Rabensteinplatz

Rabensteinplatz | Ortsteil: Zentrum-Südost

Der Rabensteinplatz war seit dem Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert eine von mehreren Richtstätten Leipzigs. Hier gab es Hinrichtungen der ehrenvolleren Art von Delinquenten auf dem Schafott. Diese fanden auf einem steinernen Podest vor der Öffentlichkeit statt. Nach dem Abbruch des Galgens und des Rabensteins im Jahr 1822 wurde der Platz 1866 nach Plänen des Ratsgärtners Otto Wittenberg als landschaftliche Anlage mit barocker Brunnenanlage und Spielplatz umgebaut. 1951 wurde der Rabensteinplatz neugestaltet und der Froschbrunnen im Jahr 2018 mit einer neuen Brunnenplastik ausgestattet. Heute steht die Grünanlage des Rabensteinplatzes unter Denkmalschutz.

Thomanergesang zu ehrenhaften Hinrichtungen auf dem Rabensteine…


Der sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum
Johannisplatz und dem Grassimuseum befindliche geschichtsträchtige Rabensteinplatz blickt auf eine wechselvolle Historie zurück. Nachdem die Stadt im Jahr 1423 von Kurfürst Friedrich I., Herzog von Sachsen, die selbstständige Gerichtsbarkeit erhielt, diente das Areal im Mittelalter als Hinrichtungsstätte. Der Strafvollzug wurde an verschiedenen Stellen innerhalb und außerhalb der Stadtgrenzen ausgeübt. Einer dieser Hinrichtungsorte war der Rabensteinplatz, wo auf einem steinernen Podest, dem Rabenstein, Enthauptungen von Delinquenten durchgeführt wurden. Dies stand im Mittelalter nur höherrangigen Personen zu. Eine weitere Hinrichtungsstelle befand sich zu dieser Zeit am Gerichtsweg, wo an einem Doppelgalgen gewöhnliche Verbrecher hingerichtet wurden. 

In Johann Wolfgang Goethes „Faust“ wird der Rabenstein in der Szene „Nacht. Offen Feld“ als unheimlicher Ort erwähnt, der dem Dichter aus seiner Zeit in Leipzig bekannt war. Noch bis ins 18. Jahrhundert fanden auf dem Rabensteinplatz Hinrichtungen statt, bevor diese in das Stadtzentrum auf den Markt verlegt wurden. Da die Todesstrafe zu dieser Zeit normalerweise durch Erhängen am Galgen vollstreckt wurde, galt die Hinrichtung mit dem Richtschwert auf dem Rabensteinplatz als verhältnismäßig ehrenvoll.

Zur Namensherkunft des Rabensteinplatzes gibt es verschiedene Überlieferungen. Neben dem unter dem Namen „Rabenstein“ bekannten steinernen Podest, auf welchem die Hinrichtungen stattfanden, besagt eine weitere Überlieferung, dass die sterblichen Überreste der Enthaupteten zur Abschreckung auf dem Platz der Hinrichtung für die Raben hinterlassen wurden. Der Name existiert ebenfalls in anderen Städten mit ähnlichen Hinrichtungsstätten, etwa in Erfurt, Berlin, Frankfurt und Wien. Die Teilnahme an den Hinrichtungen war für die Bewohner der Städte Pflicht und ein Nichterscheinen strafbar. Die öffentlichen Hinrichtungen sollten der Abschreckung und der Machtdemonstration dienen und galten bis ins 19. Jahrhundert als ein Spektakel, das vom Volk geliebt wurde. Die Hinrichtungsstätten wurden über Jahrhunderte hinweg aufwändig instandgehalten. Wie aus Überlieferungen hervorgeht, wurde der Rabenstein im Jahr 1619 zu einer ca. drei Meter hohen Bühne mit ovalem Grundriss und einem Behältnis für die Werkzeuge des Scharfrichters umgebaut. Die zur Hinrichtung verurteilten Delinquenten begleitete man in einer Prozession vom Alten Rathaus bis zum Schafott. Besonders üble Verbrecher wurden auf einer Kuhhaut bis zur Hinrichtungsstätte geschleift. Da den Verurteilten geistlicher Beistand zustand, musste der Thomanerchor auch zu solchen Anlässen singen.

Von der einst gemiedenen Richtstätte zum beliebten Aufenthaltsort


Wann die letzte Hinrichtung auf dem Rabensteinplatz stattfand, ist nicht genau überliefert. Der Rabenstein und die Galgen wurden im Jahr 1822 abgebrochen und zum Gedenken an der Ecke Gerichtsweg / Dresdner Straße ein Markstein gesetzt, der noch heute als
Denkmal für das Hochgericht Leipzig besichtigt werden kann.

Durch den Verlust seiner einstigen Bedeutung wurde der Rabensteinplatz in der Folgezeit von den Bürgern der Stadt gemieden. Der Platz wurde zwischenzeitlich von der Stadt als Lagerplatz für Baumaterialien oder im Winter für den von den Straßen geräumten Schnee genutzt. 

Im Jahr 1843 stellte Ratsgärtner Otto Wittenberg erste Überlegungen an, den Platz als Gartenanlage umzugestalten. Der überarbeitete Plan wurde aus Kostengründen 23 Jahre später 1866 vom „Comitee zur Unterstützung brodloser Arbeiter“ mit Arbeitslosen umgesetzt. Anstelle der ursprünglich geplanten landschaftlichen Anlage entstand ein funktional aufgebauter, symmetrisch gestalteter Stadtplatz mit zwei ovalen Sandflächen als Spielflächen für die Kinder, Bäumen und sieben Sitzbänken. In den Folgejahren fanden zahlreiche gestalterische Veränderungen und Erweiterungen am Platz statt, der sich zu einem beliebten Aufenthaltsort der Bürger nahe der Innenstadt entwickelte. Initiiert von den aufstrebenden, zunehmend selbstbewussten Bürgern wurde 1869 aus Spendengeldern auf dem östlichen Bereich des Platzes ein barocker Brunnen, bestehend aus einem Bassin mit Fontäne und zwei unterschiedlich großen Schalen, ergänzt. Die von der Firma M Czarnikow & Co. Kunststein und Zinngießerei geschaffenen drei Delphine und drei Knaben gießen Wasser in das Becken. Im Jahr 1880 erhielt der Rabensteinplatz ein öffentliches Pissoir für drei Personen. 1909 wurde auf dem Platz der vermutlich älteste noch bekannte Froschbrunnen erbaut. Die vom Bildhauer Werner Stein geschaffene Brunnenplastik zeigte eine Figurengruppe bestehend aus einem großen, wasserspeienden Frosch mit zwei Kindern, während der Beckengrund mit einem Mosaik aus goldenen und blauen Glassteinen verziert war. 

Während des 2. Weltkriegs wurde zum Schutz der Bevölkerung ein Luftschutzbunker auf dem östlichen Teil des Rabensteinplatzes errichtet, wofür der Fontänebrunnen demontiert werden musste. 1942 wurde die bronzene Figurengruppe als „Metallspende des Deutschen Volkes an den Führer“ demontiert. Jahrzehnte lang war nur noch der Beckenrest zu sehen. Nach 1945 wurden die sichtbaren Teile des Luftschutzbunkers entfernt und der unterirdische Teil mit Erde überdeckt. Im Jahr 1951 erfolgte die Umgestaltung des Rabensteinplatzes nach Plänen des Landschaftsarchitekten Gerhard Scholz. Diese nahmen jedoch keinen Bezug auf die ursprüngliche Anlage von Wittenberg. Stattdessen wurde eine dem damaligen Zeitgeist entsprechende landschaftliche Anlage geschaffen. Nach einigen Jahren der Vernachlässigung wurde der Rabensteinplatz 2017 neu bepflanzt und ein Jahr später der Froschbrunnen mit der vom Leipziger Bildhauer Markus Gläser geschaffenen Brunnenplastik wieder in Betrieb genommen. Der Rabensteinplatz steht heute unter Denkmalschutz. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Rabensteinplatz

Orte der Friedlichen Revolution – Stelenprojekt

Stadtraum | Ortsteil: Zentrum (drei weitere Standorte befinden sich außerhalb des Zentrums)

Das Stelenprojekt für die „Orte der Friedlichen Revolution“ markiert seit dem 9. Oktober 2010 insgesamt 20 Originalschauplätze der Aktionen des politischen Widerstands gegen das SED-Regime zwischen dem 15. Januar 1989 und dem 18. März 1990. Initiator des Projektes ist das Bürgerkomitee Leipzig e.V., das auch Träger der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ mit dem Museum im Stasi-Bunker ist. Es möchte mit den Stelen die geschichtlichen Ereignisse für Leipziger und Touristen vergegenwärtigen und an die Kraft des Demokratie-Gedankens erinnern. Die Umsetzung des Projekts erfolgte in Zusammenarbeit mit der Stadt, dem Freistaat und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die 20 Stelen informieren chronologisch auf deutsch-englischen Tafeln mit historischen Fotos über die Aktionen und machen die zeitliche sowie räumliche Dimension der Protestbewegungen in Leipzig erlebbar.

