern und Böschungen eingefasst. Zugleich entsteht eine Gartenhalle, die den Besuchern einen guten Blick über die Gesamtanlage ermöglicht. Auf der Westseite wird ein Wassergarten mit Fontänebecken sowie rahmender Pergola gebaut. Eine Treppe führt hinunter zum Wasser der Weißen Elster. Die Treppenwangen und Stufen bestehen aus Naturstein. Auf zwei Travertin-Blöcken sollten ursprünglich Skulpturen aufgestellt werden, für die es 1939 einen bildhauerischen Wettbewerb gibt. 1939 werden dafür Entwürfe geliefert. Aufgestellt werden sie allerdings nicht mehr. Das verhindert der von den Nationalsozialisten mit dem Überfall auf Polen begonnene Zweite Weltkrieg.
Wagner-Nationaldenkmal wird nicht realisiert
Gescheitert sind auch die Pläne, für Richard Wagner ein großes Denkmal aufzustellen. Dafür gibt es zwar einen Kunst-Wettbewerb, der noch in der Weimarer Republik ausgelobt wird. Als der Sieger gekürt wird, sind allerdings bereits die Nationalsozialisten an der Macht. Dabei kann sich der süddeutsche Bildhauer Emil Hipp gegen mehr als 650 Konkurrenten durchsetzen. Er entwirft einen 9,5 mal 9,5 Meter breiten und 4 Meter hohen Natursteinblock. Die Seiten werden mit Reliefs geschmückt. Das Wagner-Denkmal soll am Ostufer des Elsterbeckens aufgestellt werden. Hipp erhält den Auftrag. Seinen Entwurf muss er allerdings überarbeiten, damit alles gigantischer ausfällt. Der Denkmalsplatz wird um eine Umfassungsmauer erweitert, auf der weitere 19 Reliefs Szenen aus Wagners Opern darstellen sollen. Am 6. März 1934 legt Reichskanzler Adolf Hitler den Grundstein. Nach seinem Willen soll es fortan „Richard-Wagner-Nationaldenkmal des Deutschen Volkes“ heißen. Tausende Sänger begleiten den Festakt musikalisch. Am 22. Mai 1938 – dem Geburtstag Wagners – ist die Weihe geplant. Die Arbeiten verzögern sich aber, wohl auch wegen fehlender Materialien.
Baufirma gibt Einzelteile an Privatpersonen ab
Hipp arbeitet fast bis zum Kriegsende an seinem Denkmal, das die Stadt Leipzig komplett bezahlt hat. Alle plastischen Arbeiten führt der Künstler selbst aus. Nach dem Krieg lehnt es die Stadtverwaltung allerdings ab, die politisch belasteten Werke anzunehmen. Es ist zwar keine NS-Kunst, wie der Leipziger Richard-Wagner-Verband später formuliert. Hipp wird aber von den Nationalsozialisten vereinnahmt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ist die Aufstellung des Monumentes nahezu undenkbar. Nach den Zerstörungen setzt die Stadtverwaltung andere Prioritäten.
Hipp kann die Lagergebühren nicht aufbringen. Die bauausführende Marmor-Kiefer AG gibt daher Einzelteile des Kunstwerkes an Privatleute ab. 1976 kauft beispielsweise die Stadt Bayreuth die Reliefs „Spinnstube“ und „Siegfrieds Tod“. Sie sind in die Stadtmauer eingelassen. Einige Reliefs stehen in einem Privatgrundstück am Chiemsee.
Wasserfontäne soll wieder sprudeln
Der Richard-Wagner-Hain bleibt von Kriegseinwirkungen weitgehend verschont. Nur in der großen Ufertreppe sind noch Einschusslöcher von den Kampfhandlungen der letzten Kriegstage zu sehen. In der DDR wird die Anlage bepflanzt. Auf der Ostseite entstehen Universitätsgebäude, die heute zum Campus Jahnallee gehören. Teile der Parkanlage und die Denkmalsfundamente wurden in den 1950er Jahren beseitigt.
Inzwischen hat die Stadt Leipzig die Anlage auf der Westseite des Elsterbeckens denkmalgerecht und unter Wahrung der Bausubstanz saniert. Die Uferterrassen und die Ufertreppe wurden nach achtmonatiger Bauphase am 21. Dezember 2022 eingeweiht. Ziel ist es, sie als Zeitzeugnis zu erhalten. Deshalb werden Freiflächen, wie die Wiese, auch nicht bepflanzt. Geplant ist, die seit 2004 kaputte Wasserfontäne künftig wieder sprudeln zu lassen. Die andere Seite des Elsterbeckens in Höhe des Universitätsgebäudes soll ebenfalls erneuert werden. Wann, ist allerdings noch unklar.
An den jungen Wagner erinnert heute das von Stephan Balkenhol geschaffene Richard-Wgner-Denkmal am Promenadenring. Mit dem Umbau des Areals Matthäikirchhof soll es in den kommenden Jahren besser zur Geltung kommen.
Stand: 19.03.2024