„Frieden“, ein menschliches Grundbedürfnis, ist in verschiedenen Sprachen auf den Bodenplatten zu lesen. Das deutet auf die Sprachvielfalt der Menschen hin, die in Schönefeld wohnen und natürlich den Mariannenpark nutzen. Das ist ganz im Sinne von Leberecht Migge, dem Schöpfer der Anlage. Er entwirft zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Generation von Volksparks, die einer breiten Bevölkerung für Erholung, Sport und Spiel dienen soll. Der Ausbau der Anlage beginnt 1913. Damit ist Schönefeld, 1915 eingemeindet, dem damals benachbarten Leipzig weit voraus. Der Volkspark, der erst seit 1931 den Namen Mariannenpark trägt, erlebt eine wechselvolle Geschichte.
Die soll dank der neuen Informationstafeln nicht in Vergessenheit geraten. Sie werden im April 2024 eingeweiht, als die Bürgermeister Heiko Rosenthal und Thomas Dienberg den umgestalteten, ehemaligen Ernst-Thälmann-Hain sowie einen neu gestalteten Fitnessplatz an der Rohrteichstraße der Öffentlichkeit übergeben.
Das Testament der Baronesse von Eberstein
Der Mariannenpark ist mittlerweile 22,3 Hektar groß und Ausgangspunkt eines reizvollen Wanderweges entlang der Parthe. Seine Ursprünge gehen auf Clara Hedwig Baronesse von Eberstein zurück. Die kinderlose Adelige gründet 1881 eine Stiftung für ledige Töchter höherer Beamter und Militärs, die sie nach ihrer Mutter Marianne Freifrau von Eberstein benennt. Sie verfügt, dass Schloss, Gut und Ländereien in den Besitz der Stiftung übergehen. Ihr Wunsch: Der herrschaftliche Park, die alte schöne Lindenallee sowie „das Stück Feld westlich der Allee“ sollen so lange als möglich unbebaut und erhalten bleiben.
Bereits drei Jahre nach dem Tod der Baronesse beschließt der Gemeindevorstand von Schönefeld im Jahre 1903, „das westlich der Lindenallee gelegene Feld als Park oder durch Anpflanzung parkähnlich herzurichten“. Den Zuschlag dafür erhält der bereits erwähnte Leberecht Migge, der auf eine bislang neue architektonische Gestaltungsweise setzt.
Ein Park für das Volk mit Sport- und Spielplätzen
Dafür charakteristisch sind klar voneinander abgegrenzte, regelmäßig angelegte Parkräume mit unterschiedlichen Funktionen, die durch gerade und breite Wege sowie Pflanzungen voneinander getrennt werden. So entstehen weitläufige Sport- und Spielbereiche, darunter für den noch jungen Fußball, und ein Rodelhügel. Migge entwirft eine monumentale Mittelachse, die im Zwickel von Lindenallee und Rohrteichstraße mit einer Promenade beginnt. Auch ein großes rechteckiges Wasserbecken sowie ein Gesellschaftshaus sieht er vor. Dabei greift er auch vorher existierende städtebauliche Pläne auf, die eine 20 Meter breite Verbindungsstrasse zwischen Wohngebäuden im Osten und Westen samt Ulmenallee mitten durch den künftigen Park vorsehen. Die Trasse wird beim Bau der anderen Parkelemente zunächst freigehalten, als Straße allerdings nie errichtet. Der Bereich bekommt erst in den 1970er Jahren eine besondere Bedeutung – als der Ernst-Thälmann-Hain geplant wird.
Der Entwurf Migges für den Volkspark stößt auch auf Widerstand. Der Leipziger Gartendirektor Carl Hampel legte eine eigene Variante vor, die jedoch abgelehnt wird. Mit der Eingemeindung Schönefelds 1915 fällt der Volkspark Schönefeld allerdings in seine Amtshoheit. Der Düpierte löst sofort den Vertrag mit Migge auf und stoppt den weiteren Ausbau des Parkes – darunter das geplante Bassin. Viele Arbeiten ruhen ohnehin – es ist die Zeit des Ersten Weltkrieges. Hampel geht 1920 schließlich in den Ruhestand.
