Spätestens seit der Eröffnung des gleichnamigen Gymnasiums ist der Palmengarten wieder mehr in der Stadt verankert. Als Kultur- und Gartendenkmal ist er jedoch nur noch wenigen geläufig. Viele kennen das Areal, das sich an die Uferterrassen des Richard-Wagner-Hains auf der Westseite am Elsterbecken anschließt, als öffentlichen Park für Freizeit und Erholung. Dabei ist der Palmengarten mit Gesellschaftshaus und botanischem Garten ein Prestigeobjekt des alten Leipzigs gewesen. Wer sich die alten Ansichtskarten anschaut, ist regelrecht fasziniert. Von der einstigen Pracht ist allerdings nur noch ein eiserner Pavillon, der auf dem Hügel am Teich steht, übrig geblieben.
Heute ist das Areal ein viel genutzter Park. Bezogen auf seine ursprüngliche Attraktivität ist es jedoch ein „verlorener Ort“, an den es sich zu erinnern lohnt. Dies versuchen verschiedene Leipziger Bürger, zumal sich 2024 das 125. Jubiläum des Palmengartens jährte. Angeregt wird, diesen historischen Ort besser im Gedächtnis Leipzigs zu verankern. Dafür sorgt der Verein Forschungs- und Transferzentrum an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) in Kooperation mit dem Stadtgeschichtlichen Museum und vielen anderen Partnern. Erste Ergebnisse ihrer Forschung wurden im Herbst/Winter 2024/25 im Capa-Haus bei einer Kabinett-Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert.
Die Geschichte der ehemaligen Viehweide auf den Lindenauer Ratswiesen als Landschaftspark beginnt mit der Internationalen Jubiläums-Gartenbau-Ausstellung zu Leipzig im Jahr 1893.
Aus Viehweide wird ein Landschaftsgarten
Die Stadt schreibt einen deutschlandweiten Architektenwettbewerb für das 200.000 Quadratmeter große Gebiet aus. Das wird von der Luppe, dem Kuhburger Wasser und der Frankfurter Straße (heute Jahnallee) begrenzt. Beim Wettbewerb siegt der Leipziger Baumschulen- und Gärtnereibesitzer Otto Moosdorf, der geschickt Teile des Auwalds und den alten Baumbestand in die Planung einbezieht.
Oberbürgermeister Bruno Georgi eröffnet die Schau am 25. August 1893. Entstanden ist ein Park mit Blumenrabatten, Wald, einem künstlichen Wasserfall mit Felsengrotte sowie einem sogenannten Königspavillon. Ziel der dreiwöchigen Ausstellung ist es, neue Erkenntnisse über die Garten- und Landschaftsgestaltung zu vermitteln. Damals kennt man das Schlagwort von der Nachhaltigkeit zwar noch nicht. Georgi regt aber schon in der Festrede an, das Gelände weiterhin zu nutzen und als großen Landschaftsgarten für jedermann zugänglich zu machen. Es entsteht die Idee, den Leipzigern die Palmen des Südens näherzubringen.
Erneut wird ein Wettbewerb ausgeschrieben. Gärtnereibesitzer Moosdorf, der eigentlich nur den zweiten Platz belegt, wird mit der gärtnerischen Gestaltung beauftragt. Die Rathausspitze gründet eine Interessengruppe, die mit Leipziger Banken ein Finanzierungskonzept entwickelt. Das führt zur Gründung einer gemeinnützigen „Aktiengesellschaft Leipziger Palmengarten“. Diese erwirbt weitere Grundstücke zwischen Elster und Plagwitzer Straße (heute: Käthe-Kollwitz-Straße). So entsteht ein 22.5000 Quadratmeter großes Areal. Es gelingt zudem, private Spender und Stifter zu gewinnen. Ein Vorbild ist dabei der 1871 entstandene Frankfurter Palmengarten. Dieser hat sich damals bereits als bildender Lust- und Ziergarten etabliert. Beide Großstädte benötigen Flächen für Erholung und Entspannung außerhalb der Fabriken und des Zentrums.
Palmenhaus mit exotischen Pflanzen wird Hingucker
Der Aufbau des Palmengartens ist eng mit der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbeausstellung (STIGA) im nahen König-Albert-Park (heute: Clara-Zetkin-Park) verbunden. Diese umfassende Leistungsschau Mitteldeutschlands zieht von April bis Oktober 1897 nahezu 2,4 Millionen Besucher an. Nach Ende der STIGA können verschiedene Baumaterialien sowohl für das Gesellschafts- als auch das Palmenhaus weiterverwendet werden. Dadurch gelingt es, den im englischen Stil angelegten Garten schon am 29. April 1899 feierlich zu eröffnen. August Hermann Schmidt und Arthur Johlige aus Leipzig sind die Architekten des Gesellschaftshauses.
Ein Hingucker ist das Palmenhaus, eine architektonisch beeindruckende Konstruktion aus Stahl und Glas. Der große Teich gefällt mit Steingrotte und künstlichem Wasserfall und beleuchteten Wasserspielen. Auch Ruderboote stehen zum Ausleihen bereit. Der Park ist über zwei Eingänge zugänglich – im Norden an der Frankfurter Straße, im Süden an der Plagwitzer Straße. Beide Eingänge haben schmiedeeiserne Tore.
Das Aussehen des Geländes hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Verschiedene Gaststätten und Freisitze, darunter das Hauptrestaurant „Palmengarten“ laden zum Feiern und Verweilen ein. Der 15 Meter hohe große prunkvolle Festsaal wird für Bälle, Vereinsjubiläen und Großveranstaltungen genutzt. Er hat eine Galerie und vier riesige Kronleuchter. Getrennt durch eine Glasfront können die Gäste in das Palmenhaus mit der tropischen Pflanzenwelt hineinschauen, was den besonderen Reiz des Ortes betont. Es gibt auch einen muschelförmigen Konzertpavillon. Dort treten lokale und regionale Orchester auf.
Doch nach den „Goldenen Zwanzigern“ wird es wirtschaftlich schwierig. 1936 wird eine Mauer versetzt, um das Gelände zu verkleinern. An bestimmten Tagen wird der Eintrittspreis gesenkt oder ganz auf einen Obolus verzichtet, damit auch sozial schwächere Menschen in den Genuss des Parks kommen. Lediglich für den Besuch des Palmenhauses muss immer gezahlt werden.
Abriss für monumentale Gutenberg-Schau
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten sind die Tage des Palmengartens gezählt. Sie wollen das Areal grundlegend umgestalten – deshalb werden das Palmenhaus und die angrenzenden Gebäude 1939 gesprengt. Geplant sind große Ausstellungshallen, um an Johannes Gutenberg und die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern zu erinnern. Durch die Kriegsvorbereitungen kommt es aber nicht zur Umsetzung der monumentalen Ausstellung. Das gilt auch für das geplante Richard-Wagner-Nationaldenkmal am Ostufer des Elsterbeckens, für das bereits am 6. Mai 1932 der Grundstein gelegt wird.
Nach dem Krieg wird die Anlage als Park gepflegt. Erst seit 2011 trägt diese wieder den Namen Palmengarten. Nur das wunderbare Palmenhaus bleibt für immer verloren.
Stand: 31.08.2024