Gipsabdruck-Sammlung des Antikenmuseums

Dittrichring 13 | Ortsteil: Zentrum

Die Skulpturengruppe des „Toro Farnese“ von 1896 ist knapp vier Meter hoch. Ihr Gipsabdruck – eine spektakuläre Gruppe mit einem wilden Stier in der Mitte – war einst der Hingucker im Leipziger Johanneum. Doch auch der Seitenflügel des Augusteums, des Haupthauses der Universität Leipzig, bleibt im Zweiten Weltkrieg vom Bombenhagel nicht verschont. Vom „Toro Farnese“ blieben rund 50 Einzelteile übrig, die sich seit 1968 – nach der endgültigen Sprengung des Augusteums – im Magazin des Antikenmuseums der Universität Leipzig befinden. Das zeigt seine Ausstellung in der Alten Nikolaischule am Nikolaikirchhof.

Wertvolle Anschauungsobjekte für Forschung und Lehre


Sein Depot hat es inzwischen in ein Bürohaus an den Dittrichring 13 verlagert. Im Gebäude, in dem sich auch die
G2 Kunsthalle befindet, ist nun die Gipsabguss-Sammlung des Museums beheimatet. Sie zählt zu den größten und wertvollsten deutschen Sammlungen ihrer Art. Solche Gipsabgüsse stellt die Klassische Archäologie von den Schlüsselwerken antiker Skulpturen her. Es sind Abformungen originaler Marmor- und Bronzewerke, die in vielen Museen in aller Welt verstreut sind. Für die Forschung, aber auch für die Ausbildung der Studenten, sind sie wertvolle Anschauungsobjekte, weil sie Kunstwerke dreidimensional erlebbar machen. Etwa 800 historische Gipsabgüsse griechischer und römischer Skulpturen werden im Magazin des Leipziger Antikenmuseums gelagert. Aber eben nicht nur aufbewahrt. Die Skulpturengruppe des „Toro Farnese“ wird derzeit bei einem Pilotprojekt restauriert. Von einer Spezialfirma sind zunächst die Teile gereinigt worden. Inzwischen werden sie digital erfasst und über ein 3D-Druckverfahren digital ergänzt. Dadurch wissen die Restauratoren, welche Teile vorhanden sind, welche fehlen. „Unser großer Wunsch ist es, die Skulpturengruppe wieder der Leipziger Öffentlichkeit präsentieren zu können“, sagt der Kustos Jörn Lang zum Start des Projektes. Das wird wahrscheinlich nur in Teilen gelingen. Für eine vollständige Präsentation der 3,60 Meter hohen Skulptur fehlen der Universität derzeit schlichtweg geeignete Räume.

Schicksal ist mit Sprengung zunächst besiegelt


Das war nicht immer so. Die Abguss-Sammlung der Universität hat eine lange Tradition. In ihrer Blütezeit sind 3:000 solcher Abgüsse registriert. Bis zum Zweiten Weltkrieg sind diese in mehreren großen Sälen im Erdgeschoss des Johanneums untergebracht. Nach dem Bombenangriff im Dezember 1943 können nur noch 600 Abgüsse gerettet werden. Letztmalig sind diese in den wiedererrichteten Räumen von 1955 bis 1968 ausgestellt. Doch mit der Sprengung der Universitätsbauten im Juni 1968 ist ihr Schicksal besiegelt. Notdürftig werden sie – obwohl von großem historischen Wert – in einem ehemaligen Kohlebunker gelagert.

Es gibt aber auch andere Standorte für die Statuen. Oft verschwanden sie in feuchten Räumen, was teilweise zu irreparablen Schäden führt. Nach der politischen Wende in den Jahren 1989/90 bleibt die Sammlung zunächst in den provisorischen Depoträumen. Erst im Januar und Februar 1999 kann sie in das neue Magazin am Dittrichring umziehen. Jenes Gebäude entstand im Jahr 1986 als volkseigenes Datenverarbeitungszentrum. Die Decken müssen für die damalige Computertechnik eine hohe Traglast aufweisen. Das kommt der Gipsabguss-Sammlung mit ihren teilweise schweren Statuen nun zugute.

Magazin öffnet jeden Mittwoch für Gäste


Für Lehre und Forschung am Lehrbereich Klassische Archäologie beim Historischen Seminar der Universität Leipzig sind die historischen Gipsabgüsse von unschätzbarem Wert. Abgüsse können und wollen die Originale zwar nicht ersetzen. Gegenüber herkömmlichen Fotografien haben sie aber den Vorteil, dass sie die antiken Bildwerke im Maßstab 1:1 wiedergeben und als dreidimensionale Objekte von allen Seiten sichtbar machen. Originale sind oft verwittert oder im Freien gealtert. Abgüsse können daher sogar unverfälschter sein – zumindest was den Eindruck der reinen plastischen Form ausmacht.

Seit 2022 ist die Sammlung bei Führungen zugänglich, zur Museumsnacht Halle und Leipzig 2023 erstmals auch für eine breitere Öffentlichkeit. Inzwischen öffnet das Magazin regelmäßig für Besucher – an Mittwochnachmittagen. Die können zwar keine fertige Ausstellung besichtigen, erhalten jedoch einen besonderen Einblick hinter die Kulissen der Arbeit des Antikenmuseums.

Von der Wölfin bis zum Gänsewürger


Abgüsse gibt es beispielsweise auch von einem nördlichen Fries, der die frühesten Stationen aus dem Leben des Telephos zeigt. Der „Telephosfries“ gehört als Teil des großen Altars von Pergamon sicherlich zu einem der bekanntesten antiken Bauwerke. Bei der Museumsnacht 2024 standen Studierende bereit, die Kunstwerke zu erklären. In der Gipsabguss-Sammlung gibt es viel zu entdecken. Ob nun Apollo, den Gott der Sonne, des Frühlings, des Lichtes. Die Wölfin aus Rom, unter der zwei Knaben sitzen. Einen Redner aus Florenz, die Statuengruppe des sogenannten Gänsewürgers oder eben die Reste des „Toro Farnese“, der hoffentlich mal wieder in alter Pracht entsteht.

Stand: 05.05.2024

Bildergalerie - Gipsabdruck-Sammlung des Antikenmuseums

FORUM 1813

Straße des 18. Oktober 100 | Ortsteil: Probstheida

Es ist ein besonderer Teppich: Soldaten haben ihn einst für Napoleon Bonaparte genäht und als Zeichen ihrer Verehrung nach St. Helena verschifft. Sie haben Aufschläge mit dem „N“-Monogramm für Napoleon und dem Kaiseradler, die nach Ende seiner Herrschaft von allen französischen Uniformen entfernt werden müssen, auf ein großes Stück Sackleinen aufgenäht. Zu sehen ist der zweieinhalb Quadratmeter große Teppich im FORUM 1813, dem zum Völkerschlachtdenkmal gehörenden Museum. Der Teppich ist eine der etwa 350 Originalexponate, die Geschichte(n) von der bis dahin blutigsten Massenschlacht des 19. Jahrhunderts erzählen können. Eine halbe Million Soldaten aus ganz Europa kämpfte während der Befreiungskriege um die politische Zukunft des Kontinents.

Museum lenkt Blick auf Alltag der Menschen


Das FORUM 1813 möchte dabei keineswegs ein „lückenloses Geschichtsbuch“ aufblättern. Doch Besucher stehen dem Denkmal, das den Betrachter ob seiner Wucht durchaus verstören kann, häufig unvorbereitet gegenüber. Etliche bringen das Monument sogar mit Schwedenkönig
Gustav II. Adolf und dem Dreißigjährigen Krieg in Verbindung. Seit seiner Eröffnung 1999 vermittelt das FORUM 1813 ein Bild der Völkerschlacht bei Leipzig und der daran beteiligten Nationen. Für viele Menschen außerhalb Leipzigs ist die Völkerschlacht allerdings kein Begriff.

Das Museum will diese nicht als reines Ereignis der Militärgeschichte vermitteln, sondern den Blick ebenfalls auf den Alltag der Menschen lenken. Im Zentrum stehen dabei die historischen Ereignisse in Leipzig und Sachsen zwischen 1789 und 1814 – also zwischen der französischen Revolution und dem Wiener Kongress. So neutral wie möglich. Denn die Befreiungskriege werden in den vergangenen Jahrzehnten oft vereinnahmt.

Waffen, Uniformen, Ausrüstungsgegenstände, Bilder und persönliche Erinnerungsstücke lassen die tragische Kriegszeit lebendig werden. Ein Blickfang ist das 18 Quadratmeter große Diorama, das mit etwa 3.600 Figuren sowie 40 teils zerstörten Häusern im Maßstab 1:72 den Kampf um das Dorf Probstheida bei einem russisch-preußischen Angriff nachstellt. Zeitgenössische Beschreibungen werden verwendet, um das Szenario so genau wie möglich zu rekonstruieren.

