26 Jahre lang hat sie die Leipziger Kulturszene geprägt wie keine andere. Im Februar 1994 übernimmt Susanne Kucharski-Huniat das Leipziger Kulturamt. Davor attackiert sie noch als Stadtverordnete von Bündnis 90/Die Grünen den damaligen Kulturdezernenten Georg Girardet heftig, weil es mit der Sanierung des Hauses der Volkskunst – heute Theater der Jungen Welt – am Lindenauer Markt nur schleppend vorangeht. Später kümmert sie sich als „Bauherrin“ selbst um städtische Kulturimmobilien, die saniert werden müssen. Und erlebt all die Schwierigkeiten, die sich dabei ergeben können.
Geboren wird Susanne Kucharski-Huniat am 1. Februar 1958 in Leipzig. Sie wächst in Gohlis auf, geht dort zur Polytechnischen Oberschule. Ihre Begeisterung für Literatur und das Lesen führen zu ihrem Berufswunsch. Sie absolviert eine Lehre zur Buchhändlerin beim Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG) und anschließend ein berufsbegleitendes Studium an der Fachschule für Buchhändler in Leipzig-Leutzsch.
Mit 21 Jahren lernt sie den Leipziger bildenden Künstler Günther Huniat, ihren späteren Ehemann, kennen. Durch ihn erhält sie Zugang zu Künstlerkreisen, zu Studentengruppen, zu Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen und aus dem westlichen Ausland. Plötzlich findet sie sich inmitten verschiedener künstlerischer und politischer Aktionen wie dem „Leipziger Herbstsalon“ wieder. Die kritische Haltung gegenüber dem DDR-Regime wird immer stärker. Mit der Ausbürgerung von Wolf Biermann und dem Weggang anderer Künstler wankt ihr Weltbild.
Buchhändlerin wird Sekretärin in der Jüdischen Gemeinde
Sie beendet ihre Tätigkeit im LKG, nachdem sie dort zunehmend zum Büchereinpacken ans Fließband „abkommandiert“ wird. Eine neue Anstellung als Buchhändlerin findet sie zunächst nicht. Sie arbeitet als Lichtpauserin, kann schließlich in einer Buchhandlung samt Galerie in der Erich-Ferl-Straße (heute Wurzener Straße) arbeiten. Ab Mai 1988 wird sie Sekretärin bei der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Das hat der Autor und Kabarettist Bernd-Lutz Lange vermittelt. „Die Arbeit in der Jüdischen Gemeinde hat mich ungemein bereichert und bis heute Auswirkungen auf mein Leben“, bekennt sie später.
9. Oktober 1989 wird Schlüsselerlebnis
Ab Ende September 1989 nimmt sie an den Leipziger Montagsdemonstrationen teil. Der 9. Oktober 1989, auch „Tag der Entscheidung“ und „Tag der Friedlichen Revolution“ genannt, wird zum Schlüsselerlebnis für sie. Der friedliche Protest Tausender lässt sie hoffen, dass nach der Zeit des immer gegen etwas sein zu müssen nun für sie eine Zeit des sich für etwas einsetzen zu können kommt. Sie engagiert sich politisch, baut den Kreisverband Leipzig der Grünen Partei der DDR mit auf. Im Herbst 1990 wird sie Geschäftsführerin der Fraktion Grüne/Unabhängiger Frauenverband der ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung und rückt 1992 als Stadtverordnete nach. Die Fraktion vereint sich später mit dem Bündnis 90, sie bleibt als Geschäftsführerin im Amt. Susanne Kucharski-Huniat fällt als engagierte und kritische Stadtverordnete auf. Die Kultur liegt ihr besonders am Herzen.
Wechsel von der Politik in die Verwaltung
1993 bewirbt sie sich auf die frei gewordene Stelle der Leitung des Kulturamtes. Anfang 1994 wird sie vom Hauptausschuss in diese Funktion gewählt und beginnt unverzüglich mit der Arbeit. Es ist eine spannende Zeit, in der Leipzig im Auf- und Umbruch ist. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Stadt mit vielen Arbeitslosen ist ihr diese Zeit in guter Erinnerung. Sie ist dankbar, dass ihr der damalige Leipziger Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube und der Kulturbeigeordnete Georg Girardet so viel Gestaltungsraum ermöglicht haben. Und erweist sich dabei als ebenso authentisch wie entscheidungsfreudig.
Im Kulturamt hat sie herausfordernde Aufgaben, wie Bauherrin für die städtischen kulturgenutzten Gebäude. Der Sanierung des Theaterhauses am Lindenauer Markt folgen beispielsweise das Gohliser Schlösschen, das Grassimuseum, das Thomas-Alumnat, das Kulturhaus Anker und das Alte Rathaus. Bei der neu gegründeten Stiftung Völkerschlachtdenkmal wird sie erste Geschäftsführerin.
Eine Gedenkstätte als Sternstunde
Dass sie als Leiterin des Kulturamtes als ein erstes großes Projekt die Errichtung des Synagogendenkmals am Standort der ehemaligen Großen Gemeindesynagoge der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig verantwortet und realisieren kann, bezeichnet sie als Sternstunde ihrer Tätigkeit. Gemeinsam mit ihrem damaligen Fraktionskollegen Helmut Warmbier hat sie 1993 den Antrag zur Errichtung der Gedenkstätte gestellt. Die Einweihung erfolgt 2001 im Rahmen der 4. Jüdischen Woche, die sie mit initiiert hat und die seit 1995 alle zwei Jahre als städtische Veranstaltung mit vielen Partnern stattfindet.
„Sie möchte mehr mit der Stadtgeschichte wuchern“, sagt Susanne Kucharski-Huniat bei ihrem Amtsantritt und freut sich, dass in ihrer Amtszeit viele Lücken der Erinnerungskultur in Leipzig geschlossen werden können. Weitere Denkmale werden errichtet oder aufgewertet, ein Haus- und Gedenktafelprogramm gestartet. Der Etat für die Leipziger freie Kulturszene steigt von 1 Millionen DM im Jahr 1995 auf über 10 Millionen Euro im Jahr 2020.
Mehr als 20 Jahre vertritt sie Leipzig im Kulturforum des Städtenetzwerkes Eurocities und macht dort viele positive Erfahrungen – auch als Leiterin einer internationalen Arbeitsgruppe. Dabei kommt sie viel in Europa herum und kann auf Leipzig aufmerksam machen.
Anfang 2020 beendet Susanne Kucharski-Huniat ihr aktives Berufsleben. Für ihre Heimatstadt engagiert sie sich weiterhin, nun in Ehrenämtern. Dazu gehört ihre Arbeit im Vorstand der Europäischen Stiftung der Rahn Dittrich Group für Bildung und Kultur.
Stand: 12.05.2025