Nachfolger Nicolaus Hermann August Molzen überarbeitet die Pläne, bemüht sich dabei, die Formensprache von Migge aufzunehmen. Ab Frühjahr 1924 lädt beispielsweise der von Molzen konzipierte Staudengarten zum Spaziergang ein. Auf Bassin und Gesellschaftshaus verzichtet er. Stattdessen plant er eine Zugangspromenade und eine Kriegergedächtnisstätte, um die im Ersten Weltkrieg Gefallenen zu ehren. Die Gedächtnisstätte wird allerdings nicht errichtet. Im April 1928 wurde der Mariannenpark endgültig fertiggestellt.
Ein Thälmann-Hain mit Appellplatz
Den Zweiten Weltkrieg übersteht der Mariannenpark ohne größere Schäden, obwohl der Volkssturm auf dem Rodelberg und den Wiesen Flakgeschütze einsetzt. Im Jahre 1952 übernimmt der VEB Garten- und Landschaftsbau die Pflege. Eine erste Veränderung ist 1954 der Bau eines Wochenheims für Kinder von Eisenbahnern im nordöstlichen Parkteil. Später entsteht eine Freilichtbühne sowie ab Mitte 1972 der „Ernst-Thälmann-Ehrenhain“.
Geehrt wird der ehemalige KPD-Vorsitzende und antifaschistische Widerstandskämpfer Ernst Thälmann, der Vorbild für die Jugend in der DDR wird und dessen Namen die Pionierorganisation trägt. 1974 wird im Hain eine sechs Meter breite Wegeverbindung aus Platten sowie ein Appellplatz mit Mauern, die die Lebensdaten Thälmanns zeigen, befestigt. Aufgestellt wird eine Bronzebüste Thälmanns, die die Bildhauerin Ruthild Hahne auf einem Sockel aus Porphyrblöcken schafft. Es gibt auch ein Rosenbeet, Pflanzkübel und Fahnenstangen, da der Appellplatz für Gelöbnisse und Vereidigungen, etwa für Soldaten der Nationalen Volksarmee, dient. Ende der 1970er Jahre lässt die Stadtverwaltung im Mariannenpark aus Anlass des Sportfestes ein Großschachfeld, Tischtennisplatten, Anlagen für Minigolf, Pendelbahn und andere Sportgeräte aufstellen. Die Freilichtbühne wird 1978/79 neugestaltet.
Vom Gedenkort zum Denkort
Nach der Friedlichen Revolution verliert der Thälmann-Hain seine ideologische Bedeutung. Schriftzüge und Teile der Anlage werden rückgebaut. Wie der gesamte Mariannenpark steht diese aber unter Denkmalschutz. Bereits 1991 wird das Areal – ebenso wie der im Norden angrenzende Schlosspark Schönefeld mit Schloss und Kirche sowie das Grab der Familie von Eberstein – in die Kulturdenkmalliste des Landes Sachsen aufgenommen. Der ehemalige Ehrenhain wird in den vergangenen Jahren vor allem als Wegeverbindung genutzt. Inzwischen ist er saniert, vom Gedenkort zum Denkort umgestaltet. Neue Sitzgelegenheiten, kleine Spielangebote, Stelen zur Geschichte sowie kleine Tafeln zu Naturschutzthemen sind entstanden. Auf dem neuen Fitnessplatz an der Rohrteichstraße wurden eine Kraftsportanlage sowie viele Geräte zum Trainieren aufgestellt. Bei der Neugestaltung bezog man die Bürger mit ein. Sie wünschen sich noch eine Gaststätte sowie kulturelle Angebote. Diskutiert werden mobile Varianten sowie eine teilweise Nutzung des Gärtnerhauses. Der Rosengarten ist mit Hilfe der Stiftung Bürger für Leipzig ebenfalls erneuert worden.
Ein beliebtes Naherholungsgebiet in Leipzig
Trotz der im Laufe der Zeit vorgenommenen Änderungen hat der Mariannenpark seinen ursprünglichen Charakter weitgehend bewahren können. Elemente, wie die Laubengänge, sind verschwunden. Ob nun beim Joggen, Picknicken, Spazierengehen, Toben auf den Spielplätzen oder bei gutem Wetter einfach ausspannen – der Mariannenpark ist ein beliebtes Naherholungsgebiet für Leipzig und Umgebung. Ein Park für das Volk eben, wie von den Stiftern und Gestaltern einst gewünscht.
Stand: 17.04.2024