Bildschirm zeigt historischen Schlachtverlauf


Wichtig ist dem Museumsteam um Denkmalsleiter
Steffen Poser, über die einzelnen Objekte hinaus historische Zusammenhänge zu erzählen. Für viele Besucher ist es beispielsweise schwierig, Karten zu lesen. Besonders für jene, die Leipzig nicht kennen und nun einordnen sollen, wie wichtig Probstheida oder Stötteritz für den Verlauf der Völkerschlacht sind. Deshalb ist auf einem Bildschirm eine historische Karte zu sehen, auf der die Truppenbewegungen vom 16. bis 19. Oktober 1813 animiert und so veranschaulicht werden können. Etwa wenn Napoleon über den Westen Leipzigs flüchtet.

Das Museumsteam will den Menschen vor allem ein Gefühl für Schlacht und Denkmal vermitteln. Das passiert im Denkmal selbst durch einen Film mit vielen Bildern auf einer großen Leinwand – ohne Worte. Der Film konzentriert sich auf die Kernbotschaften. „Selbstverständlich bieten wir auch Führungen an. Wer etwas über den Verlauf der Völkerschlacht oder über kunsthistorische Aspekte des Denkmals hören will, wird natürlich bedient“, so Steffen Poser.

Ein Prunkstück der Ausstellung ist der restaurierte Sattel des polnischen Fürsten Józef Antoni Poniatowski. Der Fürst verstärkte 1813 mit seinem 20.000 Mann starken polnischen Kontingent die französischen Truppen. Der Nationalheld des Nachbarlandes, der erst drei Tage vor seinem Tod von Napoleon zum Marschall von Frankreich ernannt wird, springt beim Rückzug in Leipzig in die Hochwasser führende Elster. Da ist er bereits durch zwei Kugeln verwundet. Sein Pferd überschlägt sich und drückt ihn unter Wasser – er ertrinkt. An der Stelle, wo Fischer später seinen Leichnam finden, wird für ihn 1834 das Poniatowski-Denkmal errichtet. Nicht weit davon entfernt erinnert das Brückensprengungsdenkmal an die Sprengung der dort gelegenen Elsterbrücke, die den Verfolgern des aus Leipzig fliehenden französischen Heeres den Weg abschneiden sollte.

Uniformen in Vitrinen zu sehen


Berühmt ist der Mantel eines Baschkiren, die damals ebenfalls kämpften. Er ist nur selten zu sehen, weil das Original nicht über Jahre dem Licht ausgesetzt werden darf. Alle Uniformen und Erinnerungsstücke werden zwar in den verschlossenen Vitrinen unter optimalen Bedingungen ausgestellt. „Dennoch handelt es sich um kostbare Originale, die teilweise aus Naturmaterialien hergestellt worden sind“, erklärt Poser. Deshalb können sich in den Uniformen Insekten einnisten. Spinnen gibt es am naturnah und in Nähe zum
Südfriedhof gelegenen FORUM 1813 reichlich. Selbst die Helme können für Ungeziefer interessant sein. So wird beispielsweise ein vergoldeter Kürassierhelm für sächsische Offiziere (um 1806) gezeigt, der mit einem Seehundfell verziert ist. Eine hohe Kopfbedeckung für französische Gardegrenadiere ist mit Bärenfell geschmückt.

Zusätzliche Informationen hören die Besucher in einem Audioguide-System, das Fakten und Anekdoten freundlich und unterhaltsam vermittelt. Bei der Führung durchs FORUM 1813 gibt der Bankangestellte Johann Carl Scheube preis, wie man sich mit einem guten Trinkgeld vorm Militärdienst drücken kann oder was eine Haarlocke Theodor Körners über die Völkerschlacht erzählt.

Empfehlenswert sind auch die Ausstellungen im Völkerschlachtdenkmal selbst. Dazu gehört die zur jüngsten Baugeschichte in den Katakomben, die derzeit nur bei Führungen für Gruppen zugänglich ist. Das soll sich allerdings ändern. Zu diesem Zweck muss ein zweiter Fluchtweg eingebaut werden. Aus rund 3.600 Fotos einer aufwendigen Dokumentation sind 36 ausgewählt worden, die großformatig und beleuchtet auf die Besucher wirken.

Stand: 10.03.2024

Diebitz, René

Tierpräparator | geb. am 14. Dezember 1959 in Leipzig

15 Meter hoch ist die Skulptur, die aus etwa 50 großen Tierpräparaten bestehen wird. Sie wird der Hingucker im neuen Naturkundemuseum sein, das bis 2029 im ehemaligen Bowlingtreff auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz entstehen soll. Dort müssen zwar erst die Bauleute anrücken. Doch Tierpräparator René Diebitz ist mit seinen Kollegen längst dabei, eine Installation namens „Tour de ter Meer“ vorzubereiten. Die erinnert an Hermann H. ter Meer, den Begründer der modernen Präparationstechnik. Im Naturkundemuseum, das mit 233 wertvollen Exponaten seine weltgrößte Sammlung besitzt, wird dieser liebevoll „der Meister“ genannt. Doch Diebitz ist inzwischen ebenfalls ein Meister seines Fachs, da er bei internationalen Wettbewerben wie den Weltmeisterschaften der Präparatoren sechs Goldmedaillen holte.

Geboren wird René Diebitz in Leipzig. Er wächst in Lindenau auf, geht in die 144. Polytechnische Oberschule in der Demmeringstraße. Schon als Kind hat er daheim Tiere, um die er sich kümmert. Vater Heinz hält Waldvögel in Volieren im Garten. Mit zehn Jahren bekommt der Junge ein Frettchen, ein Eichhörnchen wird zuhause mit der Flasche aufgezogen … Durch den Vater und eine Kulturbund-Gruppe bekommt er frühzeitig Kontakt zum Leipziger Naturkundemuseum, da Ausstellungen mit lebenden Vögeln organisiert werden. Der Vater kennt zudem einen Präparator, der biologische Lehrmittel anfertigt. „Das hat mich fasziniert. Ich wollte immer einen Beruf ergreifen, der etwas mit Tieren zu tun hat“, erzählt er, „und will auch mit den Händen arbeiten, ein Ergebnis sehen.“ Auch für Pferde hat er sich interessiert. Doch er entscheidet sich für eine Arbeit beim VEB Biologische Lehrmittel, absolviert schließlich eine Ausbildung zum Facharbeiter für zoologische Präparation im Naturkundemuseum Berlin.

Elf Jahre arbeitet er im Leipziger Betrieb, der vor allem Unterrichtsmittel anfertigt. Im Fernstudium macht er den Fachabschluss für Präparation an der Berliner Humboldt-Universität. Von der Anfertigung von Schauobjekten für den Unterricht hat er irgendwann die Nase voll, macht sich daher am 1. September 1990 selbstständig. Er findet einen Gewerberaum in der GuthsMuthstraße, die Firma will weitere Mitarbeiter einstellen. Das zerschlägt sich. Mit einem Partner zieht die Werkstatt schließlich nach Holzhausen, seit 2002 arbeitet Diebitz wieder allein. Die Werkstatt betreibt er nach wie vor – fertigt Präparate fürs Naturkundemuseum Erfurt oder das Meeresmuseum in Stralsund an.

Als Präparator im Naturkundemuseum


2008 kann er eine zunächst auf zwei Jahre befristete Stelle im Naturkundemuseum Leipzig antreten. Nach dem altersbedingten Ausscheiden seines Vorgängers
Horst Spicale ist diese mehr als fünf Jahre unbesetzt. Aus Kostengründen soll der Zweijahresvertrag dann nicht verlängert werden. Das führt zu Protesten beim Freundeskreis des Museums sowie bei Stadträten, zumal das Museum mit Hilfe von Mitteln aus dem Konjunkturpaket eine moderne Präparationswerkstatt einrichten kann. In ihr gibt es genügend zu tun: Die Kühltruhen mit diversen naturkundlichen Belegen, die das Museum sammeln, pflegen, konservieren und für die nächsten Generationen bewahren muss, sind voll. Es gilt zudem, neue Exponate für die Ausstellungen anzufertigen, aber auch die bestehende Sammlung konservatorisch zu betreuen. Sieben Monate dauert es, bis er zurück ins Museum darf.

Oft muss René Diebitz erklären, dass seine Tiere nicht „ausgestopft“ werden, was ein weit verbreiteter Irrtum ist. Die Tierkörper werden keineswegs wie ein Sofakissen gefüllt. Ter Meer hat die Methode entwickelt, Dermoplastiken anzufertigen. Danach wird die gegerbte Haut oder das Fell eines Tieres auf die vorgeformte Plastik geklebt. Ter Meer selbst operierte noch mit Gips, Ton und Maschendraht. Heute gibt es genormte Hartschaumkörper, die auch per Katalog zu haben sind. Wichtig ist es, die Anatomie und natürliche Haltung des Tieres nachzuempfinden.

