Das auf dem Störmthaler See schwimmende Kunstprojekt VINETA erinnert seit seiner Eröffnung am 3. Juni 2011 als Mahnmal für die dem Braunkohletagebau zum Opfer gefallenen Dörfer. Mit einer Traufhöhe von 15 Metern gilt die VINETA als höchstes schwimmendes Bauwerk auf einem deutschen See und dient als beliebtes Ausflugsziel. Seit der Eröffnung wird sie vom Krystallpalast Varieté Leipzig betrieben.
Kunst statt Kohle: Vom Tagebau zum Schwimmenden Mahnmal
Bis zum Anfang der 1990er Jahre war die Region im Südraum Leipzigs eine weitläufige Braunkohlelandschaft. Im Zuge des Braunkohletagebaus verschwanden zahlreiche Dörfer für immer, darunter allein im zwischen 1937 und 1996 bestehenden Tagebau Espenhain die Gemeinde Magdeborn sowie 19 weitere Siedlungen. Als Anregung für die VINETA diente die Magdeborner Kirche. Die Gemeinde Magdeborn lag rund 12 Kilometer südöstlich von Leipzig. Der Ort wurde um 1940 um eine Siedlung für die Beschäftigten des entstehenden Braunkohlewerks Espenhain erweitert. Gegen Ende der 1960er Jahre wurden die rund 3.200 Einwohner Magdeborns schrittweise aus dem zum Abriss und zur Überbaggerung durch den Tagebau Espenhain freigegebenen Ort umgesiedelt. Dabei handelt es sich um die größte Anzahl an Einwohnern, die im Südraum Leipzigs ihre Heimat aufgrund des Braunkohleabbaus verlassen musste. Die letztliche Überbaggerung fand zwischen 1977 und 1980 statt. Heute ist ein Großteil der Fläche des ehemaligen Dorfes Magdeborn vom Störmthaler See bedeckt, der andere Teil gehört zum 1996 nach Großpösna eingemeindeten Störmthal. VINETA symbolisiert heute die einstige, das Stadtbild Magdeborns prägende Magdeborner Kirche. Vor ihrem Abriss wurde letztere am 3. September 1978 entwidmet und ihr Inventar in anderen Kirchen untergebracht, so etwa die Orgel in der Martin-Luther-Kirche Markkleeberg, drei Glocken in der Pauluskirche im Leipziger Stadtteil Grünau und der Altar in der Lutherkirche Chemnitz-Harthau.
Seit Ende der 1990er Jahre arbeitete eine Leipziger Künstlergruppe mit dem Leitnamen „Kunst statt Kohle“ an der Entwicklung von Kunstobjekten, welche eine Verbindung zwischen Geschichte und Landschaft darstellen sollten. In diesem Zuge entstanden neben den Projekten „Sirenen“, „Schmetterling“ und „Versteinerte Zeit“ auch die VINETA als schwimmendes Mahnmal in Gedenken an die rund 24.000 Menschen, die aufgrund des Espenhainer Braunkohletagebaus ihre Heimat verloren. Nach der Flutung der Tagebaulöcher entstanden der Störmthaler See und der Markkleeberger See.
Kultur- und Gedächtnisstätte am historischen Standort
Die Anregung zum Bau der VINETA stammte von der Künstlerin Ute Hartwig-Schulz. Die erste Idee zu einer Installation in Form eines aus dem Wasser ragenden Kirchturms kam der Bildhauerin bereits 13 Jahre vor der letztlichen Umsetzung. Der Überlieferung nach versank die Stadt Vineta aufgrund ihrer unverhältnismäßigen Prachtentfaltung und Prunksucht im Zuge einer verheerenden Flut als Gottesurteil vor etwa 1.000 Jahren in der Ostsee.
