Zwei rotglänzende Kupferkessel ziehen im Ratskeller Leipzig die Blicke auf sich. Die traditionsreiche Gaststätte im Neuen Rathaus stellt ihr Bier selbst her. Schon der mehr als drei Meter hohe Stuhl direkt im Eingangsbereich des Großen Kellers ist ein Symbol für die Gastlichkeit des Hauses, das sich oft neu erfindet und mit der Zeit geht. Davon zeugt nicht zuletzt die Idee, Bäume zu befördern. Von jeder verkauften Ein-Liter-Lotterwasser-Flasche wird gemeinsam mit der Umweltorganisation „Plant für planet“ ein Baum gepflanzt. Wer den Ratskeller vom Burgplatz aus betritt, gelangt zunächst ins große Restaurant. Das fasziniert durch wuchtige Säulen unter den Kreuzgewölben und alten Wandvertäfelungen.
Ratskeller öffnet noch vor Rathaus
Den Ratskeller gibt es seit Bau des Neuen Rathauses, das auf den Fundamenten der alten Pleißenburg errichtet wird. Zwischen 1899 und 1905 entsteht das Gebäude nach Plänen des Baumeisters und Stadtbaurates Hugo Licht. Noch vor Fertigstellung des Rathauses kann die neue Gaststätte am 1. Oktober 1904 zum ersten Mal öffnen. Erster Pächter ist Karl Blechschmidt.
Ein Restaurant des Rathauses hat Tradition. Bereits 1563 eröffnet der Rat der Stadt Leipzig einen „Ratsweinkeller“ – in der „Goldenen Schlange“ (heute Areal Barthels Hof) am Markt. Der „Ratsweinkeller“ wird später verpachtet und bleibt bis 1826 bestehen, obwohl es viele Streitereien – sogar vor dem Hofgericht – mit Weinhändlern gibt. Die Ausschreibung für den Bau des neuen Hauses der Stadtverwaltung knüpft an die Tradition an und sieht einen „Ratskeller mit allen zum Betriebe eines Wein- und Bierschanks nötigen Wirtschafts- und Nebenräumen“ vor.
Den Krieg nahezu unbeschadet überstanden
Der Ratskeller ist von Anfang an gut besucht. Schon 1922 bietet er seinen Gästen gut 700 Plätze. Von diesem Jahr an werden die ehemaligen Personalschlafräume als Gasträume genutzt, die kurzerhand zu Hochzeitszimmer und Kaffeekabinett umfunktioniert werden. Die Gesellschaften kommen gerne. Da alle wehrfähigen Männer bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einberufen werden, setzt die Gastronomie im Jahre 1939 erstmals weibliche Bedienungen ein.
Nach 1945 gehört der Ratskeller zu den wenigen Gaststätten in Leipzig, die den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstehen. Der Betrieb kann – freilich unter eingeschränkten Möglichkeiten der Nachkriegszeit – weitergehen. Ab 1948 geht die Bewirtschaftung an einen Kommunalen Wirtschaftsbetrieb über, bevor dann nach dessen Auflösung die Handelsorganisation (HO) übernimmt. Letztlich wird die Gaststätte in den 1960er Jahren volkseigener Betrieb und unmittelbar dem Rat der Stadt unterstellt. Schon mit dem Bau des Rathauses entsteht eine Wendeltreppe, die die Untere Wandelhalle und die Gaststätte miteinander verbindet. Geboten wird auch zu DDR-Zeiten eine gutbürgerliche Küche.
Der Ratskeller überlebt die Wende. Ab 1999 wird er dann verpachtet. Die Gastronomen Ingo Winkler und Jan Woithon werden Geschäftsführer einer Gesellschaft, die die Regie übernimmt. Diese startet damit, alle Räume des Ratskellers zu renovieren und neu zu gestalten. Aus dem ehemaligen Jagdzimmer entsteht die „Alte Wache“. Der ehemalige Bachsaal wird zum Ratskellerclub. Aus dem Hochzeitszimmer entsteht das Burgzimmer, welches später in ein Richard-Wagner-Zimmer und letztlich zum Admiral-Bromme-Salon umfunktioniert wird. Mittlerweile gibt es sieben Gesellschaftsräume mit insgesamt 700 Plätzen.
Ein Brand und seine verheerenden Folgen
Einschneidend für den Ratskeller wird der Heiligabend 2013. Am 24. Dezember kommt es zu einem verheerenden Brand. Dabei werden die Gasträume, insbesondere die Küche, stark beschädigt. Die Tische sind zu diesem Zeitpunkt bereits für die Weihnachtsgäste eingedeckt. Doch nun ist alles mit einer Rußschicht überzogen. Das Weihnachtsessen wird abgesagt. Vorbestellte Gänse und Enten können nicht ausgeliefert werden. Wenigstens die Silvestergala, für die 500 Karten verkauft sind, kann in die Obere Wandelhalle und in den Festsaal des Neuen Rathauses verlegt werden.
Zehn Monate dauert es, bis die Folgen des Brandes beseitigt sind. Mit erheblichen Investitionen wird das denkmalgeschützte Restaurant wieder nutzbar gemacht und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. So müssen die historischen Möbel und Wandverkleidungen von Spezialfirmen gereinigt werden, um den Brandgeruch zu entfernen. 3.000 Gläser, 6.000 Besteckteile, 1.000 Geschirrteile, 600 Stoffservietten und 100 Tischdecken müssen die Wirte laut Leipziger Volkszeitung ersetzen. Sie nutzen die Zeit, die Küchentechnik komplett zu erneuern und energiesparende Geräte anzuschaffen. Wiedereröffnung ist am 1. Oktober 2014. Besonders attraktiv: eine in den Gastraum integrierte Theke samt angestrahltem Gewölbebogen.
„Lotteraner“ heißt das eigene Bier
Drei Jahre später gibt es eine weitere Novität: Der Ratskeller braut sein eigenes Bier. Am 21. März 2017 wird die Leipziger Braumanufaktur eingeweiht. „Lotteraner“ heißt das Bier, gebraut von Braumeister Norman Jung. Es wird im Lokal, aber auch zum Mitnehmen außer Haus verkauft. Schon seit November 2016 schenkt der Ratskeller nur noch sein eigenes Bier aus. Zunächst braut das Restaurant nach eigener Rezeptur noch außer Haus. Dann wird direkt vor den Augen der Gäste der Sud angesetzt und die Würze gekocht.
Im Gewölbe stehen 13 Gär- und Lagertanks, in denen das Bier bei zwölf Grad in sechs Wochen trinkfertig reift. Selbstverständlich nach deutschem Reinheitsgebot. Neben Hellem, Schwarzem und Weizen gibt es ein wechselndes Spezialbier, oft auch Gose. Wer möchte, kann in einem Probierset die aktuellen Biersorten kosten.
Der Leipziger Ratskeller legt viel Wert auf frische Zutaten aus der Region. Regelmäßig bietet das Restaurant Führungen an – sowohl auf den Rathausturm als auch in die Kasematten sowie hinter die Kulissen der Braumanufaktur. Beliebt sind viele Specials von Bierseminar bis Brunch.
Stand: 18.01.2025