Ein Handwerker mit künstlerischem Anspruch


„Ich habe einen handwerklichen Beruf mit künstlerischem Anspruch“, sagt Diebitz. Denn er möchte Tiere realitätsnah für die Ewigkeit bewahren. Das schränke die künstlerische Freiheit ein. „Ich versuche aber, die Illusion eines lebenden Tieres zu schaffen.“ Bevor ein Präparat fertig ist, gibt es verschiedene praktische Arbeitsschritte zu erledigen.

Zunächst wird das Objekt mit Fundort, Funddatum und Finder wissenschaftlich erfasst, vermessen und gewogen. Die Präparation beginnt mit einem Körperschnitt. Die äußere Hülle mit Haut, Fell bzw. Federkleid wird dabei vom Körper getrennt und von allen Fleisch-, Bindegewebs- und Fettteilen befreit sowie anschließend gewaschen und aufbereitet. Außerdem entsteht ein künstlicher Körper aus Polyurethan-Schaum, notwendige Stützdrähte werden ebenfalls vorbereitet. Dann erfolgt die Montage von Haut und neuem Körper. Wichtig ist, Schädel und die Augenhöhlen mit Ton zu füllen und künstliche Glasaugen einzusetzen. „Wenn der Blick des präparierten Tieres nicht stimmt, kann die Darstellung den Betrachter nicht überzeugen“, nennt er ein weiteres Beispiel.

Das ist Diebitz bestens gelungen. Davon zeugen neben den Meisterschaftstiteln viele Ausstellungen. „Greif zu! Greifvögel aus aller Welt“ heißt beispielsweise eine Sonderschau, bei der 2017 er eindrucksvoll einen Sperber präparierte, der im Flug Sperlinge jagt. Dafür hat er auch historische Präparate, etwa Kondor, Sekretär oder Harpyie von Ter Meer, restauriert und überarbeitet.

Goldmedaillen bei der Weltmeisterschaft in Salzburg


In der Sonderschau 2012 „Fast für die Ewigkeit“ sind ein Kormoran, eine Schleiereule und spielende Füchse von Diebitz zu sehen. Es sind seine preisgekrönten Exponate von der Weltmeisterschaft in Salzburg 2012. Dort hat er seine Künste mit etwa 140 Teilnehmern aus 25 Nationen gemessen. Von dort bringt er drei Siege in den Kategorien große Vögel, kleine Vögel und kleine Säugetiere mit. „Weltmeister bin ich aber nicht“, erklärt er.  Denn er sei in der Professional-Class angetreten. Weltmeistertitel vergibt nur die Master-Class. Dennoch kann er auf sechs Goldmedaillen verweisen.

Welche Herausforderungen alte Objekte haben können, haben die Museumsleute bei einer Schau in einem Laborzelt gezeigt. So müssen Schutzanzug und Maske angezogen werden, da ein Teil der historischen Präparate kontaminiert sein kann. „Sie sind sehr unterschiedlich geschädigt. So kann es passieren, dass die Haut teilweise gerissen ist. Dann muss sie neu verklebt, retuschiert und eventuell koloriert werden“, erklärt er. Staub und Umwelteinflüsse haben den Exponaten oft zugesetzt und Schäden verursacht, die nicht alle zu reparieren sind. So bekomme man nicht alle Federn wieder weiß wie beim Original, nennt er ein Beispiel. „Der eigene Anspruch erfüllt sich meist nicht. Gestalterisch kann ich nichts machen – es geht um den Erhalt der Objekte.“

Tierplastik für neues Museum ist Herausforderung


Die nächste Herausforderung ist die große Tierplastik für das neue Naturkundemuseum im ehemaligen Bowlingtreff am Leuschnerplatz. Dafür werden selbstverständlich die Ter-Meer-Präparate nicht verwendet. „Die sind schließlich Kulturgut“, sagt Diebitz. Sie werden in Vitrinen um die Installation gruppiert. Bei der neuen Tierplastik werden Haut und Panzer von verstorbenen Zootieren verklebt. Sie wird Elemente der natürlichen Nahrungskette darstellen und viele Arten berücksichtigen – darunter Gnus, die von einem Nilkrokodil angefallen werden, und Löwen. Ein Jaguar nimmt es mit einem Kaiman auf, überrascht den kleinen Alligator hinterrücks und erlegt ihn mit einem kräftigen Biss ins Genick. Die Idee dazu stammt ebenso wie das Konzept für die Neuausrichtung des Museums von Direktor
Ronny Maik Leder.

René Diebitz stehen bei der Arbeit Markus Ranf sowie Louisa Bosse zur Seite. Die anstehenden Arbeiten bei der Überarbeitung bestehender Dermoplastiken sind sehr umfangreich. Deshalb werden Experten aus anderen deutschen Naturkundemuseen der Mannschaft vor dem Umzug ins moderne Haus am Leuschnerplatz ein wenig unter die Arme greifen.

Stand: 16.07.2024

Bildergalerie - Diebitz, René

Deutsches Buch- und Schriftmuseum

Deutscher Platz 1 | Ortsteil: Zentrum-Südost

Es ist das Schaufenster der Deutschen Nationalbibliothek: Unter dem Titel „Zeichen – Bücher – Netze: Von der Keilschrift zum Binärcode“ lädt das Deutsche Buch- und Schriftmuseum der Nationalbibliothek zum Streifzug durch die Mediengeschichte der Menschheit. „Schrift, Buchdruck mit beweglichen Lettern und digitale Netzwelten sind dabei das chronologische Rückgrat der Ausstellung“, sagt Stephanie Jacobs, die das Museum seit März 2007 leitet. Etwa 800 Objekte sind aus dem riesigen Fundus an Schätzen ausgewählt worden.

Die Einrichtung, 1884 als Deutsches Buchgewerbemuseum gegründet, zählt zu den ältesten und nach Umfang und Qualität der Bestände wohl auch zu den weltweit bedeutendsten Sammlungen auf dem Gebiet der Buchkultur. Im Zweiten Weltkrieg verliert das Museum sein Domizil im Deutschen Buchgewerbehaus am Gutenbergplatz. Sie wird in die damalige Deutsche Bücherei integriert. „Merkur und die Bücher“ heißt eine Ausstellung rund um den Buchplatz Leipzig, die 2008 schließen muss und zu diesem Zeitpunkt wohl auch überholt war. 2012 öffnet dann eine moderne Dauerausstellung, die durch verschiedene Sonderschauen ergänzt wird.

Die Ausstellung ist im verglasten Erdgeschoss des vierten Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek beheimatet, der 2011 mit dem Leipziger Architekturpreis ausgezeichnet wurde. Entworfen hat das Gebäude die Stuttgarter Architektin Gabriele Glöckler. Fünf große Vitrinenkörper bilden darin eine räumliche Struktur für das Museum, die an dreidimensionale kalligraphische Zeichen erinnert. Dabei gibt es den Anspruch, die eigentlich stummen Objekte in den Vitrinen zum Sprechen zu bringen und auch einige Überraschungscoups zu landen. Vom frühzeitlichen Kerbholz bis zur Replik der Voyager Golden Records werden 5.000 Jahre Mediengeschichte durchaus spannend erzählt.

Rollsiegel ist ältestes Exponat der Sammlung


Ein Hingucker ist der „schwarze Obelisk“. Es ist ein Kalkstein-Abguss des Originals, das sich im British Museum in London befindet. Dabei handelt es sich um eine Ikone der Schriftgeschichte. Dargestellt sind auf dem Obelisken des assyrischen Königs Salmanassar III. eine Eroberungsszene in Bild und Text. Sie stammt aus der Zeit 858 bis 824 vor Christus. Die Flachreliefs zeigen unterworfene Könige aus Iran, Israel, Ägypten, Syrien und anderen Ländern, die vor dem Herrscher niederknien. Die Keilschrift beschreibt die Tributleistungen. „Die Säule steht natürlich für die Entwicklung der Schrift, die sich auf sehr vielfältige Art und Weise vollzog“, erklärt Jacobs. Das älteste Objekt in der Schau ist völlig unscheinbar: ein etwa 5.000 Jahre altes Rollsiegel, mit dessen Hilfe Zeichen in den Ton gerollt wurden.

Die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern optimiert die Verbreitung von Wissen um die Mitte des 15. Jahrhundert herum. „Es war nicht nur eine technische Innovation, sondern auch eine gesellschaftliche. Erst da konnte Wissen unendlich vervielfältigt werden“, erklärt die Museumschefin. Zu sehen ist eine Druckerpresse als Symbol für die Industrialisierung der Buchproduktion. Vorgestellt werden Meisterleistungen mittelalterlicher sowie moderner Buchkunst. Thematisiert wird, wie mit Zensur versucht wurde, die Verbreitung von Schriften zu verhindern. Dafür steht die Zensurliste der katholischen Kirche – der zwischen 1559 und 1967 erschienene Index librorum prohibitorum. Das ist wohl der prominenteste Versuch, den Buchmarkt systematisch zu kontrollieren. Aber auch Tarnschriften und Untergrundliteratur, mit der Autoren und Verleger Fangnetzen der Obrigkeit entgehen wollten, sind zu sehen. Medienstationen stehen bereit, damit die Besucher ihr Wissen vertiefen können.