Lebendige Stadtgeschichte im Zeichen der Friedlichen Revolution


Die Idee zum Stelenprojekt geht auf das Bürgerkomitee Leipzig e.V. für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit zurück. Dieses stellte bereits anlässlich des 50. Jahrestags des Volksaufstandes von 1953 am 17. Juni 2003 an elf Orten im Stadtgebiet Stelen auf, die an wichtige Ereignisse des Aufstandes erinnerten. Das Bürgerkomitee sah diese nicht als Denkmale, sondern als Kennzeichen für markante Punkte der Stadtgeschichte an. Die Stelen sollten anfangs nur kurze Zeit stehen, wurden jedoch so gut angenommen, dass einer Weiterentwicklung des Projektes nichts im Weg stand. Im Jahr 2004, dem 15. Jahrestag der
Friedlichen Revolution, kamen zwei weitere Stelen hinzu. Anschließend entstand der Plan, im Jahr 2009 an insgesamt 25 Orten der Friedlichen Revolution Stelen zu positionieren. Diese Zahl wurde schließlich auf 20 reduziert. Die ersten Stelen wurden am 9. Oktober 2010 aufgestellt und sukzessive ergänzt. Neben der Vergegenwärtigung der geschichtlichen Ereignisse sollen die Stelen vorrangig an die Kraft des Demokratie-Gedankens erinnern, welcher die Bürger der DDR zur eigenen Befreiung aus der Diktatur befähigte. Ferner soll auf die Bedeutung der Zivilcourage aufmerksam gemacht und die Beweggründe der Akteure in der Friedlichen Revolution und ihr Kampf für einen freien und demokratischen Staat ins Gedächtnis gerufen werden.

20 Originalschauplätze: Von der ersten Demonstration für demokratische Grundrechte zur ersten freien Volkskammerwahl


Die drei Meter hohen Stelen sind aus sogenanntem Steckmetall gefertigt. Das Material wurde einst für Grenzbefestigungen an der deutsch-deutschen Grenze verwendet. Der Entwurf für die Stelen stammt vom Frankfurter Studio KW.Kommunikationsdesign, welches aus dem Gestaltungswettbewerb als Sieger hervorging. Auf den Stelen angebrachte Tafeln vermitteln die Besonderheit und Komplexität der Friedlichen Revolution mit deutschen und englischen Texten sowie entsprechenden Fotos. Durch die historischen Fotografien lässt sich auch der Stadtwandel seit 1989 nachvollziehen. Die Idee zu den Informationstafeln entstand in Anlehnung an Ausdruckweisen der Erinnerungskultur, welche nach einschneidenden Erlebnissen an zahlreichen Orten des Geschehens in Form von beispielsweise ausgehangenen Zetteln, Schildern, Kerzen oder Blumen zu finden sind und die Gefühle zum Ausdruck bringen. Dies war auch im Herbst 1989 der Fall, als die Leipziger Bürger an der
Nikolaikirche auf diese Weise die Freilassung von politischen Inhaftierten forderten.

Durch die Stelen wird die zeitliche und räumliche Dimension der Friedlichen Revolution in Leipzig erlebbar. Sie markieren nicht nur die 20 wichtigsten Punkte, sondern bilden zugleich eine Chronologie der Ereignisse ab, angefangen am 15. Januar 1989 mit der ersten Demonstration für demokratische Grundrechte (Station 1) bis zur ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 (Station 20). An der Ecke der Ritterstraße wird beispielsweise an das Friedensgebet und die Ausreisedemonstration während der Frühjahrsmesse 1989 erinnert (Station 2), während auf Höhe der Goethestraße eine Stele zu den landesweiten Protesten im Zuge der Feiern zum 40. Jahrestag der DDR aufgestellt ist (Station 12). Am südlichen Eingang zum City Tunnel auf dem Markt wird an die gefälschte Kommunalwahl und die anschließenden Proteste am 7. Mai 1989 erinnert. Die Stele 11 befindet sich am Tröndlinring und vergegenwärtigt die Montagsdemonstration am 2. Oktober 1989, aus der sich mit 20.000 Teilnehmern eine Massenbewegung entwickelte. Gegenüber dem ehemaligen Alten Landratsamt erinnert Station 15 an die größte Leipziger Montagsdemonstration am 6. November 1989. Den Höhepunkt der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 1989 markieren die Stationen 13 und 14 auf dem Augustusplatz bzw. dem Willy-Brandt-Platz.

Individueller Stadtrundgang mit der App „Leipzig `89“


Seit 2015 können die 20 Originalschauplätze auch digital mit der App „Leipzig ’89“ in Form eines mehrsprachigen Audioguides abgerufen werden. Somit ist es möglich, dass die Nutzer des GPS-gestützten Rundgangs den Stadtwandel direkt vor Ort auf individuelle Weise erkunden. Anhand von QR-Codes an den Stelen kann die App auf mobile Endgeräte heruntergeladen werden. Die einzelnen Stationen können auch direkt aufgerufen werden. Zusätzlich zur deutschen Version ist die App auch in englischer, französischer, spanischer, italienischer, niederländischer und arabischer Sprache erhältlich. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Orte der Friedlichen Revolution – Stelenprojekt

Opernhaus

Augustusplatz 12 | Ortsteil: Zentrum

Das Opernhaus an der Nordseite vom Augustusplatz wurde 1956 bis 1960 nach Plänen von Kunz Nierade und Kurt Hemmerling als erster Theaterneubau der DDR errichtet und zählt zu den schönsten Bauten des Stils der ausgehenden 1950er Jahre. Die Oper Leipzig besteht als Drei-Sparten-Theater aus der Oper und dem Leipziger Ballett in der Spielstätte des Opernhauses sowie der Musikalischen Komödie im Haus Dreilinden in Lindenau. 

Der erste Theaterneubau der DDR entsteht


Das Opernhaus beherrscht die Nordfront des Augustusplatzes und befindet sich vis-à-vis zum
Gewandhaus. Durch seine strenge und kompakte Gliederung nimmt es eine dominierende Stellung zwischen den späteren Neubauten ein. 

Die Leipziger Operntradition reicht bis zur Gründung des ersten „Opernhauses am Brühl“ 1693 zurück. Nach Abriss dieser Spielstätte öffnete die zweite Leipziger Oper unter dem Namen Comödienhaus – später „Theater der Stadt Leipzig“ – 1766 auf der Ranstädter Bastei, dem heutigen Richard-Wagner-Platz. Als die Spielstätte für die wachsende Einwohnerzahl zu klein wurde, entstand ab 1868 das Neue Theater auf dem Augustusplatz als Vorgängerbau des heutigen Opernhauses. Der Entwurf stammte von Carl Ferdinand Langhans. Während des amerikanischen Luftangriffs in der Nacht vom 3. auf den 4. Dezember 1943 wurden beide Leipziger Theater zerstört. Das Opernensemble war zwischenzeitlich im Haus Dreilinden als Ausweichspielstätte untergebracht. Der Bau des neuen Opernhauses erfolgte in einer Zeit des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Ein Jahr nach der Gründung der DDR 1949 sollte in Leipzig der erste große Theaterneubau als Teil der sozialistischen Bebauungspläne im Stadtzentrum entstehen. Um Platz für das neue Opernhaus mit Vorbildwirkung für andere Theaterbauten zu schaffen, wurde die Ruine des zerstörten Neuen Theaters gänzlich abgetragen. Der Neubau sollte ursprünglich die Maße und Anordnung des vorherigen Baus wieder aufnehmen. Dieses Vorhaben erwies sich jedoch als nicht durchführbar, da die Anforderungen an ein Opernhaus hinsichtlich der Technik, der Bühnenanlage und der Gestaltung des Foyers deutlich gestiegen waren. 

Vom umstrittenen Prestigebau zum internationalen Aushängeschild


Im Vorfeld wurden zahlreiche Projekte ausgearbeitet und das Bauvorhaben heftig diskutiert. Das Interesse am neuen Opernhaus war seitens der Bevölkerung, der Stadt sowie der Regierung sehr hoch. Im Jahr 1950 wurde ein erster Wettbewerb ausgeschrieben, an dem sich namhafte Architekten wie
Hans Scharoun, Bauherr der Berliner Philharmonie, beteiligten. Da unter den eingereichten Entwürfen keiner überzeugte, wurde 1951 ein zweiter Wettbewerb ausgeschrieben unter der Prämisse, das Opernhaus und den neugestalteten Karl-Marx-Platz schöpferisch zu verbinden. Auch im Rahmen der zweiten Ausschreibung wurde kein Entwurf als umsetzbar erachtet, so dass 1952 ein dritter Wettbewerb stattfand. Diesen konnte der polnische Architekt Piotr Bieganski für sich entscheiden. Seine sich an sowjetischen Modellen orientierenden Pläne wurden im Nachgang jedoch als zu kompliziert sowie wirtschaftlich nicht vertretbar kritisiert und schließlich verworfen. Um einer weiteren Verzögerung vorzubeugen, erhielten die Architekten Kurt Hemmerling und Kunz Nierade 1954 den Bauauftrag für das Prestigeprojekt der jungen DDR. Während des Baus erfolgte eine ständige beratende Begutachtung durch den Architekturbeirat der DDR. Auch der Vorsitzende des Staatsrates, Walter Ulbricht, nahm mehrmals persönlich an den Konsultationen teil. Nach sechsjähriger Bauzeit wurde das Opernhaus am 8. Oktober 1960 mit der Aufführung „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner feierlich eingeweiht. Heute zählt es zu den schönsten Bauten im Stil der ausgehenden 1950er Jahre.

