Volkshochschule

Löhrstraße 3-7 | Ortsteil: Zentrum-Nord

Es ist egal, ob jemand seine Hobbys vertiefen, fremde Länder erkunden oder seine Berufschancen verbessern will: Mit nahezu 4.000 Kursen unterstützt die Volkshochschule Leipzig im Haupthaus in der Löhrstraße, in ihren Zweigstellen in Paunsdorf, Grünau, auf dem Campus Ihmelsstraße sowie an verschiedenen anderen Orten viele Ambitionen und Wünsche. Das Klischee einer von Senioren besuchten Weiterbildungsstätte, die wie bei Loriot das Jodeldiplom ablegen, ist längst widerlegt. Besonders in Leipzig, wo der Sozialdemokrat Hermann Heller 1922 eine eigene „Leipziger Richtung“ der Volkshochschulbewegung begründete.

Eine kleine Sensation in der Weimarer Republik


Am 13. März 1922 entsteht in Leipzig ein Amt für Volksbildung, das 1928 am Schleußiger Weg ein eigenes Haus bekommt. Bereits am 3. Mai 1922 beginnt das erste Semester an der Abendvolkshochschule. Das ist in jenen Jahren in der Weimarer Republik eine kleine Sensation. Leipzig leistet sich als einzige deutsche Stadt ein Amt, das sich mit Erwachsenenbildung und Kultur befasst. Ziel ist es von Anfang an, Nichtprivilegierte an Bildung und Kultur heranzuführen. Im Arbeitsplan für das erste Semester vom 3. Mai bis 1. Juli 1922 sind vielfältige Angebote zu finden. Die Bildungsstätte offeriert 138 Kurse, die von 2.617 Interessenten besucht werden. Sie beschäftigten sich mit der modernen Hygiene der Großstadt, mit Grundbegriffen der Wirtschaftslehre, mit Rechten des Arbeiters oder
Friedrich Nietzsches Zarathustra. Angeboten werden Kurse zur Geschichte des Heimatbodens, zu Gedichten, zu Geld und Kredit, zum astronomischen Weltbild und vielen anderen Themen. In jenen Jahren sind auch Volkshochschulheime beliebt.

Bis zum 5. Mai 1933 ist die Geschichte der VHS ausführlich erforscht. An diesem Tag beschließt das Lehrerkollektiv angesichts der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten die Selbstauflösung der Einrichtung. Am 15. Juni 1946 erfolgt die Neugründung. Mit Wissbegier und Enthusiasmus beginnt das erste Nachkriegssemester an der Volkshochschule, die später ins Volksbildungssystem der DDR integriert wird – mit allen ideologischen Zwängen.

1956 wird die VHS auf Beschluss des Ministerrates der DDR in eine allgemeinbildende Schule für Erwachsene umgewandelt. Eins ist aber klar: An der Volkshochschule wird auch zu DDR-Zeiten solide Bildungsarbeit geleistet, die vielen Leipzigern gute Grundlagen für ihren Berufsstart und für Freizeitaktivitäten ermöglicht. Eine „vollgestopfte“ Treppe zu Kursbeginn und die runde Uhr – dieses Bild hat sich Generationen von Menschen eingeprägt, die Kurse in der Löhrstraße besucht haben.

Nach der Friedlichen Revolution wird die VHS zunächst eine Einrichtung des Freistaates Sachsen, ab 1. Oktober 1993 dann wieder ein kommunales Amt der Stadt Leipzig. In den 1990er Jahren gilt es, gemeinsam mit dem Sächsischen Volkshochschulverband ein neues Profil zu entwickeln. Der Bereich Schulabschlüsse wird ausgegliedert, die fortan am Abendgymnasium sowie an der Abendoberschule abzulegen sind. Ziel ist es, aus der VHS ein offenes Bildungshaus zu machen, das leicht zugängliche, qualifiziert hochwertige sowie parteipolitische wie konfessionell neutrale Angebote unterbreitet. Um kurze Wege zu ermöglichen, wird dies seit 1993 auch in den beiden Großwohnsiedlungen Grünau und Paunsdorf ermöglicht.

Lebenslanges Lernen ist das Kerngeschäft


Das Kerngeschäft der Volkshochschule ist auf lebenslanges Lernen ausgerichtet. Bei der Mehrzahl aller Angebote geht es um das Erlernen handfester Grundlagen. Sprachen stehen dabei an erster Stelle. Die berufliche Qualifizierung, die Weiterbildung in Computertechnik und neuen Medien, aber auch Kurse zur Gesundheit und Ernährung stehen weit vorn. Voll im Trend sind Kochkurse, die in der neuen Lehrküche in der Löhrstraße angeboten werden.

2009/2010 erfolgt die große Zäsur. Das klassische Modell der Volkshochschule wird beendet. Letztmalig wird in Leipzig ein Programmheft gedruckt, danach die altbekannte Gliederung in Frühjahrs- und Herbstsemester aufgehoben. Die Planung wird flexibel und agil, kann seitdem auf aktuelle Entwicklungen reagieren. Die Angebote sind online zu finden, die Buchung der Kurse erfolgt größtenteils ebenfalls auf diesem Weg. Die Corona-Pandemie, während der viele Kruse nur gestreamt werden konnten, hat diese Entwicklung beflügelt. Klassische Präsenzkurse werden da von einigen Besserwissern bereits totgesagt. Doch das Gegenteil ist eingetreten: Der Run auf bestimmte Angebote ist größer denn je. Marketing spielt seitdem eine wichtige Rolle, damit die Leute regelmäßig auf die Website schauen. Das VHS-Team ist bei Stadtteilfesten mit Lerninseln vor Ort, um für die Angebote zu werben.

Neuer Bildungscampus auf Wilhelm-Leuschner-Platz geplant


Bestseller sind nach wie vor die Sprachen, aber auch der Gesundheits- und Ernährungsbereich, Entspannung und Stressbewältigung boomen regelrecht. In vielen Bereichen kann die Volkshochschule die Nachfrage gar nicht abdecken. Turnhalle und Lehrküche sind meistens ausgebucht. Neue Räume werden ab 2025 beispielsweise in der
Konsumzentrale in Plagwitz genutzt. Die Kurse „Deutsch als Fremdsprache“ sind ebenfalls voll.

Die Volkshochschule beschäftigt 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Hälfte sind Pädagogen, die 2024 genau 4.066 Kurse planten, wovon 3.386 auch tatsächlich stattfinden. Die sogenannte Durchführungsquote liegt an der VHS Leipzig bei 83 Prozent, der bundesweite Durchschnitt liegt da zwischen 60 und 70 Prozent. Mehr als 700 Kursleiter arbeiten in Leipzig freiberuflich.

Geplant ist, dass die Volkshochschule perspektivisch in den neue Bildungs- und Markthallencampus auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz integriert wird. Dort könnte die modernste Volkshochschule Deutschlands entstehen – sogar Wasserbecken sind geplant. Doch das ist Zukunftsmusik. Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) will den Campus frühestens ab 2030 an der historischen Markthallenstraße errichten.

Stand: 17.12.2024

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Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
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