Buch verliert seine Rolle als Leitmedium


Ebenso spannend: Die rasante Medienentwicklung im 20. Jahrhundert zeigt auf, wie das Buch seine Rolle als Leitmedium verliert und mit Radio, Fernsehen und später dann auch mit digitalen Netzwelten konfrontiert wird.

Doch die Verbreitung von immer mehr Informationen im Netz ist Fluch und Segen zugleich. Elektronische Daten sind oft unübersichtlich, aber auch manipulierbar. „Unsere Funktion als Bibliothek und Museum ist es, auch dieses Wissen zu speichern“, erklärt Jacobs. Möglichkeiten, Texte zu manipulieren, haben indes rasant zugenommen. Das könne das Museum nicht verhindern. Notwendig sei aber, viel Bildung- und Aufklärungsarbeit zu leisten und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, achtsam mit den Quellen zu sein.

Guckkästen lassen in die Zukunft blicken


Das Museum hat Guckkästen geschaffen, um augenzwinkernd die Zukunft der Medien zu hinterfragen. Und stellt beispielsweise eine Kopie der Voyager Golden Records vor. Das sind Datenplatten mit Bild- und Audio-Informationen, die 1977 an Bord von Raumsonden angebracht werden, damit außerirdische Lebensformen etwas von der Menschheit erfahren können.

Zum Museum gehört ein begehbarer Tresor, der für das Zeigen wertvoller Originale und Sonderausstellungen genutzt wird. Ein Lesesaal mit modern ausgestatteten Arbeitsplätzen lädt zum Recherchieren ein. Wer möchte, kann eine KI-Box als Guckloch in die Zukunft nutzen. Mit „KlingKlang – Geräusche aus der Mediengeschichte“ bietet das Museum sogar eine Schatzkammer fürs Ohr. 

Museum etabliert sich als Ort der Demokratie


Wichtig ist Stephanie Jacobs, die Deutsche Nationalbibliothek und das Museum als Ort der Demokratie ins Bewusstsein zu rücken. „Die Nationalbibliothek stellt der Öffentlichkeit Wissensressourcen bereit“, erklärt sie. Die Institution sammle, dokumentiere und archiviere alle Werke in Schrift und Ton, die seit 1913 in Deutschland und weltweit über Deutschland oder in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Dabei gibt es keine Restriktion, keine Zensur.

„Wir stehen für Meinungsfreiheit und ermöglichen Demokratie.“ 2024 organisiert das Museum anlässlich des 35. Jahrestags der Friedlichen Revolution erstmals ein Jazzfestival, das das revolutionäre Potenzial des Freejazz als Medium des Widerstands in der DDR ins Zentrum stellt. Im Sommer 2025 folgt ein „Sommerfest der Demokratie“.

Stand: 24.02.2024

Antikenmuseum der Universität Leipzig

Nikolaikirchhof 2 | Ortsteil: Zentrum

Antike Vasen, Krüge und Gefäße vermitteln ein eindrucksvolles Bild von der Welt der Helden und Götter. Sie erzählen, wie die Krieger in den Kampf zogen, von sportlichen Wettkämpfen und dem Leben der Frauen in ihren Gemächern. Sie lassen die Besucher im Antikenmuseum der Universität Leipzig in der Alten Nikolaischule am Nikolaikirchhof teilhaben am wilden Treiben des Weingottes Dionysos, der inmitten seines ausgelassenen Gefolges manchen Becher kippte. Die Porträtsammlung mit den Bildnissen von Dichtern, Kaisern und Gelehrten bringt eine längst entschwundene Zeit nahe.

Eine der ältesten Sammlungen antiker Kunst


Schon seit 1841 wird in Leipzig systematisch antike Kunst gesammelt. Voraussetzungen dafür werden bereits 1735 geschaffen, als
Johann Friedrich Christ erstmals an einer deutschen Hochschule archäologische Denkmale als Gegenstand seiner Vorlesungen behandelt. Zur Anschauung legt er seinen Studenten antike Münzen und Antiquitäten aus eigenem Besitz vor. Dieser Nachlass könnte wohl der Grundstock für das spätere Antikenmuseum gewesen sein.

Die Universität Leipzig besitzt eine der ältesten und bedeutendsten Schau- und Lehrsammlungen ihrer Art in Deutschland. Mehr als 10.000 Sachzeugnisse der Antike umfasst die Sammlung, die einst mit Hilfe Leipziger Bürger zusammengetragen wurde. Etwa 450 Werke können im kleinen Museum exemplarisch gezeigt werden. Zudem lädt der Lehrbereich Klassische Archäologie der Universität Leipzig in sein Magazin mit der Gipsabguss-Sammlung des Antikenmuseums im Bürohaus am Dittrichring 13 regelmäßig zu Führungen ein.

Nach seiner Gründung erhält das Institut für Klassische Archäologie einen provisorischen Standort im Augusteum, dem Hauptgebäude der Universität am Augustusplatz. Ein Museum entsteht zunächst im Jahr 1843 im Fridericianum, einem Gebäude in der Schillerstraße. Es ist etwa 240 Quadratmeter groß. Von Anfang an ist dort an einem Tag in der Woche für die Öffentlichkeit geöffnet.

Monumentale Skulpturengruppe wird Hingucker


Dort wurde es zunehmend zu eng, denn der Platz reichte trotz Erweiterungen nicht mehr aus. Deshalb zieht die Sammlung 1881 zunächst ins zentrale Hauptgebäude der Universität. Nur wenige Jahre später bekommt das Museum an diesem Standort ein neues Quartier. Im Erdgeschoss des Johanneums – dem Südflügel des von
Arwed Roßbach umgestalteten Hauptgebäudes der Universität – belegt die Sammlung ab 1897 mehrere Säle. Damals besteht sie noch hauptsächlich aus Gipsabgüssen. In der Blütezeit gibt es rund 3.000 Inventarnummern.

Unter der Leitung von Franz Studniczka wird die Sammlung griechischer und römischer Originale systematisch ausgebaut. Geschenke von Wissenschaftlern, Gelehrten, Sammlern und anderer Kunstfreunde lassen den Fundus rasch anwachsen und verhelfen der einst bescheidenen Lehrsammlung antiker Kunst zum Ruf eines Museums von internationaler Bedeutung. Die dazugehörige Abguss-Sammlung wird von Beginn an ein Ort des Studiums der Archäologie, ist aber auch für die Öffentlichkeit zugänglich. Ein Hingucker in der Ausstellung wird der imposante Abguss einer monumentalen Skulpturengruppe. Das ist der „Toro Farnese“ aus Neapel, der nun zumindest digital neu entsteht.

Schattendasein nach der Sprengung des Universitäts-Gebäudes


Die Universität Leipzig muss bei den anglo-amerikanischen Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg allerdings schwere Verluste am Augusteum hinnehmen. Auch Räume des Museums im Johanneum werden zerstört. In der Nachkriegszeit startet zwar der Wiederaufbau des Museums. So wurden etwa 600 Gipsabgüsse gerettet, die ab 1955 auch ausgestellt werden. Doch der Wiederaufbau endet 1968 durch den willkürlichen Akt der Sprengung von
Universitätskirche und der Universitäts-Hauptgebäude abrupt. Hinzu kommt: Mit ihrer Hochschulreform verbannen die DDR-Machthaber „bürgerliche Bildungsfächer“ zu einem Schattendasein und liquidieren den Lehrstuhl für Archäologie sogar.

Nach der Sprengung des Universitätsgebäudes sind die Exponate der Gips-Sammlung in einem alten Kohlebunker eingelagert. Auch dort gibt es zahlreiche Verluste an der Sammlung. Selbst das Schalck-Imperium hat ein Auge auf einige verbliebene Kostbarkeiten geworfen. Es wurde aber verhindert, dass sie gegen Devisen in den Westen verkauft werden. Erst die politische Wende nach 1989 bringt mit der Neugründung des Institutes für Archäologie den lang ersehnten Neuanfang.

Mit der Sanierung der Alten Nikolaischule, die die Kulturstiftung Leipzig vorantreibt, erhält das Antikenmuseum wieder ein neues Domizil. Es kann am 21. Oktober 1994 öffnen. Seitdem bietet es einen Überblick über die wichtigsten Kunstgattungen und Stilperioden der griechischen und römischen Antike sowie angrenzender Mittelmeergebiete. Troja beispielsweise ist mit mehreren Funden aus den Grabungen von Heinrich Schliemann vertreten.

