Das Panometer Leipzig präsentiert seit 2003 die weltweit größten 360°-Panoramen des Künstlers Yadegar Asisi. Die wechselnden Panoramen mit entsprechender Licht- und Tonkulisse und thematischen Begleitausstellungen lockten seit der Eröffnung Millionen Besucher in den ehemaligen Gasometer von 1910.
Der Weg zur Lichtenergie in der Messestadt
Was von Weitem an die imposante Kulisse des Kolosseums in Rom erinnert, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ehemaliges Gasometer von 1910 und zugleich Zeitzeuge der wechselvollen Leipziger Energiegeschichte. Nachdem zahlreiche europäische Städte von der Öl- auf die Gasbeleuchtung umstellten, schloss sich auch Leipzig dieser Entwicklung an. Der Stadtrat beauftragte 1836 den Dresdner Ingenieur Rudolf Sigismund Blochmann mit dem Bau einer Gasbeleuchtungsanstalt. Nur zwei Jahre später wurde der Betrieb in Leipzigs erstemGaswerk in der Sandgrube vor dem Gerbertor aufgenommen und es entstanden die ersten Gaslaternen auf dem Markt, auf dem Brühl, in der Katharinenstraße sowie in der Gerber- und Hallischen Straße. Da das Gaswerk in den 1860er Jahren an seine Kapazitätsgrenzen stieß, veranlasste der Stadtrat den Bau eines weiteren Gaswerks in der Kaiserin-Augusta-Straße, der heutigen Richard-Lehmann-Straße. Das Gaswerk II wurde von 1882 bis 1885 nach Plänen von Georg Wunder errichtet und nahm am 18. August 1885 seinen Betrieb auf. Es repräsentierte den damaligen technischen Zenit der Gaserzeugung mittels Steinkohle. Die Anlage wurde bis 1910 in vier Bauabschnitten erweitert und konnte eine Tageshöchstleistung von 120.000 Kubikmeter erbringen.
Vom Gasometer zum Panometer
Im Zuge der Industrialisierung wuchs der Bedarf nach elektrischer Energie rasant, jedoch war es bis dato nicht zu bewerkstelligen, das erzeugte Gas kontinuierlich und zeitnah bereitzustellen. Eine Lösung sah man im Bau von Teleskop-Gasspeichern, sogenannten Gasometern, welche große Mengen an Gas mit konstantem Druck bevorraten konnten. Das Gaswerk II verfügte zwischenzeitlich über bis zu vier dieser Gasometer, wovon drei mit einer gemauerten Fassade ausgestattet waren. Zahlreiche Leipziger Vorort-Gaswerke wurden stillgelegt und durch das 1929 zum Zentralgaswerk ausgebaute Gaswerk II ersetzt. Es entwickelte sich zu einer wichtigen Wirtschaftskraft und förderte die neue Unabhängigkeit vom Tageslicht. 1935 brannten in Leipzig bereits rund 53.000 Gaslaternen.
Durch den Bombenangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943 wurden zahlreiche Betriebsstätten der Stadtwerke zerstört und die Gasproduktion konnte erst 1945 sukzessive wieder aufgenommen werden. Zwischen 1952 und 1977 wurde das Zentralgaswerk nach dem deutschen Kommunisten Max Reimann benannt und als „Gaskokerei Max Reimann“ geführt. An ihn erinnert bis heute die Max-Reimann-Büste vor dem Panometer I.
Die Gasometer I und II wurden noch bis 1977 zur Speicherung des produzierten Stadtgases genutzt und schließlich nach 92-jähriger Betriebszeit stillgelegt. Während das Zentralgaswerk abgerissen wurde, blieben die Gasometer I und II sowie zahlreiche Werkstätten und Verwaltungsbauten verschont. Auf dem Areal des ehemaligen Zentralgaswerks befindet sich heute die Verwaltung der Stadtwerke Leipzig. Um die historischen Gasometer vor dem Verfall zu bewahren, wurden durch die Stadtwerke 2002/2003 umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt. In diese bezog man auch den Künstler und Architekten Yadegar Asisi ein. Dieser hatte die mutige Idee, die riesigen Mauerwerksflächen für monumentale Panoramabilder zu nutzen. Seit 2003 zeigt Asisi nun im ehemaligen Gasometer II seine außergewöhnlichen Ausstellungen und machte damit das Industriedenkmal unter dem Namen „Panometer“ weltweit bekannt. Bei „Panometer“ handelt es sich um ein Kunstwort aus „Panorama“ und „Gasometer“. Mit der Präsentation seiner Panoramen erweckte Asisi eine Tradition zu neuem Leben, denn in Leipzig gab es mit dem Panorama am Roßplatz über 60 Jahre einen Bau, in dem Panoramabilder gezeigt wurden. Er wurde im Zweiten Weltkrieg 1943 zerstört. Unmittelbar neben dem Panometer befindet sich der Gasometer I. Dieser wurde von 2009 bis 2012 als „Arena am Panometer“ wiederbelebt und bietet seitdem als Kulturstätte eine einmalige Open-Air-Atmosphäre.
