Es sind Kulturdenkmäler auf Schienen: Im Straßenbahnmuseum in der Apelstraße 1 sind etwa 60 Straßenbahnen und Busse zu bestaunen, die die Menschen anderthalb Jahrhunderte durch ihre Stadt befördert haben. Betrieben wird das Museum zwischen Mai und September von der Arbeitsgemeinschaft „Historische Nahverkehrsmittel Leipzig“. Es kann in dieser Zeit an jedem dritten Sonntag im Monat besichtigt werden. Ansonsten konzentrieren sich die Vereinsmitglieder darauf, mit tatkräftiger Unterstützung durch die Leipziger Verkehrsbetriebe ihren historischen Fundus zu warten und auszubauen. Dieser ist einzigartig. Deutschlandweit gibt es keine vergleichbare Sammlung – denn alle Fahrzeuge stammen aus Leipzig und können so eindrucksvoll die Straßenbahngeschichte der Messestadt aufzeigen.
Mit Pferdebahn beginnt Straßenbahn-Historie
Die beginnt am 18. Mai 1872. An jenem Tag nimmt die Pferdebahn mit einer Ausfahrt aus dem Depot in Reudnitz ihren Betrieb auf. Etwa 25 Jahre können die Fahrgäste gemütlich mit der Pferdebahn durch Leipzig zuckeln. Dann wird der Elektromotor erfunden. Leipzig vergrößert sich rasch, vor allem durch die 1889 beginnenden Eingemeindungen.
Am 17. April 1896 erlebt Leipzig sein „blaues Wunder“. An diesem Tag nimmt die erste elektrische Straßenbahn ihren Betrieb auf. Es ist ein Fahrzeug der Großen Leipziger Straßenbahn, wegen ihrer Farbe in der Bevölkerung „die Blaue“ genannt. Die „Rote“ von der konkurrierenden Gesellschaft Leipziger Elektrische Straßenbahn folgt ebenfalls 1896. Die erste „Elektrische“ fährt von Connewitz nach Gohlis.
Die „Blauen“ und die „Roten“ konkurrieren um die Gunst der Fahrgäste. Dadurch entsteht ein dichtes Netz für die Straßenbahn, besonders im innerstädtischen Bereich. Die neue Technik führt dazu, dass die Pferdebahn 1897 aufgibt. Die beiden Unternehmen vereinen sich schließlich zur Großen Leipziger Straßenbahn, die im Jahre 1938 in Leipziger Verkehrsbetriebe umbenannt wird. 2022 feiern die Verkehrsbetriebe „150 Jahre Straßenbahn in Leipzig“. Aus diesem Anlass ist eine umfangreiche, reich bebilderte Festschrift erschienen, die die enge Verflechtung zwischen dem Aufstieg der Großstadt Leipzig und ihrem öffentlichen Nahverkehr beschreibt. Autoren sind Helge-Heinz Heinker und Rolf-Roland Scholze.
Fahrzeugparade zu einem besonderen Jubiläum
Zu diesem Jubiläum denkt sich die AG Historische Nahverkehrsmittel etwas Besonderes aus. Sie veranstaltet eine Fahrzeug-Parade mit fahrtüchtigen Straßenbahnen aus dem Museum, die eine Runde um den historischen Straßenbahnhof an der Apelstraße drehen können. Dies wird auch zum Fest für alle Fotografen.
Die historische Sammlung ist in den Jahren 1998 bis 2021 zunächst im Betriebshof Möckern, welcher 1998 für den Linienbetrieb geschlossen wird, beheimatet. Dann zieht sie auf das Gelände des historischen Straßenbahnhofes Wittenberger Straße/ Apelstraße. Es ist das ehemalige Hauptdepot der Leipziger Elektrischen Straßenbahn (1895 errichtet). Vereinsmitglieder haben hier in vielen tausenden ehrenamtlichen Arbeitsstunden das Straßenbahnmuseum eingerichtet.
Der älteste betriebsfähige Triebwagen in Europa
Ältestes Gefährt ist ein Triebwagen aus dem Jahre 1896, der nach wie vor betriebsbereit ist. Er wird schon in den 1920er Jahren von Straßenbahnfahrern für museale Zwecke gesichert. Da der Triebwagen nach dem Zweiten Weltkrieg vor dem Verschrotten gerettet werden kann, ist er nach Angaben des Vereins der älteste, betriebsfähige Straßenbahnwagen mit Originalausrüstung auf dem europäischen Festland. Über technische und museale Daten aller Fahrzeuge gibt der Verein Arbeitsgemeinschaft „Historische Nahverkehrsmittel Leipzig“ auf seiner Homepage detailliert Auskunft.
Zu sehen sind im Straßenbahnmuseum neben einem Pferdebahnwagen historische Triebwagen und historische Beiwagen der Baujahre 1896 bis 1988 sowie schienengebundene Sonderfahrzeuge. Kraftomnibusse sowie Oberleitungsbusse werden ebenfalls vorgestellt. Dazu gehört ein Skoda-O-Bus, der einst auf der Kurt-Eisner-Straße fährt. Er bezieht seinen Strom über einen Stromabnehmer aus einer elektrischen Oberleitung. Die O-Busse werden in den 1970er-Jahren abgeschafft, weil die DDR auf Benzin als Antriebsart setzt. Zu sehen sind ebenfalls Tatra-Fahrzeuge, die in Leipzig erstmals 1969 zum Einsatz kommen.
Beiwagen überlebt als Gartenlaube
Im Museum werden ebenfalls kurios anmutende Geschichten erzählt. So hat das Unternehmen einst einen Sommerbeiwagen aus dem Jahr 1896 ausrangiert. Dieser überlebt jahrzehntelang in einem Garten in Markkleeberg und dient dort als Gartenlaube. Dort kann er 1987 geborgen werden. Inzwischen restauriert, steht er nun im Straßenbahnmuseum.
An ausgewählten Öffnungstagen bieten die Vereinsmitglieder einen Blick in ihre Restaurierungswerkstatt an. Dort werden die Fahrzeuge in den Originalzustand gesetzt. Für eine Rundfahrt zu Feierlichkeiten können die Leipziger verschiedene Bahnen mieten. Vereinsmitglieder schlüpfen auf Wunsch in historische Uniformen und erzählen viele Episoden aus der Historie der „Elektrischen“.
Stand: 18.10.2025