Vasen erzählen von Helden und Göttern


Ein Schwerpunkt der Sammlung sind Vasen aus dem 6. und 5. Jahrhundert vor Christus, der Blütezeit griechischer Vasenmalerei. Durch die Abbildungen wird ein eindrucksvolles Bild von der Welt der Götter und Helden vermittelt. Ob nun die Abenteuer des Herakles, das Trinkgelage griechischer Männer, das wilde Treiben des Weingottes Dionysos oder Bilder vom Leben der Frauen – es gibt viel an den Vasen zu entdecken.

Das Modell eines pompejanischen Hauses zeigt detailliert, wie wohlhabende römische Bürger einst gelebt haben. Eindrucksvoll sind die Marmorplastiken. In der kleinen Porträtgalerie sind die Bildnisse griechischer Dichter und Denker, eines römischen Kaisers und unbekannter Privatpersonen zu erkunden. Es warten auch drei Porträts in Gips, die ertastet werden dürfen.

Stand: 05.05.2024

Bildergalerie - Antikenmuseum der Universität Leipzig

Kinderfreibecken „Robbe“ und Schwimmhalle Nord

Kleiststraße 54 | Ortsteil: Gohlis-Mitte

Umgeben von großen Bäumen und einer Liegewiese öffnet das Kinderfreibecken „Robbe“ traditionell am 1. Juni. Das ist der Kindertag. Es ist ein kindgerechtes Becken mit kleiner Rutsche, das zum Außenbereich der Schwimmhalle Nord in der Kleiststraße gehört. „Es ist zwar das kleinste Becken in Leipzig und wird nicht unter den Freibädern geführt, die Besucherzahlen liegen aber gar nicht so weit weg. Es ist eine Nische, aber eine sehr erfolgreiche, die wir hier bedienen“, erklärt Martin Gräfe, der Geschäftsführer der Leipziger Sportbäder. Die Firma betreibt im Auftrag der Stadt Leipzig die Schwimmhallen und Freibäder.

Sechs Anklam-Schwimmhallen sind saniert


Die Schwimmhalle Nord ist eine vom Typ Anklam. Das sind die Volksschwimmhallen in der DDR. Neun davon werden in Leipzig in den Jahren 1968 bis 1971 gebaut – sechs davon sind noch in Betrieb. Die Leipzig Sportbäder haben sie inzwischen modernisiert. Zu ihnen gehört auch die Schwimmhalle Nord, die 1969 am
Arthur-Bretschneider-Park (auch Eutritzscher Park) entsteht. Sie hat fünf Schwimmbahnen im 25-Meter-Becken, die Schul-, Vereins- und Freizeitsportlern zu unterschiedlichen Zeiten zur Verfügung stehen. Jüngste Investition: Der Beckenkreislauf der Schwimmhalle Nord wird durch vier Hocheffizienzpumpen gestaltet, die die bis dahin genutzten, nicht regelbaren Umwälzpumpen ersetzen. Das Bundesministerium für Umwelt hat den Austausch im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative gefördert.

Neue Sanitäranlagen in der „Robbe“


Die Sportbäder haben zum Start der Freibadesaison 2024 auch das Kinderfreibecken „Robbe“ modernisiert. Den kleinsten Gästen und ihren Begleitungen stehen nun modernere Sanitäranlagen zur Verfügung. Erneuert sind auch Beckenfolie und Beckenumgang. Über den Badebetrieb „wacht“ eine Robbe, die frisches Wasser ausströmt. Für die Eltern gibt es eine große Liegewiese zum Sonnenbaden. Wer Lust hat, kann auch an den Wochenenden im benachbarten Schwimmbad seine Bahnen ziehen.

Stand: 15.06.2024

Bildergalerie - Kinderfreibecken „Robbe“ und Schwimmhalle Nord

Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Markt 1 und Böttchergässchen 3 | Ortsteil: Zentrum

Es ist die Schatzkiste und das Geschichtslabor Leipzigs: das Stadtgeschichtliche Museum. Dort können Besucher Geschichte und Geschichten erleben. Von altsteinzeitlichen Siedlungsspuren bis hin zur Gegenwart gibt es anhand originaler und herausragender Objekte viel zu entdecken. Kernstück ist dabei die „gute Stube“ Leipzigs, das Alte Rathaus mit dem historischen Festsaal. Im Mai 2022 wurde dieser nach behutsamen Eingriffen in die historische Bausubstanz sowie notwendiger Modernisierung – vor allem Verbesserungen in Brandschutz und Sicherheit – neu eröffnet.

Zum Museum gehören neben der Dauerschau im Alten Rathaus das Haus Böttchergäßchen, das für Sonderausstellungen genutzt wird. Capa-Haus, Völkerschlachtdenkmal mit dem Forum 1813, Schillerhaus, Sportmuseum, die Alte Börse sowie das Museum „Zum Arabischen Coffe Baum“ sind ebenfalls als thematische Sondereinrichtungen angegliedert.

Bach-Porträt ist wichtigstes Exponat


Seit Gründung des Museums im Jahre 1909 ist das Stammhaus das Alte Rathaus. Dort wird die Historie Leipzigs sehr kompakt dargestellt. Im ersten Obergeschoss sind rund um den Festsaal und die historische Ratsstube, in der
Johann Sebastian Bach seinen Vertrag als Thomaskantor unterschrieb, viele wertvolle Originale zu sehen. Dazu gehört das Bach-Porträt von Elias Gottlob Haußmann, welches unsere Vorstellungen vom berühmtesten Thomaskantor aller Zeiten geprägt hat. Das Bild aus dem Jahre 1746 ist für das Museum wohl das wichtigste Exponat. Aufbewahrt wird der Trauring von Katharina von Bora, der Frau Martin Luthers. Der goldene Ring mit einem Rubin gehört zu den bekanntesten Devotionalien, die es von Luther und dessen Familie überhaupt noch gibt. Auch die Amtskette des Leipziger Oberbürgermeisters aus dem Jahre 1909 ist in einer extra Vitrine zu sehen. Zu besonderen Anlässen leiht der jeweilige Rathauschef sie aus, um sie zu tragen, zum Beispiel bei der Verleihung einer Ehrenbürgerschaft. Hingucker sind die Gemäldegalerien mit Fürsten- und Stadtrichterbildnissen sowie das 25 Quadratmeter große Stadtmodell, das Leipzig im Jahre 1823 detailliert darstellt. Es wurde 1823 vom Möbeltischler Johann Christoph Merzdorf im Maßstab 1:390 gefertigt.

Ausgehend vom Festsaal gelangt der Museumsbesucher in thematisch gegliederte Bereiche. Informiert wird von der frühen Besiedlung des im Kreuzungsbereich der Via Regia und Via Imperii – zweier wichtiger Fernwege – gelegenen Areals. Ansiedlungen von Kaufleuten und Handwerkern werden zur Keimzelle der späteren Stadt. Leipzig erhält zwischen 1156 und 1170 das Stadtrecht. Der Stadtbrief – ein undatiertes, handgroßes Stück Pergament – ist als Faksimile zu sehen, das Original wird im Stadtarchiv auf der Alten Messe aufbewahrt, ebenso wie die beiden von Kaiser Maximilian I. ausgestellten Messeprivilege. Informiert wird ausführlich über die Kirche und Gesellschaft im mittelalterlichen Leipzig.

Einige auf der Seite zum Naschmarkt befindliche Räume sind derzeit in Überarbeitung. Jene Räume sollen mit Unterstützung der Hieronymus-Lotter-Gesellschaft – des Freundeskreises des Museums – 2024 wieder zugänglich sein. Dort wird dann unter anderem eine ausführliche Darstellung der Entwicklung der Leipziger Messe sowie der Blütezeit Leipzigs im 18. Jahrhundert zu sehen sein. Die wertvollen Tapeten aus Krochs Hof kehren ebenfalls zurück.

Schatzkammer mit Geist der Vergangenheit


Wer Lust hat, kann in der Schatzkammer die Geheimnisse der einstigen Stadtoberen erkunden. Über 17 enge Stufen geht es in zwei kleine Räume, die förmlich den Geist der Vergangenheit atmen. Bürgermeister und Ratsherren haben dort jahrhundertelang Urkunden und Kostbarkeiten aufbewahrt. Über eine Klappe in der Ratsstube konnten sie, falls ungebetene Gäste kamen, wertvolle Dokumente unbeobachtet verschwinden lassen. Heute können Besucher dort Teile des Kramerschatzes, wie beispielsweise Pokale, Münzen, silberne und teilweise vergoldete Löffel sowie Dokumente, bewundern. Kramer sind Kleinhändler, die, im Gegensatz zu den Kaufleuten, bis Ende des 15. Jahrhunderts im in Buden und Gewölben, den so genannten Kramen, handelten.

