Ein Handwerksbuch der Bäckerinnung Meißen listet die Lossprechung von Lehrlingen auf. Erste Eintragungen stammen aus dem Jahr 1574. Das ist das älteste Exemplar, das das Sächsische Wirtschaftsarchiv (SWA) aufbewahrt. Das Wirtschaftsarchiv gibt es seit dem 5. April 1993.
Es wird von den drei sächsischen Industrie- und Handelskammern als regionales Wirtschaftsarchiv für Sachsen gegründet. Nach 1990 ist die Wirtschaft wieder eigenständig für ihre Unterlagen verantwortlich, zuvor hat das Staatsarchiv zumindest jene der großen Vorzeigebetriebe der DDR aufbewahrt. Hilfe beim Aufbau des neuen Archivs gibt es von der Industrie- und Handelskammer Köln, die mit dem 1906 gegründeten rheinisch-westfälischen Archiv das älteste regionale besitzt. Leipzigs Handelskammer hatte auch eins, welches jedoch mit der Zerstörung ihres alten Gebäudes 1943 im Zweiten Weltkrieg weitestgehend vernichtet wird. Auf Sammelgut aus dem Staatsarchiv kann die Wirtschaft aber zurückgreifen.
Das neue Sächsische Wirtschaftsarchiv ist als gemeinnütziger Verein organisiert. Sein Auftrag: Das Archivgut aus der Wirtschaft aufbewahren, zu bewerten und natürlich einem interessierten Publikum zugänglich zu machen. Erster Sitz ist in der Theresienstraße in Eutritzsch im ehemaligen Datenverarbeitungszentrum, seit 2007 befindet es sich in der Konsumzentrale in der Industriestraße in Plagwitz.
Umzug nach Borna 2026 geplant
Ein Umzug nach Borna ist für 2026 geplant. Dort entsteht ein Archiv-Campus, der die geballte Bergbauhistorie in der einstigen Hauptstadt des Kohleabbaus im Leipziger Südraum konzentrieren wird. Der Leipziger Verein zieht dort mit ein. „Wir sind ein Leipziger Kind und wollen das auch bleiben“, erklärt Veronique Töpel, die Geschäftsführerin. In Borna gebe es allerdings bessere Bedingungen für die weitere Entwicklung des Archivs – bis hin zur klimatisch notwendigen Aufbewahrung im neuen Gebäude. „Den Kontakt nach Leipzig werden wir aber nicht verlieren“, so Töpel. Eine Vision sei, in der Konsumzentrale ein virtuelles Industrieschaufenster zu errichten, um den traditionellen Standort in Plagwitz lebendiger zu machen.
Das SWA verwaltet derzeit ca. 360 Bestände von Unternehmen, Vereinen und Verbänden, Nachlässe sowie Dokumentationen. Dabei sind knapp 3,8 Kilometer in den Regalen belegt. Neben Akten, Plänen und Druckerzeugnissen gehören mehr als 60.000 Fotos zum Bestand des Archivs. Es sammelt außerdem Firmenfestschriften, Kataloge und Werbemittel, allein 5.000 historische Briefköpfe sind vorhanden. Eine Präsenzbibliothek umfasst rund 12.500 Bände. Neben den Unterlagen in den Staatsarchiven sind im sächsischen Wirtschaftsarchiv die Archivalien kleiner und handwerklicher Betriebe gesammelt, die einen wichtigen Teil der sächsischen Industriekultur ausmachen.
Werbemittel vom Bierglas bis zum Zollstock
Unter den Werbemitteln befinden sich auch Biergläser, Kaffeetassen, Namenschilder Zollstöcke oder Streichholzschachteln. Das sind Gegenstände, die ebenso wie kleine Produkte aus den Firmen, zum Blickfang bei Ausstellungen werden können. Ausstellungen gibt es beispielsweise regelmäßig zu den Tagen der Industriekultur.
Die Sammlung ist hochkarätig. Komplett aufbewahrt und erschlossen ist jene der Radeberger Brauerei. Interessant für die pharmazeutische Industrie sind die Überlieferungen des Arzneimittelwerkes Dresden/Radebeul. Einer der ältesten Handwerksbetriebe in Sachsen, die Bau- und Möbeltischlerei Graichen aus Frohburg, ist ebenfalls präsent.
Eine Sammlung beschäftigt sich mit den Bleichert-Werken, dazu gehören private Stücke aus der Familie. Die Firma Adolf Bleichert & Co. aus Leipzig-Gohlis macht sich bis 1930 einen Namen als der weltweit führende Hersteller von Materialtransport- und Personenseilbahnen. Über den Industriepionier Karl Heine hat das Wirtschaftsarchiv eine Biografie unter dem Titel „Der Mann, der Leipzig zur Industriestadt machte“ herausgebracht. Der Firma Körting & Mathiesen aus Leipzig, die vorrangig Bogenlampen sowie andere elektrotechnische Anlagen fertigt, ist ebenfalls eine Publikation gewidmet.
Historische Briefköpfe sind online zu finden
Viele der Archivalien werden digitalisiert, wobei das Archiv mit einem Dienstleister zusammenarbeitet. Es verfügt derzeit über drei festangestellte Mitarbeiter, beschäftigt zudem studentische Hilfskräfte. Die Firmen sowie Privatpersonen überlassen ihre Sammlungen dem Sächsischen Wirtschaftsarchiv auf freiwilliger Basis – eine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt es nicht.
Eine Sammlung historischer Briefköpfe ist online zu finden. Das sächsische Wirtschaftsarchiv bietet auch regelmäßig wissenschaftliche Kolloquien an.
Stand: 12.06.2025