Die Oper Leipzig war auch eine bedeutende Wirkungsstätte namhafter Musiker und Komponisten, darunter Georg Philipp Telemann, der 1701 die „Direction über die Opern“ übernahm. Albert Lortzings Werke „Zar und Zimmermann“ sowie „Der Wildschütz“ wurden 1837 bzw. 1842 uraufgeführt, ebenso wie 1878 Richard Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Gustav Mahler wirkte von 1886 bis 1888 als zweiter Kapellmeister.

Wenn Klassizismus und DDR-Moderne aufeinander treffen…


Durch die lange Planungsphase des Opernneubaus wandten sich die Architekten von der ursprünglich geplanten neoklassizistischen Architektur im sowjetischen Stil ab. Das Gebäude ist von Schlichtheit sowie klassischer Strenge geprägt. Es handelt sich bei ihm um eine Stahlbetonkonstruktion in Form einer Stufenpyramide mit sieben Geschossen und einer Höhe von 52 Metern. Der kubische Baukörper wird durch ein klassisch gestaltetes Satteldach mit Giebel und darüberliegendem quadratischen Bühnenturm abgeschlossen. Die vier Ecken des Daches sind mit einer vergoldeten Taube als Friedenssymbol verziert. Die Gebäudefront zum Augustusplatz wird durch einen zweigeschossigen Portikus hervorgehoben. Die Fassade aus Pirnaer Sandstein ist mit einem 350 Meter langen Attikageländer gestaltet. Über den Fenstern im Erdgeschoss sind von
Walter Arnold geschaffene Flachreliefs angebracht, welche das Staatsensemble der DDR sowie Theatersymbole abbilden. Den Eingangsbereich der Oper erreicht man über die zu einer zweigeschossigen Loggia führende Freitreppe. Die acht Pfeiler tragen die Balkone vor dem Parkett- und Rangfoyer. Durch die goldfarbenen Fenster, Türen und Säulen aus Aluminium erhält der Bau in Verbindung mit seiner Sandsteinfassade einen repräsentativen Charakter. Die Rückseite des Gebäudes wird von einer Parkanlage mit dem Schwanenteich als Teil des Promenadenrings begrenzt. Sie verfügt über eine Terrasse und imposant gestaffelte Bautrakte. Vor dem Opernhaus wurde nach 1990 eine runde Brunnenanlage mit Fontäne angelegt, welche optisch an das einstige Rasenrondell Ende des 18. Jahrhunderts erinnert. 

Von der Knospe zur Dolde – was Opernhaus und Pusteblume gemein haben


Auch bei der Innenarchitektur der Oper wurde auf ihre Repräsentanz abgezielt. Im Erdgeschoss befindet sich die Garderobenhalle, die mit einem blauschwarzen Diabasfußboden ausgestattet ist. Die Wände sind zum Teil mit handgefertigten Fliesen aus Meißner Porzellan verziert. Die Zuschauer gelangen über elegant aufwärts schwingende und doppelläufige Treppen in das Parkett- und Ranggeschoss des Zuschauerraums, der von großzügig gestalteten Foyers umfasst wird. Vergoldete Zierornamente, rote Teppiche sowie holzverkleidete Wände aus Schweizer Birnbaum und Riegelahorn verkörpern den Charakter der Erbauungszeit. Von den ornamental gestalteten Decken hängen auffällige Leuchten in Pusteblumen-Ästhetik. Diese sind den verschiedenen Stadien der Pflanzenblüte nachempfunden und ziehen sich in abgewandelter Form durch das gesamte Gebäude: Während die Lampen in der Garderobenhalle noch in Form von Knospen abgebildet sind, präsentieren sich diese im Parkettfoyer bereits als Blüte mit den Dolden einer Pusteblume. 

Der Opernsaal mit dem trapezförmigen Zuschauerraum beherbergt eine 30 mal 23 Meter große Hauptbühne und verfügt über 1.273 Sitzplätze im 25-reihigen Parkett und im 12-reihigen Rang. Die mit Riegelahorn verkleideten, gefalteten Wände und die zur Bühne hin flach ausgelegte Kassettendecke sorgen für eine ausgezeichnete Akustik. Die Hauptbühne umfasst einen Portalausschnitt von 12,5 Metern Höhe und 16 Metern Breite. Davor befindet sich der Orchestergraben, in dem das Gewandhausorchester spielt. Die von Kurt Hemmerling geschaffene Bühne mit versenkbaren Podien und Drehbühne mit einem Durchmesser von 18 Metern zählt noch heute zu den modernsten ihrer Art in Deutschland. In Kombination mit einer hinteren und zwei seitlichen Schiebebühnen wird eine schnelle Verwandlung des Bühnenbildes ermöglicht. Im Saal befinden sich außerdem die Intendanten- und die Stadtloge, welche über separate Eingänge erreicht werden. Das Repertoire der Oper ist vielfältig und reicht vom Barock bis zur Gegenwart. Fester Bestandteil des Spielplans sind die Werke Richard Wagners und Albert Lortzings. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Opernhaus

Historisches Bildmaterial - Opernhaus

Nikolaisäule

Nikolaikirchhof | Ortsteil: Zentrum

Die Nikolaisäule befindet sich auf der östlichen Seite des Nikolaikirchhofs neben der Nikolaikirche und erinnert an die Montagsdemonstration vom 9. Oktober 1989. Sie wurde nach einem Entwurf von Andreas Stötzner vom Leipziger Bildhauer Markus Gläser ausgeführt und anlässlich des 10. Jahrestags der Friedlichen Revolution am 9. Oktober 1999 enthüllt. Bei der mit grünen Palmblättern bekrönten 16 Meter hohen, klassizistischen Säule handelt es sich um eine entsprechende Replik aus dem Kirchenschiff der Nikolaikirche. Die Palmblätter erinnern als Symbole des Friedens an die Friedliche Revolution und ihre Ursprünge in den Friedensgebeten.

Eine Friedenssäule auf dem Platz, „auf dem alles begann“


Mit der legendären Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 wurden das politische Ende der DDR und die Wiedervereinigung eingeleitet. Als Ausgangspunkt dieser revolutionären Bewegungen im Herbst 1989 galt die Nikolaikirche. An den Punkt, wo sich nach den Friedensgebeten die Montagsdemonstranten versammelten, erinnert die Nikolaisäule auf dem Nikolaikirchhof gegenüber dem
Predigerhaus.

Im Zuge der Sanierung und Umnutzung der Alten Nikolaischule sollte zugleich auch der Nikolaikirchhof künstlerisch und stadtgestalterisch aufgewertet werden. 1992 wurde von der Kulturstiftung Leipzig ein internationaler Wettbewerb zur Neugestaltung des Nikolaikirchhofs ausgeschrieben. Ziel war es, auf dem Platz, „auf dem alles begann“, in würdiger Form an die Friedliche Revolution und die daraus resultierenden tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen zu erinnern und diese erlebbar zu machen. Die Grundlagen für den Wettbewerb wurden auf Anregung von Heinz-Jürgen Böhme in einer Stiftungsratssitzung am 31. Januar 1991 beschlossen. Nur zwei Monate später sicherte die Stadt Leipzig ihre inhaltliche und finanzielle Unterstützung zu, auch die Landesregierung Nordrhein-Westfalens beteiligte sich mit einer großzügigen Summe von 83.200 DM am Ideenwettbewerb. Das von der Kulturstiftung Leipzig ausgearbeitete Wettbewerbskonzept richtete sich an bildende Künstler und Arbeitsgemeinschaften aus Architekten und Künstlern aus Deutschland, Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn. Die aus 13 Wissenschaftlern, Kulturpolitikern, Stadtplanern, Künstlern und Architekten bestehende Fachjury entschied sich nach der Beurteilung der eingereichten Entwürfe anstatt der Vergabe eines ersten Preises für die Nominierung von zwei Preiskategorien mit je vier Preisträgern. Die Preisträger der ersten Kategorie waren mit jeweils 9.000, die der zweiten mit jeweils 3.800 DM dotiert. In der ersten Kategorie wurden Andreas Heinke Binder, Andreas Martin, Manfred Küster und Andreas Stötzner ausgezeichnet, in der zweiten Clemens Brocker, Heinz-Jürgen Böhme, Bill Fontana in Zusammenarbeit mit Kister Scheithauer und die Partnerschaft aus Andreas Gaiser und Thomas Lehnerer. Am 10. Januar 1994 wurde unter vier gleichwertigen Entwürfen der Leipziger Künstler Andreas Stötzner mit seiner originalen Nachbildung einer Säule aus dem Kirchenschiff der Nikolaikirche vom Beirat „Kunst im öffentlichen Raum“ zum Sieger gekürt.