Nach Voranmeldung für Gruppen und zu besonderen Anlässen geöffnet ist das Verlies, das vom Naschmarkt zugänglich ist. Der Schauraum im Keller mit zwei historischen Gefängniszellen sowie der Darstellung ausgewählter Kriminalfälle bietet einen Einblick ins Rechtsgeschehenen früherer Jahrhunderte. Zu sehen sind martialische Folterinstrumente wie Daumenschrauben und Fesseleisen, die von der Grausamkeit der Gerichtsbarkeit vergangener Jahrhunderte zeugen. Der Ausstellungsteil wird derzeit überarbeitet und soll 2025 neugestaltet sein.

„Moderne Zeiten“ mit unerzählten Geschichten


Im zweiten Obergeschoss geht es um die „Modernen Zeiten“. Dort können Besucher eintauchen in glückliche und tragische Zeiten, in denen sich Leipzig mit ungeheurer Dynamik zur Großstadt von europäischer Geltung entwickelt. Dabei reicht die Zeitspanne von der Industrialisierung bis zur Gegenwart.

Wer möchte, kann mit einem Tablet durch die Ausstellung laufen und dort – wie in einer Zeitmaschine – unerzählte Geschichte(n) finden. Etwa an der Statue des Arbeiterführers August Bebel, eine der zentralen Figuren der Sozialdemokratie. Doch wie hat eigentlich Unternehmerin Julie Bebel, seine Ehefrau, dies alles erlebt? Ein weiteres Beispiel ist Bruno Vogel, der Pazifist und Autor, der das bis dahin gültige Männlichkeitsideal in Frage stellte und mit „Es lebe der Krieg“ 1925 das erste deutsche Antikriegsbuch veröffentlichte. Die Besucher können nachvollziehen, wie er zur Ikone der deutschen Schwulenbewegung wurde.

Besonders spannend: Eine stilisierte Fliegerbombe an einer Tür, die mit „Bomben auf Leipzig“ beschriftet ist. Eine Gitterrost-Treppe führt auf den Dachboden. Oben leuchtet auf einer Leinwand das brennende Leipzig. Die englische Royal Air Force fliegt im Winter 1943 immer schwerere Angriffe auf deutsche Städte. In der Nacht auf den 4. Dezember trifft es Leipzig. In einer schlichten Installation wird versucht, ein pietätvolles Gedenken an das Grauen des Krieges zu schaffen.

Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird hinterfragt


Informiert wird auch über das Leben in der DDR – etwa am Beispiel der Küche einer Neubauwohnung in Grünau. Eintauchen können die Besucher in die Zeit der
Friedlichen Revolution im Herbst 1989. Im Bereich „Boomtown“ werden hier ausgewählte Umbrüche und Aufbrüche der folgenden Jahre vorgestellt: von den Volkskammerwahlen im März 1990, Straßenumbenennungen, Sanierungen der maroden Bausubstanz, bis zum Flughafenbau. 

Die Präsentation der Ereignisse nach 1990 wird aber bereits aus der Gegenwartsperspektive hinterfragt. Gemeinsam mit dem Kunst- und Kulturverein Krudbude wird bei einer Intervention geschaut, welche und wessen Geschichten erzählt werden und was bisher keinen Platz erhält. „Das ist ein Vorgeschmack auf unsere große Sonderschau zu den 1990er Jahren in Leipzig“, kündigt Museumsdirektor Anselm Hartinger an. Nach der Neueröffnung des Museums „Zum Arabischen Coffe Baum“ im Herbst 2024 steht die Überarbeitung der „Modernen Zeiten“ an.

Sonderschau und Kindermuseum im Haus Böttchergäßchen


Der vom Leipziger Büro der Prof. Coersmeier GmbH entworfene Neubau fürs Museum, mittlerweile als
Haus Böttchergäßchen bekannt, entstand in den Jahren 2002 bis 2004. Der Viergeschosser mit einem Staffelgeschoss beherbergt Sonderausstellungen, das Kindermuseum, die Bibliothek samt Lesesaal und Fotothek, Werkstätten, Depot sowie die Verwaltung. „Kinder machen Messe“ heißt die besonders auf den Nachwuchs zugeschnittene Erlebnisausstellung zur Geschichte der Leipziger Messe. Dort können die Kinder beispielsweise exotische Waren riechen, fühlen und wiegen oder farbenfrohe Kostüme anprobieren.

Stand: 05.01.2024

Bildergalerie - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Historisches Bildmaterial - Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Schwabe, Uwe

Bürgerrechtler, Sammlungssachbearbeiter, Vorstand Bürgerarchiv | geb. am 4. Mai 1962 in Leipzig

Sein großer Traum ist es, zur See zu fahren. Doch der bleibt ihm in der DDR verwehrt. Als junger Mann verpflichtet sich Uwe Schwabe zwar drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee, wo er als Schlosser Flugzeuge repariert. Doch es gibt immer wieder Ärger, da er sich dem militärischen Disziplinierungssystem nicht unterordnen kann. Ihm wird bescheinigt, für den „grenzüberschreitenden Verkehr nicht geeignet“ zu sein. Er schlägt sich in verschiedenen Jobs durch und wird eines der Leipziger Gesichter der Friedlichen Revolution. Uwe Schwabe, der Ex-Bürgerrechtler, wird für seine Verdienste während der Friedlichen Revolution vielfach geehrt. Ob mit dem Bundesverdienstkreuz Erster Klasse oder der „Goldenen Henne“: Schwabe. der Vorstandsvorsitzende des Archivs Bürgerbewegung Leipzig e.V., arbeitet heute im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig.

Ohne Scheuklappen in der Jungen Gemeinde


Geboren wird er am 4. Mai 1962 in Leipzig. Er wächst mit drei Geschwistern im Leipziger Osten auf, die Mutter ist im Dreischichtsystem tätig. Zunächst lebt die Familie in Portitz, in einem Einfamilienhaus der Großmutter. Doch das ist baufällig, die Kosten sind nicht mehr zu tragen. „Es war für mich ein Schock, von der ländlichen Idylle in die Großstadt zu kommen“, erinnert er sich. Plötzlich lebt die Familie in einer Zweiraumwohnung in einem baufälligen Haus, wie überall im Leipziger Osten. Schwabe kümmert sich um die bettlägerige Großmutter, die er pflegt. Zur Schule geht er in die 16. Polytechnische Oberschule in der Konradstraße.

Zwischen 1978 und 1980 absolviert er eine Lehre zum Instandhaltungsmechaniker beim VEB Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft Leipzig. Anschließend wird er zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Dort lernt er Udo Hartmann kennen, der ihn mit in die Junge Gemeinde der Nikolaikirche nimmt. „Das war für mich so faszinierend, weil ich das erste Mal erlebt habe, wie Leute offen politisch ohne Scheu, ohne Scheuklappen diskutieren“, bekennt er später. Und er begegnet Christian Führer, dem engagierten Pfarrer der Nikolaikirche. „Sein Ziel war es, offene Diskussionen zuzulassen. Und er hat uns junge Leute angeregt, uns kritisch mit vielen Themen auseinandersetzen.“ Ab 1984 engagiert Uwe Schwabe sich in der Umweltgruppe der Kirche.

Eine Anzeige wegen Umweltverschmutzung


Beruflich geht der Instandhaltungsmechaniker nach der Armee zurück an die Werkbank. Zunächst bei der Wasserwirtschaft, später beim VEB Baumaschinenkombinat Süd. 1987 hat er die Nase voll. Er wird schikaniert, weil er seinen Betrieb wegen Umweltverschmutzung anzeigt. Der Grund: Ölfässer werden mitten im Naturschutzgebiet des
Kulkwitzer Sees ohne Auffangwanne einfach auf die Wiese gestellt. Er kündigt, ist arbeitslos, nimmt Jobs wie auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt an. Schließlich wird er Pfleger im Albert-Schweitzer-Haus, einem evangelischen Pflegeheim, und kümmert sich dort um alte Menschen, die in großen Sälen mit Bett und Stuhl leben müssen.

Auch das prägt ihn, beschleunigt die Entwicklung zum Revolutionär. Er nutzt die Möglichkeiten der geistigen Freiheit, die die Nikolaikirche den jungen Leuten bietet, ohne sich zum Glauben bekehren zu lassen. 1987 gründet er schließlich eine eigenständige Initiativgruppe „Leben“, die sich auch um Menschenrechtsfragen, Fragen des Wehrersatzdienstes oder der Wehrdienstverweigerung kümmert. Er verweigert selbst den Reservistendienst, wird daher zum einfachen Soldaten degradiert. Ab 1988 beteiligt Schwabe sich an verschiedenen Demonstrationen, organisiert etwa den Pleiße-Gedenkmarsch. Im Januar 1989 ruft er anlässlich der staatlichen Liebknecht-Luxemburg-Demo zum Gegenprotest auf. Weil er Flugblätter verteilt, wird er zehn Tage lang inhaftiert. Auch beim Leipziger Straßenmusikfestival ist er dabei.

