Es ist ein besonderer Teppich: Soldaten haben ihn einst für Napoleon Bonaparte genäht und als Zeichen ihrer Verehrung nach St. Helena verschifft. Sie haben Aufschläge mit dem „N“-Monogramm für Napoleon und dem Kaiseradler, die nach Ende seiner Herrschaft von allen französischen Uniformen entfernt werden müssen, auf ein großes Stück Sackleinen aufgenäht. Zu sehen ist der zweieinhalb Quadratmeter große Teppich im FORUM 1813, dem zum Völkerschlachtdenkmal gehörenden Museum. Der Teppich ist eine der etwa 350 Originalexponate, die Geschichte(n) von der bis dahin blutigsten Massenschlacht des 19. Jahrhunderts erzählen können. Eine halbe Million Soldaten aus ganz Europa kämpfte während der Befreiungskriege um die politische Zukunft des Kontinents.
Museum lenkt Blick auf Alltag der Menschen
Das FORUM 1813 möchte dabei keineswegs ein „lückenloses Geschichtsbuch“ aufblättern. Doch Besucher stehen dem Denkmal, das den Betrachter ob seiner Wucht durchaus verstören kann, häufig unvorbereitet gegenüber. Etliche bringen das Monument sogar mit Schwedenkönig Gustav II. Adolf und dem Dreißigjährigen Krieg in Verbindung. Seit seiner Eröffnung 1999 vermittelt das FORUM 1813 ein Bild der Völkerschlacht bei Leipzig und der daran beteiligten Nationen. Für viele Menschen außerhalb Leipzigs ist die Völkerschlacht allerdings kein Begriff.
Das Museum will diese nicht als reines Ereignis der Militärgeschichte vermitteln, sondern den Blick ebenfalls auf den Alltag der Menschen lenken. Im Zentrum stehen dabei die historischen Ereignisse in Leipzig und Sachsen zwischen 1789 und 1814 – also zwischen der französischen Revolution und dem Wiener Kongress. So neutral wie möglich. Denn die Befreiungskriege werden in den vergangenen Jahrzehnten oft vereinnahmt.
Waffen, Uniformen, Ausrüstungsgegenstände, Bilder und persönliche Erinnerungsstücke lassen die tragische Kriegszeit lebendig werden. Ein Blickfang ist das 18 Quadratmeter große Diorama, das mit etwa 3.600 Figuren sowie 40 teils zerstörten Häusern im Maßstab 1:72 den Kampf um das Dorf Probstheida bei einem russisch-preußischen Angriff nachstellt. Zeitgenössische Beschreibungen werden verwendet, um das Szenario so genau wie möglich zu rekonstruieren.
Bildschirm zeigt historischen Schlachtverlauf
Wichtig ist dem Museumsteam um Denkmalsleiter Steffen Poser, über die einzelnen Objekte hinaus historische Zusammenhänge zu erzählen. Für viele Besucher ist es beispielsweise schwierig, Karten zu lesen. Besonders für jene, die Leipzig nicht kennen und nun einordnen sollen, wie wichtig Probstheida oder Stötteritz für den Verlauf der Völkerschlacht sind. Deshalb ist auf einem Bildschirm eine historische Karte zu sehen, auf der die Truppenbewegungen vom 16. bis 19. Oktober 1813 animiert und so veranschaulicht werden können. Etwa wenn Napoleon über den Westen Leipzigs flüchtet.
Das Museumsteam will den Menschen vor allem ein Gefühl für Schlacht und Denkmal vermitteln. Das passiert im Denkmal selbst durch einen Film mit vielen Bildern auf einer großen Leinwand – ohne Worte. Der Film konzentriert sich auf die Kernbotschaften. „Selbstverständlich bieten wir auch Führungen an. Wer etwas über den Verlauf der Völkerschlacht oder über kunsthistorische Aspekte des Denkmals hören will, wird natürlich bedient“, so Steffen Poser.
Ein Prunkstück der Ausstellung ist der restaurierte Sattel des polnischen Fürsten Józef Antoni Poniatowski. Der Fürst verstärkte 1813 mit seinem 20.000 Mann starken polnischen Kontingent die französischen Truppen. Der Nationalheld des Nachbarlandes, der erst drei Tage vor seinem Tod von Napoleon zum Marschall von Frankreich ernannt wird, springt beim Rückzug in Leipzig in die Hochwasser führende Elster. Da ist er bereits durch zwei Kugeln verwundet. Sein Pferd überschlägt sich und drückt ihn unter Wasser – er ertrinkt. An der Stelle, wo Fischer später seinen Leichnam finden, wird für ihn 1834 das Poniatowski-Denkmal errichtet. Nicht weit davon entfernt erinnert das Brückensprengungsdenkmal an die Sprengung der dort gelegenen Elsterbrücke, die den Verfolgern des aus Leipzig fliehenden französischen Heeres den Weg abschneiden sollte.
Uniformen in Vitrinen zu sehen
Berühmt ist der Mantel eines Baschkiren, die damals ebenfalls kämpften. Er ist nur selten zu sehen, weil das Original nicht über Jahre dem Licht ausgesetzt werden darf. Alle Uniformen und Erinnerungsstücke werden zwar in den verschlossenen Vitrinen unter optimalen Bedingungen ausgestellt. „Dennoch handelt es sich um kostbare Originale, die teilweise aus Naturmaterialien hergestellt worden sind“, erklärt Poser. Deshalb können sich in den Uniformen Insekten einnisten. Spinnen gibt es am naturnah und in Nähe zum Südfriedhof gelegenen FORUM 1813 reichlich. Selbst die Helme können für Ungeziefer interessant sein. So wird beispielsweise ein vergoldeter Kürassierhelm für sächsische Offiziere (um 1806) gezeigt, der mit einem Seehundfell verziert ist. Eine hohe Kopfbedeckung für französische Gardegrenadiere ist mit Bärenfell geschmückt.
Zusätzliche Informationen hören die Besucher in einem Audioguide-System, das Fakten und Anekdoten freundlich und unterhaltsam vermittelt. Bei der Führung durchs FORUM 1813 gibt der Bankangestellte Johann Carl Scheube preis, wie man sich mit einem guten Trinkgeld vorm Militärdienst drücken kann oder was eine Haarlocke Theodor Körners über die Völkerschlacht erzählt.
Empfehlenswert sind auch die Ausstellungen im Völkerschlachtdenkmal selbst. Dazu gehört die zur jüngsten Baugeschichte in den Katakomben, die derzeit nur bei Führungen für Gruppen zugänglich ist. Das soll sich allerdings ändern. Zu diesem Zweck muss ein zweiter Fluchtweg eingebaut werden. Aus rund 3.600 Fotos einer aufwendigen Dokumentation sind 36 ausgewählt worden, die großformatig und beleuchtet auf die Besucher wirken.
Stand: 10.03.2024