Die notwendigen Mittel von 260.000 DM wurden zur Hälfte durch Spenden von Bürgern, Einrichtungen und Unternehmen, zum anderen Teil von der Stadt Leipzig und der Bundesregierung aufgebracht. Im Herbst 1997 startete eine Spendenaktion in Form einer Versteigerung von 15 Flaschen Wein vom Weinstock an der Alten Nikolaischule, die von Kurt Masur signiert waren. Das Bankhaus Reuschel & Co veranstaltete ein Benefizkonzert zugunsten des Denkmals, die US-Airforce-Band spendete den Ertrag eines Gewandhaus-Konzerts und der Vorsitzende der Frankfurter Aufbau AG erbat sich bei seinem Ausscheiden anstelle von Geschenken Spenden für die Säule. Die Namen aller Spender wurden in einer Kupferröhre im Innern der Säule festgehalten. Mit der Ausführung wurde der Leipziger Bildhauer Markus Gläser mit seiner Firma beauftragt. Am 9. Oktober 1999, dem 10. Jahrestag der Friedlichen Revolution, wurde die Nikolaisäule nach dem Friedensgebet im Beisein von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee auf der Ostseite des Nikolaikirchhofs neben der Nikolaikirche vor Hunderten Bürgern enthüllt.

Vom „Tree of Liberty“ und der klassizistischen Palme als Freiheitsbaum


Die Nikolaisäule schafft einen starken räumlichen Akzent, der in würdiger Relation zum Denkmalensemble Nikolaikirchhof steht. Sie gilt als eine äußerst positive und offene Form der Erinnerung an den Herbst 1989 und trägt den Gedanken des Aufbruchs während der Friedlichen Revolution aus der Kirche hinaus. Die Nikolaisäule als Abbild der klassizistischen Säulen im Kirchenschiff der Nikolaikirche wurden von Andreas Stötzner als Baum neuinterpretiert, der nach oben geöffnet an eine Palme erinnert. Die Palmblätter als Symbole des Friedens erinnern an die Friedliche Revolution und ihre Ursprünge in den Friedensgebeten. Damit griff der Künstler auch das in den Revolutionsjahren Ende des 18. Jahrhunderts stark verbreitete Bild der Friedensbäume auf, welches weltweit als Symbol der Auflehnung gegen die herrschende Klasse angesehen wurde. Diese Tradition ist der Überlieferung nach auf eine Ulme in Boston, den sogenannten „Tree of Liberty“, zurückzuführen. Dieser galt als zentraler Versammlungsort des amerikanischen Widerstands während des Unabhängigkeitskrieges gegen die Unterdrückung durch die britische Kolonialmacht. Im Zuge der Französischen Revolution verbreitete sich durch den Freiheitsbaum der Jakobiner dieser Brauch in ganz Europa.

Die vor der Säule im Boden liegende Bronzeplatte mit eingelassenen Schuhabdrücken und der Aufschrift „9. Oktober 1989“ wurde ebenfalls von Markus Gläser entworfen und umgesetzt. Die Schuhabdrücke weisen in Richtung Augustusplatz, dem früheren Karl-Marx-Platz, wohin im Oktober 1989 bis zu 500.000 Leipziger im Zuge der abendlichen Montagsdemonstrationen pilgerten und friedlich gegen das DDR-Regime demonstrierten. Seit dem 9. Oktober 2009 wird die Nikolaisäule bei Dunkelheit durch drei Bodenstrahler illuminiert und entfaltet somit auch eine attraktive Wirkung bei Nacht.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Nikolaisäule

Neues Theater

Augustusplatz 12 | Ortsteil: Zentrum

Der Vorgängerbau des Opernhauses, das Neue Theater, wurde zwischen 1864 und 1868 nach Entwürfen des Theaterbaumeisters Carl Ferdinand Langhans auf dem Augustusplatz erbaut. Die Bauleitung und Detailplanung hatte der Architekt Otto Brückwald inne. Mit einer Aufführung von Johann Wolfgang Goethes Iphigenie auf Tauris wurde das Neue Theater am 28. Januar 1868 feierlich eingeweiht. Der Zuschauerraum bot 2.000 Zuschauerplätze sowie 300 Stehplätze. Das Neue Theater wurde 1943 bei einem schweren Luftangriff zerstört. An der gleichen Stelle entstand zwischen 1956 und 1960 das heutige Opernhaus.

Ballett und Oper in Leipzigs Neuen Theater


Leipzig blickt auf eine lange Tradition als Opernstadt zurück, die bis ins späte 17. Jahrhundert zurückreicht. Im Jahr 1693 wurde mit dem ersten Opernhaus am Brühl nach Hamburg und Venedig das dritte bürgerliche Musiktheater Europas eröffnet. Gegenüber dem
Gewandhaus zu Leipzig auf der Nordseite des Augustusplatzes befindet sich das 1956 bis 1960 von Kunz Nierade geschaffene Opernhaus der Stadt. Der Nachkriegsbau erinnert in Ansätzen an seinen Vorgängerbau, das Neue Theater. Anders als die Bezeichnung vermuten lässt, fanden Theateraufführungen in dem Gebäude eher selten statt. Das Neue Theater diente stattdessen vorrangig dem Ballett und der Oper. Es wurde zwischen 1864 und 1868 nach Entwürfen des Theaterbaumeisters Carl Ferdinand Langhans erbaut, Sohn von Carl Gotthard Langhans, der das Brandenburger Tor in Berlin schuf. Als Hauptwerk von Carl Ferdinand Langhans gilt die Staatsoper Unter den Linden in Berlin. Die Bauleitung und Detailplanung hatte der Architekt Otto Brückwald inne, welcher auch das Festspielhaus in Bayreuth und das Hoftheater in Altenburg schuf. Die Kosten für den Bau des Neuen Theaters beliefen sich inklusive Außengestaltung und Inventar auf rund 1.670.000 Mark. Diese Summe entstammte zu Teilen dem Vermächtnis des 1861 verstorbenen Kaufmanns Friedrich August Schumann, welcher der Stadt Leipzig 60.000 Taler hinterließ, die er für den Gemeinzweck verwendet sehen wollte.

Mit der Errichtung des Neuen Theaters wurde die Bebauung der Nordseite des Augustusplatzes abgeschlossen. Das Gebäude verband zugleich den Platz mit dem dahinter gelegenen Schwanenteich mitsamt Parkanlage. Ebendiese optische Verbindung von Landschaftsgestaltung und Architektur wurde in der Literatur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts befürwortet. Mit einer Aufführung von Johann Wolfgang von Goethes Iphigenie auf Tauris wurde das Neue Theater am 28. Januar 1868 feierlich eingeweiht. Das ursprünglich ebenfalls hier angesiedelte Schauspiel wurde kurz nach der Eröffnung wieder in das Alte Theater am Richard-Wagner-Platz verlegt, da sich das Gebäude für Theateraufführungen als ungeeignet erwies. Ein künstlerischer und zugleich musikalischer Höhepunkt war der unter der Leitung von Angelo Neumann 1877 aufgeführte vierteilige Opernzyklus „Der Ring des Nibelungen“. Dabei handelte es sich um die erste Aufführung des Werkes außerhalb des Bayreuther Festspielhauses.

Den Besucher begrüßen die Musen…


Architektonisch erinnerte das Neue Theater an
Karl Friedrich Schinkels Schauspielhaus am Gendarmenmarkt in Berlin. Es setzte sich aus einem 94 Meter langen und 50 Meter breiten Mittelbau mit zwei Flügeln zusammen. Die zum Schwanenteich ausgerichtete Gebäuderückseite des Neuen Theaters war von einer halbrunden hervortretenden Terrasse gekennzeichnet. Den Eingang des Gebäudes flankierten zwei vom Dresdner Bildhauer Ernst Hähnel, welcher auch das Leibnitz-Denkmal im Innenhof der Universität Leipzig errichtete, geschaffene große Musenstatuen. Die Hauptfassade war gekennzeichnet von einer auf rund acht Metern über dem Erdgeschoss verortete korinthische Säulenvorhalle. Auf dem Giebelfeld war die allegorische Gruppe „Die Phantasie, Kränze an die Grazien und Künste verteilend“ abgebildet, darüber befand sich eine vier Meter hohe Statue des Gottes der Musik, Apollo Musagetes. Das Foyer war mit Marmorbüsten des Dichters Roderich Bexedix sowie Richard Wagners ausgestaltet. Hier befand sich ebenfalls eine Galerie bekannter Bühnenkünstler, Dichter und Komponisten. Besonders eindrucksvoll war das gut konzipierte Raumprogramm in Form einer für die Aufführungen genutzten 700 Quadratmeter großen Bühne. Der Zuschauerraum bot 2.000 Zuschauerplätze sowie 300 Stehplätze.