Gründungsmitglied beim Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.


In der Zeit der Friedlichen Revolution setzt er sich für das Neue Forum ein. Einer Partei tritt der Bürgerbewegte aber nicht bei. Ihm ist es wichtig, Erinnerungsarbeit für die Friedliche Revolution zu leisten. Deshalb gründet er mit Gleichgesinnten das
Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V.. Heute ist er Vorsitzender des Vereins, der seinen Sitz im Haus der Demokratie in Connewitz hat. Seit 1994 ist Uwe Schwabe Mitarbeiter im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Dort ist er Sammlungssachbearbeiter, sucht gezielt nach Gegenständen für die Wechselausstellungen und macht die Fotorecherche. Besonders spannend: Er besorgt für eine Ausstellung ein selbstgeknüpftes Netz aus der Ukraine. Frauen haben es aus Stoffresten als Tarnnetz für Panzer geknüpft. „Das war sehr abenteuerlich und für mich ein emotionaler Moment.“

Schwabe ist gefragt als Zeitzeuge. „Wir sind Präsident“ – jubiliert er 2015 in Berlin. Damals wird Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt. Schwabe ist als einer der Wahlmänner dabei. „Er ist der richtige Mann für dieses Amt.“ Nach wie vor mischt sich der ehemalige Bürgerrechtler Schwabe in Debatten ein. Etwa wenn es um ein Freiheits- und Einheitsdenkmal Leipzig geht.

Mit Gleichgesinnten gründet er 1994 den Verein Europamaidan Leipzig, der Vorträge und Bildungsgebote anbietet, aber auch Psychologen unterstützt, die sich um ukrainische Flüchtlinge kümmern. Außerdem ist er aktiv im Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Forum Recht sowie bei der Entwicklung des Forums für Freiheit und Bürgerrechte bei der Neugestaltung des Matthäikirchhofes. Geehrt wird er mehrfach, darunter 2014 mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, gemeinsam mit Pfarrer Christian Führer, Pfarrer Christoph Wonneberger und dem Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V..

Stand: 13.03.2024

Bildergalerie - Schwabe, Uwe

Sächsisches Apothekenmuseum

Thomaskirchhof 12 | Ortsteil: Zentrum

Selbst zu Karl May gibt es eine Verbindung. Seine Romanfigur Kara Ben Nemsi hat im Buch „Durch die Wüste“ von 1881 eine homöopathische Reiseapotheke von Willmar Schwabe dabei, mit deren Hilfe er mehrere Kranke heilt. Ob der Schriftsteller und der Apotheker sich gekannt haben, ist nicht genau belegt. Zumindest die Centralapotheke am Leipziger Thomaskirchhof kennt May. Er hat ganz in ihrer Nähe gewohnt und sich dort mit großer Wahrscheinlichkeit Anregungen geholt.

Eine solche homöopathische Hausapotheke mit ihren mehr als 200 verschiedenen Wirkstoffen ist im Sächsischen Apothekenmuseum zu sehen. Dieses ist im Haus der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke untergebracht und erzählt auf rund 100 Quadratmetern Episoden aus der sächsischen Apotheken-Geschichte und der Pharmazie.

Werben für den Apothekerberuf


Die Leipziger Apotheken-Historie startet 1409 mit der
Löwen-Apotheke, der ersten in Sachsen, die von einem aus Prag eingewanderten Heilkundigen eröffnet wird. Die Centralapotheke gilt als die erste rein homöopathische Apotheke Deutschlands.

Das Sächsische Apothekenmuseum wurde am 17. Juli 1999 eröffnet. Betrieben wird es vom Sächsischen Apothekerverband, der mit der Dauerausstellung auch gezielt Nachwuchs werben will. „Das Museum richtet sich nicht nur an Fachbesucher. Schließlich hat jeder ein Verhältnis zur Apotheke, zu Medikamenten und besitzt seine Erfahrungen mit Krankheit und Therapie“, sagt Susanna Seufert, die das Museum leitet. Erklärtes Ziel sei es, möglichst vielen Menschen das Berufsbild des Apothekers nahezubringen.

Ein Buch zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“


Gezeigt wird, wie sich die Ansprüche an die Apotheken im Laufe der letzten 150 Jahre verändern. Zu sehen sind Apotheker-Hilfsmittel wie Zäpfchenpressen, Drogenmühlen, Pillenbretter, Waagen, Mörser, Reibschalen und Spatel oder ein Infundier-Tisch aus dem Jahr 1894, mit dem einst im städtischen
Krankenhaus St. Jacob Kräuter ausgekocht wurden. Ältestes Exemplar der Sammlung ist ein Kräuter-Buch von 1672, das Tipps zum „Heilen der menschlichen Blödigkeit“ parat hat. Das ist allerdings kein Psychiatrie-Lehrbuch. „Blödigkeit steht in jener Zeit einfach für Krankheit“, erklärt Seufert. Ein Thema ist die erste Leipziger Arzneitaxe aus dem Jahr 1669. Das ist ein für alle Apotheken der Messestadt gültiger Preiskatalog mit einem ungewöhnlich großen Angebot von 2.950 Mitteln. Die mussten die Apotheker auch vorrätig haben. Selbst heute merkwürdig anmutende Arzneimittel wie geriebenes Einhornpulver. Das wird bis ins 18. Jahrhundert hinein verkauft. Erst dann stellt sich heraus, dass es sich in Wahrheit um Narwal-Stoßzähne handelt. 

Auch ein handgeschriebenes Rezepturen-Buch gibt es. Darin sind die geheimsten Mischungen aufgelistet. Glanzstück der Ausstellung ist eine Plastik vom weisen König Salomo, die sich einst an der gleichnamigen Apotheke befand, die 1470 ihr Privileg erhielt. Die Salomoapotheke wechselte mehrmals ihren Standort. Zuletzt am Peterskirchhof 7 angesiedelt, wurde sie 1983 endgültig geschlossen.

Leipzig als Zentrum der Homöopathie


Ein Raum ist
Samuel Hahnemann, dem Erfinder der Homöopathie, sowie dem bereits erwähnten Willmar Schwabe gewidmet, der Leipzig zu einem Zentrum dieser Naturheilmethode macht. Die Museumsbesucher erfahren zudem interessante Geschichten über Persönlichkeiten wie die Leipziger Apothekerfamilie Linck, deren 1757 erbautes Sommerdomizil Lincks Gartenhaus im Hinterhof der Seeburgstraße 45 noch heute existiert. Bei Führungen und Sonderaktionen, etwa bei der Museumsnacht Leipzig-Halle, ist es auch möglich, dass Interessierte sich beim Tabletten pressen ausprobieren können.

Eine typische DDR-Apotheke


Ausgestellt sind Inventar und Arzneimittel aus der
Falken-Apotheke Leipzig von 1982, die sich in der Ernst-Thälmann-Straße 99 (heute: Eisenbahnstraße) befand. In deren ehemaligen Räumen befindet sich seit ein paar Jahren das Szenelokal Kulturapotheke Leipzig. Für die Museumsgäste wird mit der Falken-Apotheke eine typische DDR-Apotheke im Grundriss erlebbar. Gezeigt wird allerdings nicht nur der Verkaufsraum, sondern das zum Funktionieren notwendige „Hinterland“. In verschiedenen ausziehbaren Schränken sind beispielsweise Betäubungsmittel, Gifte, ätherische Öle oder Krankenpfleger-Zubehör zu sehen. Ein Highlight ist das Schaudepot mit Medikamenten der DDR und einer für die 1960er Jahre typische Einrichtung. Es gibt ein Arzneimittelbuch. Ziel ist es, alle DDR-Arzneien zu zeigen. Das ist möglich, weil aus sich auflösenden Apotheken oder dem Nachlass von Verstorbenen immer noch „Neuzugänge“ eintreffen.

Im Museum gibt es inzwischen einen Audioguide, mit dessen Hilfe interessante Episoden aus der Apothekengeschichte zu hören sind. Die reicht weit zurück: Die Pille als älteste Arzneiform ist bereits im alten Mesopotamien und im alten Ägypten bekannt. Im Laufe der Jahrhunderte haben sich neue Formen und Herstellungstechniken entwickelt. Das Sächsische Apothekenmuseum bietet viel Wissenswertes rund um Tabletten, Kapseln und Dragees, um Tees, Tropfen und Tinkturen, um Salben Gele und Pflaster.

Einen Besuch wert ist auch das Restaurant Bachstüb’l im Erdgeschoss des Gebäudes, das viele Jahre unter dem Namen Centralapotheke existierte. Im Lokal befindet sich noch die Schrankwand aus dem Geschäftsraum der ehemaligen Homöopathischen Central-Apotheke.

