Leipzig weist deutschlandweit mit über 270 Kleingartenanlagen und über 39.000 Parzellen auf einer Fläche von rund 1.240 Hektar prozentual gesehen die größte Dichte an Kleingärten auf. Das entspricht mehr als 30 Prozent der Grünflächen in der ganzen Stadt. Nicht umsonst gilt Leipzig in Anbetracht dieser Dimensionen als heimliche Hauptstadt der deutschen Kleingärtner. Hinzu kommt, dass sich im Vereinshaus des 1864 gegründeten Kleingärtnervereins Dr. Schreber, dem ältesten Schreberverein überhaupt, das weltweit einzigartige Deutsche Kleingärtnermuseum befindet. Am authentischen Ort informieren neben der Dauerausstellung und häufigen Sonderausstellungen die drei begehbaren Außenanlagen über die Entwicklung der „kleinen Gärten“.
Kleingärten für Erholungssuchende
Bereits seit dem Mittelalter gab es zahlreiche Bürgergärten vor den Toren der Stadt. 1832 entstand aus der Geländesenke „Johannistal“ in der südöstlichen Vorstadt von Leipzig eine Gartenfläche, welche von erwerbslosen Arbeitern erschlossen wurde. Hier befindet sich bis heute die älteste Kleingartenanlage Sachsens und die zweitälteste Deutschlands. Sie wird vom Kleingartenverein Johannistal 1832 bewirtschaftet, der noch heute 141 unter Denkmalschutz stehende Gärten von ehemals 221 besitzt.
Infolge der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert und der starken Urbanisierung wurden die Wohnverhältnisse in den deutschen Städten immer prekärer und der allgemeine Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechterte sich gravierend. Das Bedürfnis nach Kleingärten zur Entzerrung der Wohnsituation und zu Erholungszwecken wurde seitens der Bürger immer lauter. Infolgedessen entstand in Deutschland das organisierte Kleingartenwesen, insbesondere in Sachsen und Berlin. Ausgehend vom 19. Jahrhundert wurden Gartenanlagen angelegt und es entwickelte sich ein ausgeprägtes Gemeinschaftsleben. Zu dieser Zeit handelte es sich um Vereine der Naturheilbewegung, Schrebergärten und Gartenanlagen von Fabriken und Institutionen. Jeder Achte der heutigen Leipziger Kleingartenvereine wurde bereits im 19. Jahrhundert gegründet.
Wiege der Schreberbewegung
Richtungsweisend für die heute bekannten Schrebergärten war die Schreberbewegung ab Mitte des 19. Jahrhundert. Aufgrund des Namens ist die Auffassung weit verbreitet, dass der Leipziger Arzt und Pädagoge Daniel Gottlob Moritz Schreber maßgeblich für die Erfindung der Schrebergärten verantwortlich war. Tatsächlich war es aber sein Schwiegersohn und zugleich Schuldirektor Ernst Innocenz Hauschild, auf den die Entstehung der Schrebergärten zurückgeht. Schreber beschäftigte sich seinerzeit mit Fragen der Volksgesundheit und der Erziehung und setzte sich dafür ein, im Freien Spielplätze zu bauen, damit sich Kinder und Jugendliche unter pädagogischer Anleitung körperlich betätigen konnten. Erst auf Initiative von Hauschild, der diesen Ansatz wieder aufgriff, wurde 1864 der erste Erziehungsverein unter dem Namen „Schreberverein“ gegründet. Der Verein errichtete zudem einen Spiel- und Turnplatz nördlich des Johannaparks, um den Mangel an Spielmöglichkeiten auszugleichen. 1869 ließ der pensionierte Lehrer Carl Ludwig Gesell am Rande des Spielplatzes Kinderbeete anlegen, in denen die Kinder das Gärtnern lernen sollten. Als diese aber schnell die Freude am Gärtnern verloren, griffen die Eltern selbst zu Hacke und Spaten und aus den Kinderbeeten an der Schreberschen Spielwiese wurden Familienbeete. Die Beete wurden parzelliert, umzäunt und mit Lauben ausgestattet. Damit schlug die Geburtsstunde des Schrebergartens.
Charakteristisch für die heutigen Schrebervereine ist der zentrale Gemeinschaftsbereich mit Spielmöglichkeiten, welcher der Allgemeinheit offensteht. Auch Nicht-Kleingärtner können die Kleingartenanlagen nutzen. Innerhalb der Leipziger Anlagen gibt es ca. 110 öffentliche Spielplätze. Die ursprüngliche Struktur der Gärten mit gemeinschaftlicher Spielwiese im Zentrum der Anlage ist heute noch im „Schreberverein Leipzig-Lindenau“ sowie in den Kleingartenanlagen „Südvorstadt“ und „Dr. Schreber“ erkennbar.