Bis zu seiner Zerstörung durch einen schweren Luftangriff auf die Stadt am 4. Dezember 1943 fanden im Neuen Theater noch Aufführungen statt. Bei dem letzten Werk, welches die Zuschauer zu Gehör bekamen, handelte es sich um die vom Gewandhausorchester dargebotene „Walküre“ von Richard Wagner. 

Die Ruine des Neuen Theaters wurde 1950 abgetragen. Bis zur Errichtung des heutigen Opernhauses an der gleichen Stelle zwischen 1956 und 1960 diente das Haus Dreilinden im Stadtteil Lindenau dem Opernensemble als Interimsspielstätte. 

Teile des Tympanon-Frieses, der sich ehemals am Frontgiebel des Neuen Theaters befand, kann man heute auf der linken Seite des Opernhauses neben dem Operncafé bewundern.

Stand: 27.09.2023

Historisches Bildmaterial - Neues Theater

Naturkundemuseum Leipzig

Lortzingstraße 3 | Ortsteil: Zentrum-Nordwest

Wie eine Vielzahl der Leipziger Museen verdankt auch das Naturkundemuseum seine Gründung der Initiative von engagierten Leipziger Bürgern vor mehr als 100 Jahren. Als „Archiv der Natur“ bewahrt das Museum die Sachzeugen der Umwelt und stellt die Daten nach eingehender wissenschaftlicher Erschließung anderen Einrichtungen, wie der Universität Leipzig, zur Verfügung.

Roßmäßlers Aufruf zur Errichtung des naturkundlichen Heimatmuseums


Als Wegbereiter des Naturkundemuseums gilt der Naturwissenschaftler, Politiker und Pädagoge
Emil Adolf Roßmäßler. Als „naturwissenschaftlicher Wanderprediger“ unternahm er Vortragsreisen durch ganz Deutschland mit dem Ziel der gesellschaftlichen Beförderung durch naturwissenschaftliche Volksbildung. Unter dem Titel „Ein Vorschlag für Leipzig und seine Behörden“ verfasste Roßmäßler im „Leipziger Tagesblatt“ vom 2. Januar 1859 einen wegweisenden Artikel, in dem er zur Gründung eines „Landes-Museums für vaterländische Naturgeschichte und Industrie“ aufrief. Ziel war es, eine naturkundliche Bildungseinrichtung für alle Bevölkerungsschichten zu schaffen. Hintergrund des Appells war die Fertigstellung des Neubaus für das Museum der bildenden Künste Leipzig am 18. Dezember 1858 und Roßmäßlers Forderung eines Äquivalents für die Erforschung der Natur. Aber erst nach Roßmäßlers Tod wurde zur Umsetzung des Projektes eine Einigung erzielt. Am 2. Mai 1906 setzte die „Naturwissenschaftliche Vereinigung“ des Leipziger Lehrervereins Roßmäßlers Forderung von 1859 um und fasste den Beschluss zur Errichtung eines Naturkundlichen Heimatmuseums. Nach Jahren der Sammlungstätigkeiten wurde das Naturkundliche Heimatmuseum am 5. Juni 1912 vor mehr als 200 Gästen in einem Flügel des Gebäudes der ehemaligen dauernden Gewerbeausstellung am Tröndlinring feierlich eröffnet. Die Exposition umfasste technologische, botanische, zoologische und erdgeschichtliche Exponate. Kern der Ausstellung bildeten Objekte zum geologischen Aufbau der Leipziger Region. Dazu zählten Exponate der heimischen Flora und Fauna des Auwalds sowie aus der Eiszeit. 

Von Standortdebatten und Platzmangel


Im Jahr 1923 zog das Museum aufgrund von zunehmenden Platzproblemen in das heutige Gebäude am früheren Schulplatz. Dieses wurde 1837 bis 1839 als
II. Höhere Bürgerschule neben dem heutigen Goerdelerring erbaut. In sieben Räumen des zweiten Obergeschosses wurde 1924 die neue Dauerausstellung mit einer botanischen, geologischen und zoologischen Abteilung wiedereröffnet. Im Jahr 1939 gelangte das Museum in städtische Trägerschaft. Im Zuge der Neugestaltung des Museums von 1937 bis 1942 wurde die Dauerausstellung erneuert und um eine archäologische Abteilung erweitert. Das Treppenhaus wurde mit Gemälden des Leipziger Wandbild- und Glasfenstergestalters Emil Block gestaltet. So entstand im Jahr 1941 ein umfangreiches Freskengemälde, welches eine typische Auenlandschaft mit Pflanzen- und Tierwelt zeigt. Als Vorlage dienten zehn Lichtbilder des Auwaldes sowie verschiedene Tierpräparate. Ein weiteres Großgemälde zeigt eine Mammutherde in eiszeitlicher Landschaft. Bei den Wandgemälden handelt es sich um die einzigen beiden, noch erhaltenen Werke von Emil Block im Museum, die den Krieg überdauerten. Am 23. Februar 1947 öffnete das Naturkundliche Heimatmuseum nach erheblichen Einschränkungen im Museumsbetrieb als erstes Museum in Leipzig seine neue Dauerausstellung. In der Nachkriegszeit erfüllte es bis 1952 die essenzielle Aufgabe, die in der Aufklärung der Bevölkerung über die Nutzung von natürlichen Ressourcen in der Ernährung bestand, darunter die Pilzberatung. Aufgrund der bereits ab Mitte der 1950er Jahre eingetretenen thematischen Erweiterung der Ausstellungen wurde das Museum 1961 in „Naturwissenschaftliches Museum“ umbenannt. Im Zuge der allgemeinen kulturpolitischen Ausrichtung in der DDR sollten fortan auch aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse vermittelt werden. Davon zeugte beispielsweise die „Kosmos-Ausstellung“ von 1959. 

Nach fast zweijähriger Schließung wurde das Museum am 1. Mai 1987 im Rahmen eines Jubiläums wiedereröffnet: 150 Jahre zuvor wurde die II. Höhere Bürgerschule, in der das „Naturkundliche Heimatmuseum“ seit 1923 untergebracht ist, erbaut. Anlässlich der Wiedereröffnung wurde die Einrichtung in „Naturkundemuseum“ umbenannt. In der zweiten Etage veranschaulichte man die Geschichte der Leipziger Fließgewässer, die noch heute ihren Platz in der Dauerausstellung hat. Bis 2006 entstanden aufgrund des fortbestehenden Platzmangels und der geforderten Modernisierung des Naturkundemuseums verschiedene Konzepte an Alternativstandorten. Als neuer Standort in Erwägung gezogen wurde neben dem Stadtbad und dem ehemaligen Landratsamt (Tröndlinring 3) auch die Kongresshalle am Zoo. Aufgrund ihrer zentralen Lage und der möglichen Verknüpfung des Zoo-Besuches mit Informationen zum naturgeschichtlichen Hintergrund im benachbarten Museum erschien dieser Standort sehr attraktiv. Die Räumlichkeiten wurden aber schließlich als unpassend eingestuft und der Plan verworfen. Auch der bis 2020 geplante Umzug in die Halle 7 auf das Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei in Lindenau scheiterte. Bis 2025 ist ein Umzug des Naturkundemuseums vom Goerdelerring in den ehemaligen Bowlingtreff am Wilhelm-Leuschner-Platz geplant. Auf rund 5.500 Quadratmetern Fläche wird soll dort die Ausstellung gezeigt werden, während die Sammlung am gegenwärtigen Standort verbleibt. 

Blick in die Dauerausstellung: Lebensechte Löwen und Bienenstock


In der ersten und zweiten Etage des im schlichten Stil des späten Klassizismus erbauten Museumsgebäudes befindet sich auf etwa 800 Quadratmetern die Dauerausstellung. Charakteristisch sind verschiedene Dioramen, welche Pflanzen und Tiere in ihrer natürlichen Umgebung abbilden. Gezeigt werden Exponate, die die Entstehung, Veränderung und zukünftige Entwicklung des Natur- und Kulturraums im Leipziger Umland veranschaulichen, darunter Präparate bereits ausgestorbener Tierarten. Schwerpunkt aller Sammlungen ist die Leipziger Tieflandsbucht. Weiterhin sind Exponate aus fernen Regionen bis zur Antarktis ausgestellt. Zu den vom Museum aufbereiteten Themen zählen die Ur- und Frühgeschichte Westsachsens, der Leipziger Auwald und der Südraum Leipzig unter dem Titel „Von der Braunkohle zum Landschaftswandel“. Ein besonderes Highlight sind lebende Bienen, die alljährlich vom Frühjahr bis zum Herbst artgerecht im Museum gehalten werden. 

