Stadtbad Leipzig

Eutritzscher Straße 21 | Ortsteil: Zentrum-Nord

Herren, Damen, Hunde – sie alle dürfen ab 1916 das neue Hallenbad in der Eutritzscher Straße nutzen. Mit der Undosa-Wellenanlage konnte das Wasser im Herrenbecken sogar künstlich aufgeschaukelt werden. So entstehen bis zu ein Meter hohe Wellen. Leipzig hat mit seinem nach dreijähriger Bauzeit eröffneten Stadtbad damals das erste Wellenbad Europas. Rasch wird es weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Geschwommen wird dort allerdings inzwischen nicht mehr. Der einstige Glanz ist längst verflogen, die Fassade bröckelt. Im Januar 2004 stürzt in der Großen Halle ein 10-Kilo-Brocken von der Decke ins Wasser – der Badebetrieb wird eingestellt. Nur die beiden Saunen bleiben etwas länger auf. Im Juli 2004 ist dann endgültig Schluss. Der Sanierungsstau ist riesig.

Die Förderstiftung Leipziger Stadtbad, gegründet von Mitarbeitern der Leipziger Wasserwerke, hält das historische Denkmal seit 2006 mit diversen Veranstaltungen am Leben. Ziel ist es, das Stadtbad wiederzueröffnen. In welcher Form wird im Auftrag des Leipziger Stadtrates derzeit noch untersucht. Fakt ist aber, dass die Stadt Leipzig mindestens 80 Millionen Euro in ihr denkmalgeschütztes Gebäude investieren muss. Die Bausubstanz ist zwar in einem guten Zustand, wie jüngste Untersuchungen bestätigen. Jährliche Kosten für den künftigen Betrieb als Schwimmbad sowie Veranstaltungssaal kommen aber hinzu. Vergessen haben die Leipziger ihr Stadtbad nicht. Das Interesse an Führungen durch das Haus ist stets groß.

Leipziger Löwen zieren den Eingang


Entworfen hat die repräsentative Dreiflügelanlage der Leipziger Architekt und Stadtbaurat
Otto Wilhelm Scharenberg. Der Grundstein wird am 15. März 1913 gelegt. Der architektonische Aufwand am Gebäude mit den Arkaden und Säulen um die Schwimmbecken ist enorm. Trotzdem wird alles pünktlich nach dreijähriger Bauzeit 1916 fertig. Der Bau kostet 1,7 Millionen Mark. Im Giebelfeld der zurückgesetzten Eingangsfront sind zwei große, als Relief dargestellte Löwen zu sehen, die das Leipziger Stadtwappen darstellen. Vor dem Haus ist ein Ehrenhof entstanden. Schon die Eingangshalle mit den Kassenhäuschen ist repräsentativ. Männer und Frauen mussten sich damals noch in getrennten Schwimmhallen vergnügen und konnten sich in den römisch nachempfundenen Thermenlandschaften in andere Zeiten träumen.

Eigentlich wird das Haus in dieser Dimension gebaut, um im Zeitalter der Industrialisierung und knapper Wohnräume Angebote zu haben, die die Hygiene der Bevölkerung verbessern helfen. Eigene Bäder können sich nur ganz wenige leisten. Viele Menschen müssen die Flüsse nutzen, um sich zu reinigen. Die Stadt weist dafür extra von Flussfischern bewachte Badestellen aus. Doch das reicht nicht, ist vor allem im Winter keine Lösung. Deshalb entstehen in Leipzig diverse Wannen- oder Brausebäder. Das Stadtbad verfügt über hunderte Badewannen. Repräsentative in Räumen mit Tageslicht für die Betuchten, andere spartanisch eingerichtet in den Kellerbereichen. „Bis zur Schließung 2004 sind Menschen regelmäßig in die Wannenbäder gekommen“, erklärt Maria Artmann von der Förderstiftung Stadtbad bei einer Führung. Im Stadtbad gibt es auch eine Vielzahl von medizinisch-therapeutischen Angeboten, wie Schwitzbäder, einen orthopädischen Turnsaal, galvanische Bäder sowie ein Inhalatorium, das zugleich als Lesesaal genutzt wird. Interessant sind die Regelungen rund um das Hundebad, in das nur ersichtlich gesunde und seuchenfreie Tiere hineindürfen. Die Besitzer sind für die Sauberkeit der Hunde verantwortlich, müssen bei Verunreinigungen Gebühren errichten. Das Hundebad hat getrennte Warteräume für Mensch und Tier, es gibt auch Zwinger. Später wird jener Bereich als Therapiebecken für Kinder genutzt.