Die Grundsteinlegung für den Bau der VINETA erfolgte im Jahr 2002 durch den Einbau von vier, die Ankerkette haltenden Fundamenten, in den trockenen Seegrund. Während der zunächst natürlichen Flutung des Tagebaulochs ab 2001 trug ein Hilfsponton die Ketten nach oben. Im Jahr 2003 begann die aktive Flutung des Tagebaus Espenhains, dem zukünftigen Areals des Störmthaler Sees. Nach der langwierigen Planungsphase und der Beschaffung von notwendigen Fördermitteln erfolgte 2007 die Anlieferung und der Bau des 300 Quadratmeter großen, unsinkbaren und etwa 260 Tonnen schweren Pontons, dem schwimmenden Fundament der VINETA. Von 2009 bis 2010 wurde das Kunstobjekt schließlich in Form eines 15 Meter hohen Baukörpers in Anlehnung an die Kirchturmspitze der verloren gegangenen Magdeborner Kirche errichtet und inmitten des entstandenen Störmthaler Sees verankert. Das schwimmende Kunstwerk befindet sich rund 630 Meter vom Ufer entfernt über jenem Platz, an dem zuvor das überbaggerte Gotteshaus statt.
Seit ihrer Eröffnung am 3. Juni 2011 mahnt die VINETA die ideellen und materiellen Verluste aufgrund des stetig wachsenden Energieverbrauchs der Menschen an. Im Kontrast dazu steht der in das Bauwerk integrierte Niedrigstenergieraum und die damit verknüpfte Idee einer Erweiterung der Gedanken von Erinnerung und Verlust um eine nachhaltigere Alternative in Form eines ökologischen Energieverbrauchs.
Ausflugsziel mit Seltenheitswert: Von Trauung bis Konzert
Das Ziel der Architektin Ute Hartwig-Schulz, ein Kunstwerk zu schaffen, welches sich in die Landschaft einfügt, im Inneren kulturell genutzt und als Ort der Erinnerung mit Leben gefüllt werden soll, wurde erreicht: Als höchstes freischwimmendes Denkmal auf einem deutschen See bildet die VINETA seit ihrer Eröffnung einen Veranstaltungsrahmen der besonderen Art. Auf der Insel finden alljährlich zahlreiche Trauungen, Kulturveranstaltungen wie Lesungen und Konzerte sowie exklusive Feierlichkeiten statt. Die vom Betreiber, Krystallpalast Varieté Leipzig, organisierten Events dienen in den warmen Sommermonaten als Ausgleich für das winterlastige Geschäft des Varietés. Von April bis Oktober fährt außerdem die „VINETA-Fähre“ ausgehend vom VINETA-Hafen zur schwimmenden Insel. Während der Fahrt erfahren die Gäste Wissenswertes über die Tagebau- und Seenlandschaft.
Am VINETA-Hafen befindet sich neben 2 Stegen und 30 Liegeplätzen für Segel- und Motorboote auch das für Veranstaltungen genutzte Hafengebäude. Im VINETA-Bistro am Dispatcherturm mit teils überdachtem Freisitz wird den Besuchern eine Auswahl an verschiedenen Getränken und frisch zubereiteten, regionalen Speisen angeboten. An einigen Tagen im Jahr wird frisch geräucherter Fisch aus der Region serviert. Übernachtungsmöglichkeiten bestehen seit März 2019 im Schlafstrandkorb und im Miet-Elektro-Boot vor Ort. Am VINETA-Anleger unterhalb des Bistros sind außerdem zahlreiche Freizeitangebote wie ein Bootsverleih, Jetski, Stand-Up-Paddling, Flyboard sowie ein Beachvolleyball-Feld zu finden. Wer es weniger sportlich liebt, der kann sich am kleinen Sandstrand abkühlen und ausruhen.
Seit ihrer Errichtung trägt die VINETA als beliebtes Ausflugsziel zur Steigerung des Bekanntheitsgrades des Leipziger Neuseelands als Tourismusmagnet bei und entwickelte sich zu einem Wahrzeichen der Region. Lagovida?
Stand: 27.09.2023