Ein weltweites Alleinstellungsmerkmal besitzt das Naturkundemuseum mit den Großtier-Dermoplastiken des Präparators Hermann ter Meer. Der Niederländer lebte und wirkte zwischen 1907 und 1934 in Leipzig und gilt mit der Entwicklung seiner dermoplastischen Präparationsmethode weltweit als Begründer der modernen Tierpräparation. Das Naturkundemuseum besitzt mit 241 Präparaten die umfangreichste Sammlung von ter Meers Präparaten, die in Naturkundemuseen weltweit ausgestellt sind. Besonders berühmt sind seine Primaten- und Großkatzenplastiken. Die im Zuge seiner 27-jährigen Tätigkeit im Zoologischen Museum der Universität Leipzig entstandenen Säugetier-, Reptilien- und Vogelpräparate gelangten nach dessen Schließung im Jahr 1968 in den Besitz des Naturkundemuseums und sind seit 1977 Teil der Dauerausstellung. Im Naturkundemuseum ausgestellt ist auch der im Juli 2000 im Alter von 19 Jahren gestorbene letzte Löwe „Tamrin“ aus dem alten Raubtierhaus. Dieser wurde mit Hilfe der von ter Meer entwickelten Tierpräparationstechnik von Horst Spicale präpariert 

Das Naturkundemuseum beherbergt weiterhin eine etwa 250.000 Exemplare große Sammlung der Wirbellosenzoologie, eine mehr als 44.000 Objekte und stetig wachsende botanische sowie eine archäologische Sammlung. Im Jahr 2020 erwarb das Museum eine fast 20.000 Objekte umfassende Fossiliensammlung. Bei der einstigen Privatsammlung des geologischen Präparators Frank Trostheide handelt es sich um eine der bedeutendsten paläontologischen Sammlungen Deutschlands.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Naturkundemuseum Leipzig

Historisches Bildmaterial - Naturkundemuseum Leipzig

N’Ostalgiemuseum Leipzig

Nikolaistraße 28-32 / Steibs Hof | Ortsteil: Zentrum

Bei dem N’Ostalgiemusem als private Einrichtung handelt es sich um das drittgrößte DDR-Museum Deutschlands. Es wurde 1999 von Hans Häger aus seiner privaten Sammlung in der Stadt Brandenburg an der Havel gegründet, befand sich zwischenzeitlich auf dem Gelände des Domstiftsguts Mötzow und zog 2016 in seinen heutigen Standort in Steibs Hof nach Leipzig. Das Museum ist eines der ersten seiner Art in Deutschland und präsentiert über 40 Jahre Alltagskultur der DDR.

Aus Sammel-Hobby wird Museum


Bei dem N’Ostalgiemuseum handelt es sich um ein privates Museum, dessen Bezeichnung einem Wortspiel entstammt, wobei die Nostalgie im Kofferwort Ostalgie zusätzlich anders betont wird. Das Museum wurde 1999 von Hans Häger in der Stadt Brandenburg an der Havel gegründet. Häger hatte zuvor seit 1989 im eigenen Keller zahlreiche Alltagsgegenstände aus der DDR gesammelt. Als das Haus einem Einkaufszentrum weichen musste, bot ihm die Stadt Brandenburg ein Ausweichquartier an, damit die Sammlung auch öffentlich ausgestellt werden konnte. Da die Räumlichkeiten für die im Dezember 1999 der Öffentlichkeit vorgestellten Sammlung keine optimale Lage aufwiesen und bald zu klein für die weiter wachsende Sammlung waren, wurden die Exponate schließlich auf einen Ausflugshof, das Gelände des Domstiftsguts Mötzow vor den Toren Brandenburgs, umgesiedelt. Dort stellte Häger sie in einem einstigen unter Denkmalschutz stehenden Stallgebäude aus. Unterstützung erhielt er von seiner Enkelin
Nancy Häger, an die er seine Sammlung im Jahr 2010 übergab. Im Sommer 2016 wurde das Museum an den Wohnort von Nancy Häger nach Leipzig umgesiedelt. Seitdem befindet es sich in seinem heutigen Standort in der Nikolaistraße in Steibs Hof, unweit der Nikolaikirche.

Staunen und erleben: Von Kinderspielzeug über Mopeds zu Backmischungen…


Das N’Ostalgiemuseum zeigt auf einer Fläche von über 300 Quadratmetern mehr als 30.000 Exponate zu 40 Jahren Alltagskultur der DDR in Deutschland. Dazu zählen Haushaltsgeräte, Uhren, Radios, Kinderspielzeug, Original-Backmischungen ebenso wie Autos und Mopeds sowie ein vollständig eingerichtetes Wohnzimmer aus den 1960er Jahren. Auch ein Trabant 501 ist Teil der Ausstellung. In einem separaten Raum sind Ehrenzeichen, NVA-Uniformen und FDJ-Hemden ausgestellt. Die umfassende Sammlung machte das N’Ostalgiemuseum auch zu einem langjährigen Partner der Filmindustrie. Das ein oder andere Exponat ist auch in Kinofilmen zu sehen, unter anderem in dem Film „Russendisko“ aus dem Jahr 2012. Um den Fokus auf das Erleben, Entdecken und Bestaunen der Exponate zu legen, wurde auf Hinweis- und Erläuterungstexte bewusst weitgehend verzichtet. So sind die Besucher, die die DDR erlebt haben, eingeladen, in Erinnerungen zu schwelgen und von ihren Erlebnissen mit den ausgestellten Gegenständen zu erzählen. All diejenigen, die nicht in der DDR gelebt haben, wird die Möglichkeit geboten, sich dem „real existierenden Sozialismus“ zu nähern.

Der Fundus des N’Ostalgiemuseums wurde über Jahrzehnte kontinuierlich auf- und ausgebaut. Die ersten Ausstellungsstücke erwarb Hans Häger bei Haushaltsauflösungen und Trödelmärkten. Inzwischen wurde der Fundus durch Spenden erweitert. Im Museum kann man zudem alte DDR-Fahrzeuge ausleihen. So werden etwa Stadtrundfahrten in einem originalen 311er Wartburg mit Chauffeur angeboten. Zudem können sich Zweiradfans originale DDR-Mopeds der Marken Simson und Schwalbe stundenweise ausleihen. 

Im Eingangsbereich des Museums befindet sich ein kleines Café, dessen Name „Café 1:33“ in Anlehnung an das Mischverhältnis für Benzin und Öl bei DDR-Fahrzeugen entstand. Hier gibt es Kaffee und hausgemachten Kuchen. Neben dem täglichen Betrieb im Café finden auch ein monatlicher Oldtimerstammtisch, Autorenlesungen und Dia-Aufführungen statt.

Neben dem N’Ostalgiemuseum informieren in Leipzig ebenfalls die Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ sowie das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig zum Thema DDR aus verschiedenen Blickwinkeln.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - N’Ostalgiemuseum Leipzig

Museum im Stasi-Bunker Machern

Machern | Lübschützer Teiche

Am Rande des Naherholungsgebiets Lübschützer Teiche bei Machern befindet sich die einstige als Ferienanlage getarnte Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Im Spannungs- und Mobilmachungsfall sollten die Tätigkeiten der Staatssicherheit Leipzig im Dienstsitz in Machern im 1968 bis 1972 erbauten Bunker fortgesetzt werden und das Ministerium für Staatssicherheit seinen Machtanspruch bewahren. Die 5,2 Hektar große, denkmalgeschützte und original erhaltene Anlage mit all seinen Bauten kann heute als Teil der Gedenkstätte Museum in der „Runden Ecke“ besichtigt werden. Träger ist das Bürgerkomitee Leipzig.

Was es mit der als Ferienanlage getarnten „Affäre 5“ auf sich hatte…


Rund 30 Kilometer östlich von Leipzig bei Machern liegt die ehemalige Ausweichführungsstelle (AfüSt) des Leiters der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig. Als Teil des Museums in der „Runden Ecke“ wird die Anlage durch das Bürgerkomitee Leipzig e.V. als bundesweit einmalige Gedenkstättenkombination aus ehemaliger Bezirksleitung für Staatssicherheit und dazugehöriger Ausweichführungsstelle betrieben.