Stand: 03.03.2024

Reclam-Museum

Kreuzstraße 12 / Inselstraße 20 | Ortsteil: Zentrum-Ost

Die Erfolgsgeschichte beginnt mit Faust. Nahezu jeder kennt Reclams Universal-Bibliothek, deren Ursprung in Leipzig liegt. Deshalb hat der Verein Literarisches Museum um Vereinschef Hans-Jochen Marquardt dem Verleger Anton Philipp Reclam ein eigenes Museum gewidmet. Den Grundstock dafür bildet die Privatsammlung Marquardts. Zu finden ist das kleine, aber feine Museum im Souterrain des Gebäudes Inselstraße 20 (Eingang Kreuzstraße 12). Das Haus gehört dem Schulträger Rahn Education, der dem Verein mietfrei zwei Räume bereitstellt. Zugleich hat die Schulgesellschaft eine große Regalwand gesponsert. Gleich gegenüber an der Ecke Inselstraße/Kreuzstraße liegt der frühere Gebäudekomplex des Reclam-Verlags. Im Museum werden gelegentlich Lesungen und andere Veranstaltungen angeboten. Oft ist das aus Kostengründen allerdings nicht möglich, denn ins Museum dürfen maximal 30 Personen hinein.

Reclam im Gedächtnis Leipzigs bewahren


„Unser Ziel ist es, den Namen Reclam im kulturellen Gedächtnis der Stadt Leipzig zu bewahren und zu pflegen“, sagt Marquardt. Wie lange das in einem eigenen Museum gelingt, ist offen. Der inzwischen betagte Germanist, Kleist-Forscher und Kulturwissenschaftler sucht einen Nachfolger, der das kleine Museum einmal übernimmt. Er reist zweimal die Woche aus Halle/Saale an, um es zu öffnen. Ein wenig Unterstützung gibt es vom Verein, zu dessen Mitgliedern auch der Verlag als Körperschaft gehört. Der Vereinsname knüpft an den von Reclam 1828 gegründeten Verlag Literarisches Museum an, der 1837 in Verlag Philipp Reclam jr. umbenannt wird. Derzeit laufen die Verhandlungen, die Sammlung dauerhaft in einer städtischen Einrichtung zu bewahren. 

Ein nächstes Highlight steht am 1. Oktober 2028 an. Dann jährt sich die Gründung des Verlages in der Grimmaischen Gasse 4 zum 200. Mal. Dessen erstes Domizil ist ein Haus gegenüber dem Löwenbrunnen neben dem heutigen Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Deshalb hat sich der Verein (24 Mitglieder in aller Welt) vorgenommen, dort eine Gedenktafel anzubringen.

Verleger Reclam gelingt Geniestreich


Es war ein Geniestreich: Der Verleger
Anton Philipp Reclam und sein Sohn Hans Heinrich Reclam haben die Neuregelung des Urheberrechts 1837 genutzt. Vom 10. November 1867 an waren Werke von Autoren, die vor dem 9. November 1837 gestorben waren, ‚gemeinfrei‘. Für die Verlage bringt dies den Vorteil, dass sie keine Tantiemen mehr zahlen müssen. Darauf hat sich Reclam akribisch vorbereitet, der mit „Faust I“ sogleich das erste Heft der künftigen Reihe in einer Auflage von 5.000 Exemplaren herausbringt. An diesem Tag legt er bereits 52 weitere Hefte vor, darunter 25 zwischen März 1865 und April 1867 gedruckte Shakespeare-Dramen. Das ist der Start für Reclams Universal-Bibliothek. Zuerst wird im März 1865 „Romeo und Julia“ (später Nr. 5 der Reihe) produziert. Vom historischen Heft 1 sind weltweit noch drei Exemplare bekannt. Eins ist in der Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Alten Rathaus zu sehen. Bis heute sind in der Universal-Bibliothek des Verlags nahezu 30.000 Titel erschienen.

Eine Leidenschaft für das Sammeln


„Mich hat fasziniert, wie Literatur für wenig Geld weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich gemacht wurde“, begründet Marquardt seine Sammelleidenschaft. Der Verlag hat sein früheres Stammhaus in Leipzig im März 2006 geschlossen. Nach wie vor gibt er die älteste noch existierende deutschsprachige Taschenbuchreihe heraus. Das Museum zeigt alle in Leipzig erschienenen Titel der Reihe im Wandel der Zeit. Auch die Nachfolge-Reihe steht im Museum. „Die Stuttgarter Reihe konnte ich leider nicht sammeln, da kam ich zu DDR-Zeiten einfach nicht ran“, bedauert er. Tausende Exemplare hat er aber inzwischen ebenfalls erworben. 

Marquardt besitzt sämtliche Titel der Leipziger Universal-Bibliothek von deren Gründung 1867 bis 1990 und damit deutlich mehr als die Deutsche Nationalbibliothek, die als Deutsche Bücherei erst 1913 gegründet wird und damals zunächst rückwirkend ab 1912 sammelt.

Die Sammlung Marquardts umfasst aber nicht nur die Universal-Bibliothek, sondern ist viel umfangreicher. Dazu gehören auch Zeitschriften, die Reclam einst herausgibt. Eine heißt „Leipziger Locomotive“ – ein Volksblatt für tagesgeschichtliche Unterhaltungen – und wird nach anderthalb Jahren verboten. „Ich gucke weiterhin nach wie vor nach Besonderheiten.“

Bücherautomat und Feldbücherei aus den Weltkriegen


Ein Hingucker ist der Nachbau eines Bücherautomaten, den der Reclam-Verlag der Ausstellung als Leihgabe beisteuert. Von 1912 an können Leser sich aus diesem Automaten, der auf Bahnhöfen, auf Schiffen, in Krankenhäusern oder Kasernen steht, Bücher von Reclams Universal-Bibliothek ziehen. Der Automat ist voll funktionstüchtig. Unikate wie eine Blechkassette als „Wochenendbücherei“ der 1920er-Jahre sowie tragbare Feldbüchereien aus beiden Weltkriegen sind ebenfalls zu sehen. 

Die Feldbücherei hatte fünf verschiedene Füllungen mit deutschsprachiger Literatur, Regelbücher für Karten- und Brettspiele sowie humoristische Ausgaben, um von den Schrecken des Krieges abzulenken. Erschienen sind auch Tarnschriften. Das sind Bücher, die nur wie Reclam-Hefte aussehen. Sie sind von Kriegsgegnern, beispielsweise in England, hergestellt und mit dem Flugzeug abgeworfen worden. Darin konnten die Soldaten lesen, wer schuld am Krieg war. 1936 gibt ein vermeintlicher Dr. med. Wohltat eine Anleitung fürs Vortäuschen von Krankheiten heraus, damit junge Männer schon nach der Musterung nicht zum Militär müssen. Der Verlag kann nichts dagegen machen. Es ist jedoch ein Beleg für die Berühmtheit der Reihe.

Marquardt hat viele Unikate. Darunter die handschriftliche Freigabe des Druckes von Hermann Hesse für seine Erzählung „In der alten Sonne“ sowie viele Briefe. Ebenso zu sehen: Die Festschrift zum 100. Geburtstag des Verlages, bei der Thomas Mann im Alten Theater die Festrede hält. Zu sehen ist auch eine Ausgabe mit falsch gedrucktem Sowjetstern, deren Einband ausgetauscht werden musste. Eingestampft wird das Buch des rumänischen Autors Petru Dumitriu, von dem 1960 nahezu 15.000 Hefte seines Romans „Familienschmuck“ vernichtet werden, weil er in den Westen geflohen ist. Dort erscheint der Roman ebenfalls. Die Reclamhefte liegen zu jenem Zeitpunkt bereits auslieferungsfertig da. Davon gibt es nur noch ein Exemplar – und das befindet sich im Museum. Aufdrucke wie VEB Reclam wurden nur bei zehn Ausgaben verwendet. „Der Verlag war von der Sowjetischen Militäradministration keineswegs als Kriegsverbrecher eingestuft, durfte daher nach geltendem DDR-Recht nicht enteignet werden“, erklärt Marquardt. Ernst Reclam hatte sogar eine Lizenz, hätte daher in der DDR bleiben können. 1948 geht er jedoch nach Stuttgart, um dort den Verlag Philipp Reclam jun. Stuttgart aufzubauen. Das Leipziger Unternehmen wird teilenteignet und als „Verlag mit staatlicher Beteiligung“ weitergeführt. 1992 wird der Leipziger Reclam-Verlag dann reprivatisiert.

Marquardt steckt bei den Führungen voller Geschichten, die durchaus Stoff für ein Buch bieten. „Ich werde mich aber zur DDR-Zeit nicht in einem Buch äußern, weil ich mich selbst als befangen betrachte“, erklärt er. Sein Vater Hans Marquardt hat ab 1961 viele Jahre den Reclam-Verlag geleitet. „Von ihm stammt aber keins der Hefte“, so der habilitierte Wissenschaftler, den die Sammelleidenschaft 1967 gepackt hat.“

Stand: 10.03.2024

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