Das „Leipziger Allerlei“ gilt als Leipzigs bekannteste Spezialität. Dabei handelt es sich um ein Hauptgericht, welches traditionell aus jungem Frühlingsgemüse, Morcheln, Flusskrebsen und Semmelklößchen zubereitet und in den Frühlingsmonaten serviert wird. Die Ursprünge der regionalen Spezialität reichen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Am 25. September 2021 wurde auf dem Leipziger Markt mit der weltweit „größten Portion Leipziger Allerlei“ ein offizieller Weltrekord aufgestellt.
Zwischen lokaler Spezialität und „Arme-Leute-Essen“
Als bekannteste kulinarische Spezialität Leipzigs gilt das „Leipziger Allerlei“, ein Hauptgericht aus Frischgemüsen. Erstmals schriftlich erwähnt wurde das Gericht im sehr ausführlichen und weit verbreiteten Kochbuch der Susanna Eger im Jahr 1745. Zu dieser Zeit verwendete man das, was Boden und Gegend hergaben. Die Stadt war von einem der dichtesten Wälder Europas, dem Auwald, umgeben. Auf dem fruchtbaren Ackerboden wuchsen zahlreiche Pilze, wie Spitzmorcheln, verschiedene Gemüse – und in den Wasserläufen wimmelte es von Flusskrebsen. Die Gastwirte boten das Gericht in der Regel von März bis August an. Insbesondere im 19. und 20. Jahrhundert erlangte die lokale Spezialität große überregionale Bekanntheit und wurde häufig in den Werbeinseraten der Leipziger Gaststuben erwähnt. So warb etwa der Gastwirt von „Lindners Ruhe“ im Gosendorf Eutritzsch mit den Worten „…empfehle ich mich mit Allerlei, großen Krebsen, Entenbraten…“. Die Empfehlung des Allerleis an erster Stelle war vermutlich kein Zufall. Die Herkunft der Bezeichnung „Allerlei“, welche sich um 1900 einbürgerte, ist unklar, die Ergänzung „Leipziger“ scheint das Gemüsegericht jedoch erst mit der Aufnahme in diverse Kochbücher erhalten zu haben. Bis zum Zweiten Weltkrieg galt das Leipziger Allerlei in zahlreichen Familien als typisches Pfingstessen.
Der Überlieferung nach sollten zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach den Napoleonischen Kriegen Steuereintreiber und Bettler aus der reichen Stadt vertrieben werden. Statt gutem Speck sollte nur Gemüse auf den Tisch kommen und anstelle des reichhaltigen Allerleis sollte lediglich eine Schüssel Gemüsebrühe ohne Flusskrebse serviert werden, so dass sich die Steuereintreiber und Bettler lieber nach Dresden und Halle orientierten. Diese Gepflogenheit und die Tatsache, dass die Spezialität ab 1900 als „Winter-Allerlei“ aus der Konservendose oder zu DDR-Zeiten als zerkochte Sättigungsbeilage in den Schul- und Betriebskantinen angeboten wurde, sorgten allmählich für den Ruf eines „Arme-Leute-Essens“. Hinzu kam die Ende des 19. Jahrhunderts aus Nordamerika eingeschleppte Krebspest, welche die Edelkrebsbestände in Deutschland nachhaltig dezimierte. Aus diesem Grund werden die Schalentiere heute zumeist aus dem Ausland bezogen und gelten als Delikatesse.
Das Original-Allerlei: Frühlingsgericht von „nur jungen Gemüsen“
Das Markenzeichen des typischen Leipziger Allerleis waren schon immer die jungen und frischen Gemüse. Aus diesem Grund begann die „Allerlei-Saison“ im Mai bzw. Juni und endete im September. Trotz der späteren Verwendung von Konserven blieb das Qualitätskennzeichen die Frische des leichten und geschmackvollen Frühlingsgerichts. Wirte warben stets mit den Worten „Heute Allerlei von nur jungen Gemüsen“. Entsprechend des klassischen überlieferten Rezepts zählen neben den verschiedenen jungen Gemüsesorten, darunter – je nach Jahreszeit – Blumenkohl, Erbsen, Möhren, Kohlrabi und Spargel, auch Semmelklößchen, Morcheln und Krebsschwänze dazu. Abgerundet wird der Klassiker mit aromatischer Krebsbutter. Wichtig war, dass das Gemüse getrennt gedünstet und erst auf dem Teller mit frischem Grün garniert wurde. Das Original „Leipziger Allerlei“ wird üblicherweise ab April serviert, da zu diesem Zeitpunkt die Schonzeit der Flusskrebse endet, die Spargelsaison beginnt und das Junggemüse frisch geerntet wird.
Die Zubereitung des Original-Rezepts sieht folgende Teilschritte vor: Zunächst wird das Gemüse, darunter etwa junger Kohlrabi, grüne Erbsen, ein Bund Spargel, eine Rose Blumenkohl und ein Bund Karotten, geputzt und gleichmäßig geschnitten. Der Kohlrabi, die Schotenkörner und die Karotten werden jeweils separat in Butter gedünstet, während die Blumenkohlröschen im mit Salz und Butter zugesetzten Milchwasser gekocht werden. Der geschnittene Spargel wird in einer Fleischbrühe gegart und die Morcheln in Butter weich gedämpft. Die gesottenen Krebsschwänze werden zerteilt, die ausgebrochenen Schwänze beiseite gelegt und die geputzten Nasen mit Salz abgerieben. In schaumig gerührter Butter werden vier Eidotter und der Eischnee mit abgeriebener Muskatnuss und Semmelbröseln vermengt. Ein Teil der Masse wird in die Krebsnasen gefüllt und diese anschließend in Butter hellbraun gebacken, aus dem anderen Teil werden Klößchen geformt. Letztere werden fünf Minuten in Salzwasser gekocht. Aus einer Mehlschwitze sowie Spargel- und Blumenkohlwasser wird eine dicke Soße gekocht, welche auf das in eine Schüssel gefüllte Mischgemüse gegeben wird. Die Klößchen und Krebsschwänze werden dazugegeben, alles mit brauner Butter beträufelt und obenauf die Morcheln und Krebsscheren drapiert.
Neben dieser klassischen Zubereitung gibt es weitere Variationen des Gerichts, darunter eine etwas einfachere Variante, bei welcher die Krebsschwänze und Semmelklößchen weggelassen und anstatt der Morcheln Champignons verwendet werden. Die Soße wird mit Sahne verfeinert und das Gemüse mit frischer Petersilie garniert.
Eine halbe Tonne Allerlei auf dem Leipziger Markt…
Im Rahmen der 44. Leipziger Markttage erzielte der Internationale Kochkunstverein Leipzig 1884 e.V. am 25. September 2021 einen offiziellen Weltrekord mit der weltweit „größtenPortion Leipziger Allerlei“. Mit 542 Kilogramm Zutaten wurden die insgesamt 40 Köche auf dem Markt mit der offiziellen Urkunde des Rekord-Instituts für Deutschland ausgezeichnet.Ziel der Aktion war es außerdem, die Öffentlichkeit wieder auf das Originalrezept der Spezialität aufmerksam zu machen und das Gericht von seinem oftmals als spießig angesehenen Image zu befreien. Die zubereitete Portion wurde nach der Zertifizierung durch den Rekordrichter Rolf Allerdissen zum Verzehr freigegeben.