Die 1967 vom Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erlassene Direktive 1/67 legte alle zentralen Aufgaben und Tätigkeiten fest, die das Ministerium für Staatssicherheit im Mobilmachungs- und Ernstfall übernehmen sollte und traf hierfür die notwendigen Vorbereitungen. Die sogenannte „geheime Kommandosache“ sah neben Anweisungen zum Bau von Ausführungsstellen auch Pläne zur Festnahme, Isolierung und Überwachung Andersdenkender vor. Um eine Zerstörung oder Behinderung der Staatssicherheit zu verhindern, sollten dezentrale Ausweichobjekte errichtet werden. In diesem Zuge entstanden in allen 15 Bezirken der DDR Ausweichführungsstellen für die entsprechenden Bezirksverwaltungen der Stasi. So wurde von 1968 bis 1972 am Rande des Naherholungsgebiet Lübschützer Teiche bei Machern ein Bunker für die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Leipzig erbaut. Getarnt als eine Ferienanlage des VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Leipzig wurde das 5,2 Hektar große Areal mit dem Decknamen „Affäre 5“ gut bewacht und vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen. In fünf Metern Tiefe unter der Erde stand in dem ca. 1.500 Quadratmeter großen ABC-Schutzbunker alles bereit, was der Führungsstab der Leipziger Staatssicherheit im Spannungs- und Mobilmachungsfall für eine Fortsetzung der geheimdienstlichen Tätigkeiten als Schutz- und Führungsbunker benötigt hätte. In diesem Zuge hätte Leipzigs Stasi-Chef gemeinsam mit bis zu 120 Mitarbeitern und zwei Verbindungsoffizieren des sowjetischen Geheimdienstes KGB seinen Dienstsitz aus der Bezirksverwaltung in der „Runden Ecke“ nach Machern verlagert. Für diesen Fall waren die Versorgungssysteme für Wasser, Strom und Luft für die Gewährleistung eines autarken Betriebs von mindestens sechs Tagen vorgesehen. Im Zuge dieser Dezentralisierung wäre der Machtanspruch des Ministeriums für Staatssicherheit des SED-Regimes auch im Falle eines Ausnahmezustands gesichert worden.

Von der Bunkeranlage bis zur authentischen Gedenkstätte mit Museum


Die Bunkeranlage wurde bis zum Ende der DDR stets einsatzfähig gehalten. Ständig vor Ort waren der Bunkerkommandant, sein Stellvertreter und etwa sechs Wachsoldaten des Ministeriums für Staatssicherheit mit Wachhunden. Die Kernaufgabe der Ausweichführungsstelle bestand in der Aufrechterhaltung der Kommunikation und in diesem Sinne der operativen Handlungsfähigkeit im Falle eines Krieges. Aus diesem Grund wurde der Nachrichtentechnik eine besondere Stellung zuteil. Im Ernstfall war der Bunker dazu konzipiert, sämtliche Aktionen zur Niederschlagung einer Volkserhebung zu koordinieren. Die detaillierten Pläne dazu wurden nach dem Aufstand der DDR-Bürger am 17. Juni 1953 entwickelt und im Herbst 1989 durch eine Aktualisierung der Liste für die Isolierungslager in Leipzig in der Nacht vor dem 9. Oktober 1989 aktiviert. Aufgrund der zu großen Anzahl von ca. 70.000 friedlich demonstrierenden DDR-Bürger am 9. Oktober 1989 wurden die Pläne letztlich nicht umgesetzt.

Bis Dezember 1989 ahnte keiner, dass die Leipziger Staatssicherheit die unterirdische Ausweichungsstelle für den Ernstfall stets funktionsbereit hielt. Erst im Zuge der Friedlichen Revolution und den damit verbundenen neu erworbenen Kenntnissen um sämtliche Dienstobjekte der Stasi sowie aufgrund des Engagements des Pfarrers der Gemeinde Machern, Gottfried Süß, wurde die Existenz des Bunkers publik. Die neu gegründeten Bürgerkomitees Leipzig und Wurzen setzten sich frühzeitig für den Erhalt als Gedenkstätte des zunächst unter der Kontrolle des Amtes für Nationale Sicherheit stehenden Bunkers ein. Der Kreistag Wurzen übernahm den Bunker schließlich am 20. September 1990 und legte im Folgejahr die zukünftige Nutzung der Anlage als Gedenkstätte fest. Ab 1993 wurde das Bürgerkomitee Leipzig zum neuen Pächter des Areals. In den Folgejahren wurde die Bunkeranlage durch die Beseitigung von Zerstörungen sowie die Wiederbeschaffung von Einrichtungsgegenständen wieder größtenteils in den Originalzustand versetzt. Er gilt heute als einziger, nahezu vollständig erhaltene Stasi-Bunker der DDR und steht seit 1995 unter Denkmalschutz.

Mobilmachung, Isolierung, Kommunikation: Einblicke in die Vorbereitungen für „Tag X“


Seit September 1996 dient das Areal offiziell als Museumsanlage, öffentliche Führungen werden jedes letzte Wochenende im Monat angeboten. Besichtigt werden kann das 5,2 Hektar große Areal mit all seinen Bauten sowie dem 1.500 Quadratmeter großen Bunkerinneren als Kern der Anlage. Dieser kann noch weitestgehend originalgetreu mit seinen spartanisch eingerichteten Schlaf- und Arbeitsräumen, winziger Küche, bescheidenen Waschräumen, mehreren Entgiftungszonen, Waffenschränken, Schleusen und tonnenweise Technik begutachtet werden.

Anders als bei anderen der Öffentlichkeit zugänglichen Bunkeranlagen wird im Museum im Stasi-Bunker Machern genau darauf geachtet, die Geschichte nicht zu glorifizieren und damit zu verzerren. Während der Führungen durch das unterirdische Museum werden entsprechend dieser Divise Einblicke in die Mobilmachungsplanung im Bezirk Leipzig sowie die Einbeziehung der Ausweichführungsstelle in die Vorbereitungen auf diesen „Tag X“ gewährt. Dazu zählen Informationen zur Funktionsweise der Versorgungssysteme, das potenzielle Zustandekommen von Nachrichtenkontakten in der DDR sowie die von der Stasi im „Ernstfall“ entwickelten Überlebensstrategien bis hin zur Errichtung von Isolierungslagern für Oppositionelle. Zu den Ausstellungsstücken gehören Original-Bunker-Utensilien, von Funktechnik bis hin zum Folienschweißgerät, vom Schlafsack bis zum Panzerschrank.

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Museum im Stasi-Bunker Machern

Madonna-Graffito

Karl-Liebknecht-Straße 7 | Ortsteil: Zentrum-Süd

Das 1991 vom französischen Künstler Blek le Rat (bürgerlicher Name: Xavier Prou) geschaffene Schablonengraffito „Madonna mit Kind“ (Pour Sybille) auf der Fassade der Karl-Liebknecht-Straße 7 gilt als ältestes erhaltenes Werk dieser Art des Franzosen und zählt zu einem der sehr wenigen denkmalgeschützten Graffiti im deutschsprachigen Raum. Blek le Rat widmete das Wandbild seiner späteren Ehefrau Sybille. Es wurde im Jahr 2012 unter aufgeklebten Plakaten wiederentdeckt und von Blek le Rat restauriert. Der Künstler gilt als Vater des Schablonengraffito, die auch als Pochoir oder Stencil bezeichnet werden. 

Von der Liebesbekundung zum Kulturdenkmal


Im Jahr 1991 nahm der damals 40-jährige französische Künstler Xavier Prou, weltweit bekannt unter dem Pseudonym Blek le Rat, an einem Graffitifestival an der
Universität Leipzig teil. Dort verliebte er sich in die Organisatorin Sybille und schuf kurz darauf im September 1991 an der Fassade der Karl-Liebknecht-Straße 7 das Graffito „Madonna mit Kind“ mit dem Schriftzug „Pour Sybille“ (dt. „Für Sybille“), um ihr zu imponieren. Die Angebetete, die erst wenige Tage später von dem Werk erfuhr, war von der Aktion offenbar äußerst beeindruckt. Blek le Rat und Sybille heirateten ein Jahr später und bekamen einen Sohn. Der Franzose gilt als Wegbereiter des Schablonen-Graffiti innerhalb der Streetart, obwohl diese Technik bereits zuvor vereinzelt genutzt wurde. Nach seinem Grafik- und Architektur-Studium an der Pariser Kunsthochschule schuf er zunächst kleinformatige Motive wie Bananen, Ratten und Panzer im öffentlichen Raum. Schließlich folgten größere Schablonen, darunter Politiker, Künstler, Zentauren, Faune, Jesus und verschiedene Madonnen. Die einst romantische Liebesbotschaft zählt zu den Frühwerken des französischen Künstlers und hat heute nicht nur einen enormen kulturellen, sondern auch finanziellen Wert. Das Leipziger Wandbild entstand als Schablonengraffito nach dem Vorbild der berühmten „Madonna dei Pellegrini“ (dt. Pilgermadonna), einem zwischen 1604 und 1606 von Caravaggio in Rom geschaffenen Ölgemälde. In diesem Sinne sprühte Blek le Rat die Maria und das Jesuskind ebenso seitenverkehrt. Diese blickten ursprünglich auf zwei winzige menschliche Figuren links von der Madonna, welche allerdings nicht mehr erhalten sind.