360°-Panoramen im Industriedenkmal
Die imposante und stadtbildprägende Kulisse des Panometers im Stadtteil Connewitz misst eine Höhe von rund 50 Metern vom Boden bis zur Spitze der Laterne auf dem Kuppeldach. Das zylinderförmige Industriedenkmal wurde in massiver Ziegelbauweise errichtet, dessen Mauern stellenweise rund 1,50 Meter dick sind. Die Außenfassade wurde aus gelben Klinkersteinen gefertigt und wird durch die farblich abgesetzten roten Klinker auf Höhe des Erdgeschosses, den Fenstern und den Gesimsen ergänzt. Die Bauweise entsprach den Ansprüchen des damaligen Stadtbaudirektors Hugo Licht, technische Anlagen in der Stadt in einem architektonisch und ästhetisch anspruchsvollen Bauwerk einzubetten. Die Außenfassade der vier Stockwerke zieren 125 gleichmäßig angeordnete Bogenfenster. Auf Höhe desErdgeschosses ist noch heute das Gasometer, das eigentliche Messgerät des einstigen Gasspeichers, angebracht. Die kreisrunde Konstruktion und der Durchmesser von ca. 57 Metern ermöglichten es Yadegar Asisi, das Gebäude zum modernen Ausstellungsraum für seineweltgrößten 360°-Panoramen umzufunktionieren. Die 32 Meter hohen Rundbilder mit einer entsprechenden Licht- und Tonkulisse widmen sich wechselnden Themen, welche durch Begleitausstellungen und Making-Of-Filme ergänzt werden. Durch die sehr hohe Auflösung der Panoramen kann sich der Besucher auch mit einem Fernglas auf eine Entdeckungstour nach Bilddetails begeben.
Tropische Natur und Altes Rom im industriekulturellen Flair
Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums zur Erstbesteigung des Mount Everest im Mai 2003 wurde die erste Ausstellung „EVEREST“ von 2003 bis 2005 im Panometer gezeigt. Das Panoramabild entführte die Besucher zu einer Expedition in das 6.000 Meter hohe „Tal des Schweigens“ im Himalaya-Gebirge. Von 2005 bis 2009 war das Panorama „ROM 312“ zu sehen, welches die prächtige Hauptstadt des römischen Reichs im Jahr 312 n. Chr. präsentierte. In „AMAZONIEN“ konnten sich die Besucher von 2009 bis 2012 auf eine Expedition in die südamerikanischen Tropen begeben und die faszinierende Artenvielfalt bewundern. Anlässlich des 200. Jubiläums der Völkerschlacht wurde im Panorama „LEIPZIG 1813“ von 2013 bis 2015 die Szenerie von Leipzig unmittelbar nach dem Ende der Völkerschlacht 1813 gezeigt. Vom Dach der Thomaskirche bot sich ein Blick auf das Geschehen in den Straßen mit Soldaten, Geflüchtetensowie Verletzten, die man in offenen Lazaretts versorgte. Von 2015 bis 2017 wurde in „GREAT BARRIER REEF“ die einzigartige Unterwasserwelt des Korallenriffs vor Australien präsentiert. Das Panorama „TITANIC“ führte die Besucher von 2017 bis 2019 auf eine Unterwasser-Reise. Das Rundbild zeigte das einstige Luxusschiff, das von der Natur unter Wasser zurückerobert wurde. Von 2019 bis 2021 machte „CAROLAS GARTEN – Eine Rückkehr ins Paradies“ die Welt des Mikrokosmos in der faszinierenden Szenerie eines heimischen Gartens erlebbar.
Nach der Eröffnung des Panometers in Leipzig schuf Yadegar Asisi weitere Ausstellungsorte für seine Panoramen, die sich in Dresden, Wittenberg, Hannover, Pforzheim, Berlin und Rouen befinden.