Sauna im maurischen Stil ist Herzstück


Ein Herzstück der Badeanstalt ist eine der beiden Saunen, die im maurischen Stil entstanden ist. Prächtige Säulen und Bögen, filigrane Muster mit Goldverzierungen und dekorative Wandmosaiken vermitteln hier viel orientalisches Flair. Hartnäckig hält sich das Gerücht, das die DDR-Filmfirma DEFA hier ihren Filmklassiker „Der kleine Muck“ gedreht hat. Das stimmt aber nicht. 2012 entstehen hier Szenen des ARD-Zweiteilers „Baron Münchhausen“ mit
Jan Josef Liefers. Fotografen nutzen die Sauna mit ihren Models ebenfalls regelmäßig. Das schafft Einnahmen für die Förderstiftung, um das Gebäude zu erhalten und künftig auszubauen. Die Sauna ist 1988 vom damaligen VEB Denkmalpflege akribisch restauriert worden.

Die Sanierung des Stadtbads lässt auf sich warten. Wenigstens das Dach ist inzwischen neu. Bomben haben im Zweiten Weltkrieg die Kuppel zerstört und das Dach der Männerschwimmhalle beschädigt. Das wird nach Kriegsende zwar repariert. Doch die Mängel am Haus werden Jahr für Jahr größer – notwendige Arbeiten immer wieder hinausgeschoben, bis eine Gefährdung der Badegäste zur Schließung führt. Erst die Förderstiftung schafft es, 2011 das Dach energetisch zu sanieren und den Turm wieder aufzubauen. Möglich wird dies durch das Konjunkturpaket II der Bundesregierung, Zuschüsse der Stadt Leipzig und viele Spenden.

Männerschwimmhalle wird zur Eventlocation


Um Teilbereiche des Hauses zu öffnen, wird die alte Männerschwimmhalle zur Eventlocation umgebaut – für
PASSION – die Dinnershow im Stadtbad, Abibälle oder Jugendweihen. Parallel versucht das Liegenschaftsamt der Stadt Leipzig jahrelang, die Immobilie zu verkaufen, findet aber keinen geeigneten Investor. Der Stadtrat stoppt schließlich den Verkauf des Traditionsbades. Es bleibt im Eigentum der Stadt und soll perspektivisch als Sportstätte betrieben werden.

Für eine vertiefte Machbarkeitsstudie werden 250.000 Euro freigegeben. Das Planungsbüro Sahlmann & Partner untersucht zwei Nutzungsvarianten. Die erste sieht vor, beide Schwimmhallen und die Saunalandschaft wieder in Betrieb zu nehmen. Die Sportbäder Leipzig GmbH könnte im Gebäude untergebracht werden. In der zweiten Variante würden nur die Frauenschwimmhalle und der Saunabereich wieder öffnen. Der auf dem Männerschwimmbecken entstandene Eventbereich bleibt demnach erhalten. Wann die Entscheidung über die Zukunft des Stadtbades fällt, ist derzeit offen. Momentan liegt dem Stadtrat kein Betreiberkonzept vor.

Stand: 10.04.2024

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Mathias Orbeck
Der in Leipzig-Connewitz geborene und aufgewachsene Journalist ist leidenschaftlicher Radfahrer und Naturliebhaber. 35 Jahre lang arbeitete der Lokalpatriot als Redakteur und Reporter bei der Leipziger Volkszeitung. Inzwischen als freier Autor tätig, gilt sein Interesse nach wie vor Leipzigs Historie sowie den schönen Seiten seiner Heimatstadt, deren Attraktionen er gern Gästen zeigt.
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