Leipzigs Madonna zwischen Standortdebatten und Konservierungsbestrebungen


Das Graffito geriet im Laufe der Jahre in Vergessenheit und wurde erst im Jahr 2012 bei der Sanierung des 1866 erbauten Gründerzeithauses unter alten Plakaten von der Leipziger Streetart-Expertin
Maxi Kretzschmar wiederentdeckt. Um den Wert des Graffitos wissend, setzte sie sich für dessen Erhalt ein. Bei der Wiederentdeckung des Kunstwerkes handelte es sich um eine kulturgeschichtliche Sensation sowie – als Ausdruck einer deutsch-französischen Liebesgeschichte – um eine besondere Anekdote ein Jahr vor dem 50-jährigen Jubiläum zur Unterzeichnung des Élysée-Vertrages 1963. Zur Erhaltung und langfristigen Sichtbarkeit des Kunstwerkes wurden Überlegungen angestellt, das Graffito im Museum der Bildenden Künste, im Museum für Angewandte Kunst oder in der Galerie für Zeitgenössische Kunst auszustellen. Hierfür beauftragte der Hausherr und private Bauträger Horst Langner bereits eine Baufirma, das rund 300 Kilogramm schwere Stück aus der Fassade herauszuschneiden. Nachdem Maxi Kretzschmar den Kontakt zu Blek le Rat herstellte und ihm einen Brief schrieb, bat der Künstler aufgrund des besonderen emotionalen Wertes für ihn und seine Frau Sybille darum, das Graffito an seinem Platz an der Hausfassade zu belassen. Vor diesem Hintergrund entschied man sich schließlich gegen das Vorhaben eines Abtransports in ein Leipziger Museum. 

Blek le Rat reiste im Jahr 2012 nach Leipzig, um das unterdessen stark verblichene Graffito an der Fassade persönlich zu restaurieren. Bei dem Wandbild handelt es sich um sein ältestes erhaltenes Kunstwerk dieser Art. Das Graffito wurde mit einer dicken Schutzscheibe versehen, deren Kosten in Höhe von 9.000 Euro Horst Langner und die Stadt Leipzig trugen. Es wurde nach der Restaurierung am 12. April 2013 feierlich enthüllt. Seitdem ist es für die Öffentlichkeit hinter einer Glasscheibe sichtbar. Das unter Denkmalschutz stehende Kunstwerk zählt zu den wenigen denkmalgeschützten Graffiti im deutschsprachigen Raum. 

Kunst contra Vandalismus


Doch bereits wenige Tage nach der Enthüllung wurde die Glasscheibe, hinter der sich das Kunstwerk befindet, von Graffitisprayern mit Tags besprüht und später von wilden Plakatierern zugeklebt. Auch Aufkleber aus der linksautonomen Szene „zierten“ schnell das denkmalgeschützte Werk. Der Hauseigentümer kam mit den Reinigungsarbeiten kaum hinterher, so dass Blek le Rats Graffito weitere Jahre unsichtbar blieb. Im April 2022 wurden die Plakate wiederholt entfernt, die Scheibe gereinigt und der deutsche Hinweistext in die französische und englische Sprache übersetzt. Es bleibt zu hoffen, dass die bedeutende Straßenkunst auch zukünftig die belebte
Karl-Liebknecht-Straße bereichert und Passanten zum Verweilen einlädt. 

Stand: 27.09.2023

Bildergalerie - Madonna-Graffito

Leipziger Weinfest

Markt | Ortsteil: Zentrum

Das Leipziger Weinfest findet alljährlich über eine Woche in den Sommermonaten statt und wird vom Marktamt der Stadt Leipzig veranstaltet. Auf dem Markt bieten etwa 30 Aussteller aus ganz Deutschland und einigen europäischen Ländern ihre Weine zum Genießen an. Das ursprünglich in den späten 1990er Jahren als Promotionsveranstaltung ins Leben gerufene Weinfest hat sich mittlerweile als eine der beliebtesten und bestbesuchten Veranstaltungen etabliert. Ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm mit Live-Musik und aufwändig geschmückte Stände und Sitzbänke runden den Weingenuss ab.

Alljährlich zur Sommerzeit verwandelt sich der Leipziger Markt vor dem Alten Rathaus im Rahmen des Weinfestes in die größte Weinstube der Stadt. Winzer aus verschiedenen Anbaugebieten in Sachsen, ganz Deutschland und Europa – von Ungarn über Österreich bis Südtirol und Frankreich – bieten an ihren aufwändig gestalteten Verkaufsständen hochwertige Weine zum Verkosten und Genießen an.

Sachsens 800jährige Weintradition


Die sächsische Weintradition reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, als ein Mönch aus dem
Kloster Altzella erstmals von einer Weinstraße in der Region berichtete. Bereits zu Zeiten des Bischofs Benno von Meißen soll in der Region Wein angebaut worden sein. Überlieferungen aus dem Jahr 929 n. Chr. zufolge berichteten auch die Truppen von Heinrich I. von diversen Weinstöcken im Elbtal. In einer Urkunde von 1161 wurde die Existenz von Weinbergen im Meisatal bestätigt. Das höfische Weingut Hoflößnitz rief schließlich im 17. Jahrhundert das 6.000 Hektar umfassende sächsische Weinanbaugebiet ins Leben, welches später aufgrund des Baubooms und der Reblaus fast vollständig zerstört und im Jahr 1907 offiziell als verseucht deklariert wurde. Mit dem Ende der DDR wurden in den 1990er Jahren rund 220 Hektar neu aufgerebt. Die Sächsische Weinstraße, welche zwischen Pirna und Diesbar-Seußlitz verläuft, wurde offiziell im Jahr 1992 eingeweiht. Der Weinbau in Sachsen entwickelte sich zu einem Aushängeschild für die Region mit einem vielfältigen Angebot, welches jedes Jahr zahlreiche Besucher und Weinwanderer anlockt. Heute zählt das Weinbaugebiet Sachsen als nordöstlichstes sowie kleinstes zusammenhängendes seiner Art in Deutschland. Seit der Aufrebung in den 1990er Jahren hat sich das Weinbaugebiet flächenmäßig verdoppelt und umfasst mittlerweile rund 492 Hektar Rebfläche, welche von etwa 2.500 Winzern bewirtschaftet wird.

Von der kleinen Promotionsveranstaltung zu Leipzigs größter Weinstube


Das Leipziger Weinfest startete ursprünglich als Promotionsveranstaltung eines rheinländischen Weinbauverbandes in den späten 1990er Jahren. Nachdem diese die ersten Jahre gut angenommen wurde, sollte das Format vom Veranstalter wenig später eingestellt werden. Da die involvierten Winzer von Leipzig sehr angetan waren, plädierten sie für eine Fortführung des Weinfestes durch das Marktamt der Stadt Leipzig, welches bis dahin als genehmigende Behörde involviert war. Das Marktamt übernahm die Veranstaltung in Eigenregie und öffnete das Weinfest ab 2007 für weitere Regionen und Anbieter. Zu diesem Zeitpunkt war das Fest mit acht bis elf Teilnehmern recht überschaubar. Im Jahr 2014 wurde das Konzept durch Marktamtsleiter
Walter Ebert und sein Team überarbeitet. Die Winzer warb man aktiv an. Dadurch wurde die Veranstaltung immer erfolgreicher, so dass weitere interessierte Winzer und Besucher nach Leipzig kamen und sich das Format als eine der beliebtesten Veranstaltungen etablierte. Im Pandemiejahr 2021 konnte das Weinfest als eine von wenigen größeren Veranstaltungen in Leipzig unter strengen Auflagen, mit reduzierter Teilnehmerzahl und 17 Ständen stattfinden. Waren auf dem Weinfest ursprünglich nur deutsche Winzer anwesend, sind seit einigen Jahren auch Weingüter aus Ungarn, Österreich, Südtirol und Frankreich vertreten.

Ein Glas Rotes in stimmungsvoller Atmosphäre


Eröffnet wird das Weinfest jedes Jahr von der amtierenden sächsischen Weinkönigin, welche alljährlich im Herbst vom Sächsischen Weinbauverband gewählt wird. Zu den Aufgaben der Repräsentantin des sächsischen Weinbaugebietes zählen zahlreiche Termine im Jahr, wie die Eröffnung von Weinfesten, Messen sowie Gespräche mit Presse-, Rundfunk- und Fernsehvertretern. Voraussetzung für die Wahl sind u.a. gute Kenntnisse über das sächsische Weinbaugebiet und nicht zuletzt die Freude am Wein.

An rund 30 Weinständen können neben den etwa 200 verschiedenen Weinen auch Sekte, Weintraubenliköre und Weinbrände verkostet werden. Zu den Stammgästen und langjährigen Ausstellern, die vom Weinfest nicht mehr wegzudenken sind, zählen die sächsische Kelterei Oese, das sächsische Weingut Schloss Wackerbarth und die Winzergenossenschaft Freyburg aus Sachsen-Anhalt. Mehrere Gastronomen bieten auf dem Weinfest zudem weintypische Speisen an, darunter Käseplatten und Flammkuchen. Ein tägliches Bühnenprogramm mit Live-Musik, von Rock bis Jazz, rundet die Veranstaltung ab. Die Weinfreunde können in stimmungsvoller Atmosphäre auf einer der Sitzbänke ein Glas Wein genießen. Die Besucherzahlen des sich seit Jahren auf Wachstumskurs befindlichen Weinfestes bewegen sich zwischen 25.000 und 30.000. 

Stand: 27.09.2023

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