Besuchermagnet: Deutsches Kleingärtnermuseum
Bei dem 1864 gegründeten „Kleingärtnerverein Dr. Schreber“ handelt es sich um den ältesten Schreberverein, der Ursprung für alle weiteren Schrebervereine ist. Die Kleingartenanlage steht unter Denkmalschutz und verfügt über 160 Parzellen mit einer durchschnittlichen Größe von 165 Quadratmetern. Weiterhin gibt es eine große und eine kleine Vereinswiese mit historischen Spielgeräten für Kinder. Bis heute prägt der Verein die Geschichte der Kleingärtnerbewegung. Dazu trägt als Besuchermagnet das weltweit einzigartige Deutsche Kleingärtnermuseum bei, das sich im ehemaligen Vereinshaus befindet. Dieses wurde 1896 vom Architekten Carl Fischer errichtet. Die Kosten von 22.000 Mark konnten durch Spenden und private Darlehensscheine gedeckt werden. Nach zehnmonatiger Bauzeit wurde das Vereinshaus eingeweiht und in der Presse als „Zauberschlösschen“ bezeichnet. Ursprünglich war das Fachwerkgebäude mit Schiefer gedeckt. Nach seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde ab 1992 der markante Turm wieder aufgebaut und das Haus saniert. Anschließend konnte am 23. August 1996 in der ersten Etage das Deutsche Kleingärtnermuseum eröffnet werden. Den Besuchern wird seitdem die Geschichte des organisierten deutschen Kleingartenwesens von den Anfängen bis zur Gegenwart nähergebracht. Zur Ausstellung gehören der nach dem Vorbild eines Kleingartens um 1900 umgesetzte Museumsgarten, der mit historischen Bänken und Spielgeräten ausgestattete „Schreberplatz“ sowie historische Lauben aus Sachsen.
Bereits in den 1920er Jahren bestand die Idee, eine Ausstellung zur Geschichte des ersten Schrebervereins zu präsentieren, die auch zur DDR-Zeit weiterverfolgt wurde. Doch erst 1992 konnte mit der Gründung des Vereins „Deutsches Museum der Kleingärtnerbewegung“ und der Rekonstruktion der oberen Etagen im Vereinshaus das Fundament gelegt werden. Bereits 1993 gab es die erste Sonderausstellung. Im Jahr 2000 wurde der Museumsgarten eröffnet, der nach Vorbildern der Zeit um 1900 gestaltet ist. Die neue Dauerausstellung „Deutschlands Kleingärtner vom 19. zum 21. Jahrhundert“ zog nach ihrer Eröffnung 2001 viele Besucher an. Seit 2008 wird sie durch jährlich wechselnde Kabinettausstellungen ergänzt. Im Jahr 2004 wurde der Laubengarten in der Außenanlage des Museums für die Besucher zugänglich gemacht und zeigt vier historische Gartenlauben. Der dritte Schaugarten eröffnete 2014 im Jubiläumsjahr „150 Jahre Schreberbewegung“ und zeigt anhand von Gartengestaltung und Laubeneinrichtung die Nutzung der Kleingärten um 1980 in der DDR. Datschen und Kleingärten hatten während dieser Zeit einen hohen Freizeitwert. So kamen im Sommer 1989 auf 13 Millionen erwachsene Ostdeutsche rund 2.6 Millionen Wochenendgrundstücke und rund 855.000 Kleingärten.
Im Vereinshaus befindet sich die beliebte Gaststätte Schrebers – Restaurant und Biergarten, die neben dem urigen Restaurant einen großen Biergarten direkt an der Festwiese betreibt. In der Kleingartensparte gegenüber dem Vereinshaus steht das Schreber-Hauschild-Denkmal.
Einen Ausflug wert: Leipzigs Gartenlokale
Wer zur Abwechslung mal nicht sein Stammlokal um die Ecke besuchen möchte, sondern es vorzieht, im Grünen an frischer Luft rustikal zu speisen und ein kühles Bier zu genießen, dem bieten sich vor allem während der Sommermonate viele Möglichkeiten in Leipzig. Abseits der bekannten Pfade beherbergen die über 270 Kleingartenanlagen rund 70 Gartenlokale, von denen viele historisch bedeutsam sind.